Tichys Einblick
Abgesang

Kurz bei Söder und Seehofer im Löwenbräukeller

Ob es tatsächlich zur Koalition mit den Grünen kommt oder nicht, ist für die Frage, wie sehr oder wie wenig sich die CSU von Merkels CDU noch unterscheidet, nicht mehr relevant.

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Was Spitzenpolitiker bei letzten Auftritten vor einer Wahl bewirken können, ist immer mal wieder erprobt worden. Bei der FDP gilt als erwiesen, dass Walter Scheel mit seiner Aussage für eine Koalition mit Willy Brandt kurz vor der Bundestagswahl 1969 die FDP doch noch über die Fünfprozenthürde hob. Markus Söder hätte der CSU noch einen letzten Schub bei der Abschlusskundgebung im Löwenbräukeller geben können, doch er ließ diese Gelegenheit ungenutzt. Er sagte nicht, was ihm noch mehr Beifall eingebracht hätte, als er so beim Gast aus Österreich allein gemessen wurde, bei Sebastian Kurz.

WELT online schreibt: „Einer seltsamen Dramaturgie folgend begrüßte CSU-Generalsekretär Markus Blume zunächst nicht den Gast, sondern CSU-Chef Horst Seehofer. Der deutsche Innenminister erhielt ordentlichen Applaus. Daraufhin wurde Ministerpräsident Markus Söder eingeführt. Erste Bravos waren zu hören. Doch wer dies für echte CSU-Ovationen gehalten hatte, wurde eines Besseren belehrt, als Blume Sebastian Kurz willkommen hieß. Da tobte der Saal. Das war weit mehr als der Ausdruck von Respekt, dem man einem Gast entgegenbringt, dem das erste Grüßgott hätte gelten müssen.”

Der Vergleich dieser WELT-Darstellung mit jener auf derStandard.at zeigt, dass das Wiener Blatt nicht zu Kurz‘ Freunden gehört: „Bei der Begrüßung durch CSU-Generalsekretär Markus Blume bekommt der Kanzler deutlich mehr Applaus als jener, der ihn bei der Wahlkampf-Schlussveranstaltung eigentlich dringender nötig hätte: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).”

Was WON „seltsame Dramaturgie” nennt, erinnert den Österreicher mit deutschem Pass unweigerlich an die unendliche Serie an Witzen über Preußen und Bayern, mit denen man einen ganzen langen Abend bestreiten könnte. Hier fiel mir sofort einer aus der Unterserie der Antworten auf die Frage ein, was ist ein Bayer. Er wird einem berühmten Wissenschaftler nachgesagt, der lange in München wirkte. Und geht so: Der Bayer vereinigt in einer einzigen Person die Höflichkeit der Preußen mit der Pünktlichkeit der Wiener.

Und weil ich schon dabei bin, noch eine wahrscheinlich wahre Anekdote über einen frühen Vorgänger von Sebastian Kurz als Bundeskanzler, eine des in Österreich legendären Bruno Kreisky. Bei einem Besuch in München soll ihm ein Redakteur der Süddeutschen die geradezu investigative Frage gestellt haben, ob er gerne nach München komme. Kreisky: Ich komme immer gern nach Bayern, man ist nicht mehr in Österreich, aber auch noch nicht in Deutschland. Den Tonfall der Antwort stellen Sie sich bitte in gemäßigtem Wienerisch vor.

Ob es dabei bleibt, dass man in Bayern noch nicht in Deutschland ist, bezweifelt bis verneint Wolfgang Herles in seiner heutigen Kolumne mit guten Gründen. Jedenfalls hat Markus Söder im Löwenbräukeller die einzige Möglichkeit nicht genutzt, die er noch hatte, um seine CSU in Stimmung und eine größere Zahl von abwandernden CSU-Wählern vielleicht doch zum Umkehren zu bringen. Der Beifall, der ihm für die Absage an eine Koalition mit den Grünen sicher gewesen wäre, hätte mit dem Jubel für Kurz mindestens gleichgezogen.

Eine andere Möglichkeit der Interpretation als diese ist nicht möglich: Söder wollte im Löwenbräukeller eine Koalition mit den Grünen nicht ausschließen.

Bei WON heißt es dazu: »… sogar mitten in München johlen die CSU-Anhänger, als Söder sich deutlicher als bisher von den Grünen distanzierte. Ihre Programmatik sei „nicht koalitionsfähig“. Das erste und einzige Mal setzte an dieser Stelle rhythmisches Klatschen ein, obwohl dies noch immer nicht der von vielen CSU-Anhängern ersehnte Satz: ,Mit den Grünen werden wir nicht koalieren’, war.«

DerStandard.at zitiert Söder: „Das Programm der Grünen ist in Bayern nicht koalitionsfähig. Denn das, was sie vorgestellt haben, ist genau das Gegenteil von dem, was viele bürgerliche Wähler sich wünschen.“ Und verweist auf Söder im ZDF-Morgenmagazin: Bayern wolle „Freistaat bleiben und nicht Verbotsstaat werden“.

So bleibt mir nichts anderes übrig, als Herles zuzustimmen, spät, aber nun eindeutig ist klar: Die CSU war nie vom „Miasanmia-Gefühl einer tausendjährigen Geschichte” getragen. Sonst hätte München „sich als Gegenberlin positionieren” müssen, „nicht nur ökonomisch, auch ideologisch und kulturell”.

Söder wollte sich bei der Abschlusskundgebung wie im ganzen Wahlkampf zuvor alle Koalitionsoptionen offenhalten. Ob es tatsächlich zur Koalition mit den Grünen kommt oder nicht, ist für die Frage, wie sehr oder wie wenig sich die CSU von Merkels CDU noch unterscheidet, nicht mehr relevant. Söder und Seehofer haben sie beantwortet. Ob die CSU juristisch eigene Partei bleibt oder nicht, politisch ist sie nun der letzte Landesverband der CDU.


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