Tichys Einblick
Das neue EU-Narrativ ist das alte

Nicht nur Luisa zieht gen Engelland zum Brexit-Widerstand

Johnson will einen Handelsvertrag wie den mit Kanada. Der britische Premier will lieber Handelszölle akzeptieren, als EU-Regeln folgen.

WIktor Szymanowicz/NurPhoto via Getty Images

Bei Luisa Neubauer heißt das angeberisch-kämpferisch-kindisch: „Wir sind hier noch nicht fertig. #Brexit #lightson” Bei Lichte betrachtet sagen sie und die ihren aber nichts anderes als die Hofherolde von Brüssel, Paris und Berlin. Das neue Narrativ zum Brexit, den sie entgegen ihrem alten Narrativ nicht verhindern konnten, ist das alte Narrativ: Wir verhindern den Brexit.

Ich nehme den Beitrag von Tobias Kaiser für WELT online als repräsentatives Beispiel und zitiere auszugsweise:

  • Johnson wird übereinstimmenden Berichten zufolge eine Angleichung an EU-Regeln genauso kategorisch ablehnen wie eine Jurisdiktion des EU-Gerichtshofs. Genauso lehnt er eine – juristisch mögliche – Verlängerung der Ende Dezember 2020 endenden Übergangszeit ab.
  • Die EU will britischen Unternehmen den Zugang zum Binnenmarkt mit seinen Freizügigkeiten von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Personen nur dann lassen, wenn Großbritannien sich den EU-Standards unterwirft.
  • Die französische Regierung, die den britischen Wettbewerb besonders kritisch sieht, hat bereits klargemacht, dass ihr die einfache Übernahme europäischer Standards nicht genügt. Großbritannien müsse sich vielmehr darauf verpflichten, künftige Änderungen bei EU-Regeln automatisch mitzumachen. Andernfalls könne der Zugang zum Binnenmarkt nicht gewährt werden.

Dabei stellt Kaiser am Ende durchaus die britische Perspektive von Boris Johnson und den Seinen gegenüber, allerdings abwertend als etwas, was „Brexit-Befürworter träumen”:

»Brexit-Befürworter träumen immer noch von London als einem „Singapur an der Themse“, das mit lockerer wirtschaftsfreundlicher Regulierung Unternehmen anlocken und so großen Wohlstand schaffen soll. Der britische Finanzminister hat denn auch kürzlich markig angekündigt, dass Großbritannien nicht willfährig EU-Regeln übernehmen werde.«

Am deutlichsten wird die Hybris der EU beim Traum aus Paris, dem „die einfache Übernahme europäischer Standards nicht genügt”, sondern meint, „Großbritannien müsse sich vielmehr darauf verpflichten, künftige Änderungen bei EU-Regeln automatisch mitzumachen.” Hält Macron in Paris Johnson in London für so dämlich, den Brüsseler Superzentralisten eine Blankovollmacht auszustellen?

Die Antwort von Boris Johnson kam Minuten, nachdem die EU („Speech came minutes after Michel Barnier demanded UK obeys Brussels rules”) Macrons Vorstellung geäußert hatte. Wen das in Brüssel, Paris und Berlin auch nur im mindesten überrascht, der hätte nichts von dem verstanden, was in Großbritannien seit dem Referendum stattgefunden hat.

Was Johnson nicht zum ersten mal sagt und wovon ihn niemand abbringen wird, fasst die Daily Mail so zusammen:

Johnson will einen Handelsvertrag wie den mit Kanada. Der britische Premier will lieber Handelszölle akzeptieren, als EU-Regeln folgen.

Twitterer Frechgeist braucht seinen Tweet nicht zu ändern:

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