Tichys Einblick

UN-Migrationspakt: Politiker und Journalisten behielten ihr Wissen für sich

Die Bundesregierung ist ihren Informationspflichten nicht nachgekommen, der Bundestag nicht seinen Kontrollpflichten, die Medien haben ihre journalistischen Aufgaben vernachlässigt.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Was ich zum UN-Migrationspakt im Kommentar von Georg Anastasiadis auf merkur.de las, assoziierte ich sofort mit dem, was zeit.de von Alexander Dobrindt berichtete.

Anastasiadis: „Tatsächlich muss die Bundesrepublik kaum befürchten, dass ihr der Plan weitere unerwünschte Migranten aufzwingt. Das liegt daran, dass Deutschland alle Forderungen schon heute (über)erfüllt; jetzt sollen andere diesem Beispiel folgen und Herkunftsländer verpflichtet werden, bestimmte Migranten zurückzunehmen.”

Dobrindt: „… es beinhalte auch keine Verschärfung der Gesetzgebung in Deutschland. Hierzulande würden bereits alle Vorschläge erfüllt, die in dem Pakt aufgeführt sind. Die Bundesregierung, voran das Auswärtige Amt, habe den Pakt verhandelt.”

Herr Anastasiadis wird mir nicht übel nehmen, wenn ich davon ausgehe, dass er sein Wissen mit den meisten Politikjournalisten teilt, wenn er sagt, „… muss die Bundesrepublik kaum befürchten, dass ihr der Plan weitere unerwünschte Migranten aufzwingt. Das liegt daran, dass Deutschland alle Forderungen schon heute (über)erfüllt …”.

Dass dieses Wissen und die Äußerung von Herrn Dobrindt zum UN-Migrationspakt auf identischen Informationen beruht, ist wohl ein zulässiger Schluss. Wenn Herr Dobrindt sagt, der UN-Migrationspakt „beinhalte auch keine Verschärfung der Gesetzgebung in Deutschland. Hierzulande würden bereits alle Vorschläge erfüllt, die in dem Pakt aufgeführt sind. , hat er – vermutlich unabsichtlich – darin implizit eine interessante Auskunft erteilt.

Wenn Deutschland „bereits alle Vorschläge erfüllt, die in dem Pakt aufgeführt sind”, sind die dort Verpflichtungen (commitment) genannten Vorschläge bereits in deutsches Staatshandeln und beim NetzDG in Gesetzgebung eingegangen. Die „Verschärfung” hat also bereits stattgefunden, der UN-Migrationspakt „beinhaltet” diese „Verschärfung der Gesetzgebung in Deutschland” also sehr wohl – wenn auch in Dobrindts Darstellung bereits als vollzogen. Jetzt sind die „Verschärfungen” halt da.

Eine öffentliche Debatte aufgrund einer Berichtserstattung von Medien über den Weg zum Ergebnis, das Anastasiadis und Dobrindt identisch konstatieren, hat nach meiner Beobachtung nicht stattgefunden – eine Debatte wie Beschlussfassung im Parlament und Darlegung ihrer führenden Rolle beim UN-Migrationspakt durch die Bundesregierung nach meiner Erinnerung auch nicht.

Einsichten und Informationen wie im Kommentar von Jost Müller-Neuhof auf tagesspiegel.de hätten Recht, Freiheit und Demokratie bei Beginn der Vorbereitungen für den UN-Migrationspakt mehr genützt als heute:

»Der UN-Migrationspakt, den in Deutschland außer Flüchtlingshelfern und Außenexperten bislang wenige zur Kenntnis genommen haben, ist ein politisch-zivilisatorischer Fortschritt. Leider enthält seine Präambel einen verhängnisvollen Satz: „Migration war schon immer Teil der Menschheitsgeschichte, und wir erkennen an, dass sie in unserer globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung darstellt.“

Wer diese Einsicht einer in Europa gewachsenen Zahl von Menschen vermitteln möchte, für die dieser Teil der Menschheitsgeschichte nicht eine Quelle, sondern eine Bedrohung des Wohlstands darstellt, hat eine große Aufgabe vor sich. Anders gesagt: Allein dieser eine Satz genügt, um sämtliche wichtigen und richtigen Anliegen des 34-Seiten-Dokuments, das im Dezember in Marokko bei einer Regierungskonferenz unterzeichnet werden soll, vollständig zu diskreditieren.«

Seine Meinung, dass der UN-Migrationspakt „mehr eine Absichtserklärung als ein Übereinkommen” ist, kann Herr Müller-Neuhof mit den oben zitierten Meinungen der Herren Anastasiadis und Dobrindt vergleichen – auf einen Nenner zu bringen sind sie nicht.


Mehr zum Thema:
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