Tichys Einblick
It's twitter, stupid

Donald Trump: State of the Union address

Die erste Stunde redet der US-Präsident nur über Innenpolitik, nur über sein Land, eine nachhaltige Demonstration von America First in sich. Wer die U.S. besser verstehen will, sollte sich die Zeit nehmen und die Rede hören oder lesen.

© Win McNamee/Getty Images

Dass Donald Trump ein Mann ist, der schon fast sein ganzes Leben vor dem Amt als Präsident gewöhnt und geübt war, im öffentlichen Rampenlicht zu stehen, dürfte bekannt sein. Seine erste State of the Union address bestätigt das beeindruckend anschaulich.

Auf CNN können Sie selbst sehen, welchen Volltreffer Trump in der fast zweistündigen Rede ablieferte; wäre interessant, wie viel Zeit man davon für die standing ovations abziehen muss. Eine wortlose, aber aussagekräftige Reaktion zeigt die nervöse Oppositionsführerin Nancy Pelosi, deren Gesicht sagt, mein Gott, wie soll ich dagegen was Wirkungsvolles setzen. CNN zeigt das Videobild mit bewegtem Mienenspiel (soweit sind unsere Online-Formate noch nicht). Es gibt aber auch ein eigenes Video mit den Reaktionen der Demokraten zu verschiedenen politischen Themen in der address.

Im ersten Teil zählt er gute, mutige, gewöhnliche und außergewöhnliche Taten amerikanischer Bürger auf, die alle anwesend sind, so dass Trump ihnen vor dem Auditorium und dem ganzen Land danken, gratulieren und seine Reverenz erweisen kann. Das ist öffentliche Kommunikation in unseren Tagen. Schauen Sie in den Bundestag und Sie wissen, was öffentliche Kommunikation von vorgestern ist. Ja, Trump ist show, aber deshalb wirksam und zwar nachhaltig.

Unter den Gelobten ist Unteroffizier Ashlee Leppert, die im Hurricane zur Rettung von über 40 Leben beitrug. Lesen Sie bitte im engischen Original, wie Trump das präsentiert. Und beachten Sie, wie ein Profi wie er so ganz nebenbei auf die Pressemeldungen über seine tatsächlichen oder angeblichen Eheprobleme reagiert, Ashlee ist mit Melania auf der Galerie:

„We heard tales of Americans like Coast Guard Petty Officer Ashlee Leppert, who is here tonight in the gallery with Melania. Ashlee was aboard one of the first helicopters on the scene in Houston during Hurricane Harvey. Through 18 hours of wind and rain, Ashlee braved live power lines and deep water, to help save more than 40 lives. Thank you, Ashlee.“

Die erste Stunde redet der US-Präsident nur über Innenpolitik, nur über sein Land, eine nachhaltige Demonstration von America First in sich, die sitzt.

Wer die USA besser verstehen will, sollte sich die Zeit nehmen und die Rede hören oder lesen, NBC NEWS ermöglicht beides (Dushan Wegner hat die address dankenswerter Weise übersetzt). Hier nur eine Passage, die in der Rede eines deutschen Politikers, aber auch der meisten anderen europäischen Politiker nicht vorkäme, weil ihnen so etwas nicht in den Sinn käme, weil ihnen der zutiefst republikanische Geist der amerikanischen Republik und ihrer 50 teilsouveränen Bundesstaaten völlig fremd ist, der trotz aller dortigen Fehlentwicklungen immer noch höchst lebendig ist.

«This is our new American moment. There has never been a better time to start living the American Dream.

So to every citizen watching at home tonight — no matter where you have been, or where you come from, this is your time. If you work hard, if you believe in yourself, if you believe in America, then you can dream anything, you can be anything, and together, we can achieve anything.

Tonight, I want to talk about what kind of future we are going to have, and what kind of Nation we are going to be. All of us, together, as one team, one people, and one American family.

We all share the same home, the same heart, the same destiny, and the same great American flag.

Together, we are rediscovering the American way.

In America, we know that faith and family, not government and bureaucracy, are the center of the American life. Our motto is „in God we trust.“»

Hat jemand von Ihnen schon einmal etwas auch nur annähernd Vergleichbares an Empathie von einem europäischen Politiker gehört? Ich nicht. Unterschätzen wir Emotionen als Bindekraft von Gemeinwesen nicht und ihr Fehlen für Sezession. Die Reden und sonstigen öffentlichen Auftritte deutscher Politiker sind zum Davonlaufen. Aber wie soll auch aus seelenlosen Funktionären was anderes heraus kommen als Seelenloses?

„.. faith and family, not government and bureaucracy“, Glauben und Familie, nicht Regierung und Bürokratie. In die deutsche Wirklichkeit gebracht lautet das Regierung und Bürokratie, nicht Glauben und Familie.

Trumps State of the Union address kann auch ein anderer amerikanischer Präsident halten – der da kommen kann und wird – wenn auch rhetorisch nicht so professionell. Wer auch immer nach Trump, früh oder spät folgt, hat mit dieser address eine Benchmark.

Lassen Sie sich nicht vom Äußeren von The Donald täuschen und von der Nutzung dieses Äußeren in deutschen Medien gegen Trump. Von seiner Frisur bis zu seinen Gesten ist er dem biederen Europäer ebenso fremd, wie er bei „seinen Leuten“ in Amerika als das äußere Zeichen eines starken und unbeirrbar selbstbewussten Mannes ankommt, als ein Benehmen, wie sie es selbst gerne beherrschten: So wie sie selbst dem verhassten Establishment gegenübertreten möchten.

Vor einiger Zeit las ich von einer Unterhaltung, in der eine politisch unbedarfte Lady fragte, was das wäre, white trash, nüchtern übersetzt: weiße Unterschicht. Trump antwortete herzerfrischend schlicht, people like me, but without money. Leute wie ich, aber ohne Geld. (Was Hannes Stein dazu in der Welt schrieb, kann ich Ihnen empfehlen: „Erst der ‚White Trash‘ machte Trump zu dem, was er ist“.)

Trump identifiziert sich mit den vom American Dream aus ihrer Sicht vom Establishment ignorierten, am Rande ihrer Existenz in den Weiten Amerikas aus eigener, oft verzweifelter Kraft Lebenden. Und sie identifizieren sich mit ihm. Anders wäre Trump nie Präsident geworden: gegen die demokratische Partei und ihre zahlreichen Hilfstruppen von Hollywood bis Chicago, aber auch gegen fast die ganze republikanische Partei und nahezu alle alten Medien – nicht zu vergessen, mit der unfreiwilligen Hilfe von Hillary und Bill Clinton als Personifizierung des bei den Hillbillies, Rednecks und White Trash verhassten Establishments. Und ihr alten Medien diesseits und jenseits des Teichs: Donald Trump steht in direkter, stündlicher Verbindung mit seiner Family of White Trash über das Trash Medium Twitter. Er braucht euch nicht, alte Medien, er jagt euch mit dem Trash Medium Twitter vor sich und den Seinen her.

Ihn aus dem Weißen Haus zu kriegen, wird schwieriger sein als sein Weg rein. Seine „Truppen“ sind zuverlässig, die auf der Sonnenseite lebenden Amerikaner nicht.