Tichys Einblick
Monopolkapitalismus & Ökosozialismus

Big Tech mag Chinas politische Kultur

Von wegen Primat der Politik. Big Tech bestimmt das Weltgeschehen mehr, als es der Monopolkapitalismus je zuvor vermochte - und er hat heute jene zu Verbündeten, die früher seine Todfeinde waren.

Andrew Buchanan

In diesen Tagen wird besonders deutlich, in welchen Zustand die Classe Politique im ganzen politischen Westen seit der Implosion des Sozialismus der Ausgabe Sowjetkommunismus gesunken ist. Im Weltmaßstab war selten so unübersehbar klar zu sehen, wer die Fäden zieht und wer nicht.

Marco Gallina bringt es auf den ebenso kurzen wie treffenden Nenner, wenn er in seinem Löwenblog schreibt:

„Big Tech hat gewonnen, doch zum Preis dafür, dass der Westen nicht nur ökonomisch, sondern auch geistig der Volksrepublik immer ähnlicher wird. Dank Zuckerberg und Dorsey zeigt der Monopolkapitalismus seine Übereinstimmung mit chinesischen Staatskartellen. Was für ein Tag. Der neue Freiheitsbegriff kommt aus Peking.”

Dass sich Anhänger und Gegner von Donald Trump wegen der Sperrung seiner Accounts in Social Media vehemente Ablehnung und freudige Zustimmung um die Ohren werfen, versperrt den Blick auf den weltweiten Zusammenhang, den Gallinas Zeilen dafür um so klarer adressieren: Big Tech, Anführer des Monopolkapitalismus,   macht den Westen nicht nur ökonomisch, sondern auch geistig der Volksrepublik immer ähnlicher.

Die China herrschenden Kommfuziunisten (© Tomas Spahn) praktizieren eine Form von Primat der Politik, der in Deutschland die tonangebenden Grünen fasziniert, an dem aber auch große Teile der Classe Politique im ganzen Westen Geschmack finden, was spätestens in der Coronakrise offenkundig wird, die eine Politikkrise ist.

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Die Classe Politique des Westens darf auf eine Serie von Irrtümern seit 1989 zurückblicken, die sie gegenwärtig fortsetzt. Es begann mit der Verwechslung eines vermeintlichen Sieges des Kapitalismus mit dem ökonomischen Scheitern des Sozialismus. Das „Ende der Geschichte“ von Francis Fukuyama setzte diesen Irrtum fort. Die immer schon naive US-Vorstellung vom Demokratieexport, der überall dort als geglückt galt, wo gewählt wurde, bahnte im sogenannten Arabischen Frühling von 2010 an den Aufstieg des politischen Islam: Wahlen, die der Westen für demokratische Revolutionen hielt, nutzte der politische Islam nur als Mittel zur Machtergreifung seiner autoritären Kräfte.

Überall, wo der Westen direkt und indirekt intervenierte, um Demokratie zu verbreiten, entstand nicht nur keine, sondern wurden die zarten Pflänzchen von Säkularisierung durch autoritäre Herrscher, die den politischen Islam ein wenig zurückgedrängt hatten, ausgerissen. Dass Deutschland in diesem Weltgeschehen keine Rolle hat, notiere ich nur, weil deutsche Politiker sich immer mal wieder so gerieren, als wäre das anders. Die Politiker anderer Länder und noch mehr die Mandarine von UN und EU dulden das so lange, wie Deutschland ihren unersättlichen Bedarf an deutschem Geld stillt. Kann Deutschland das eines eher nahen denn fernen Tages nicht mehr, verliert es seinen Platz am Katzentisch der Mächtigen, die selbst nur Statthalter von Big Tech und Monopolkapitalismus insgesamt sind.

„Big Tech hat gewonnen, doch zum Preis dafür, dass der Westen nicht nur ökonomisch, sondern auch geistig der Volksrepublik immer ähnlicher wird”, zitiere ich Gallina eingangs. Dieser Prozess wird im Umgang der Monopolisten mit ihrer Macht im und mit dem Internet täglich sichtbarer. Doch da gibt es zwischen Peking und Washington einen Unterschied, der zeigt, dass der Ost-West-Konflikt 1990 nicht beendet, sondern umgruppiert wurde. Im Westen steuern Big Tech und das große Geld insgesamt die Politik, im Osten herrscht mit den Kommfuziunisten der KPCh der Primat der Politik.

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lch will dieses Gegenüber mal anders formulieren. In China haben Technokraten schier unbegrenzte wirtschaftliche Freiheiten, solange sie im Einklang mit Xi Jinping agieren. In den USA hat ein Präsident schier unbegrenzte politische Freiheiten, solange er im Einklang mit Big Tech, Monopolkapitalismus und Ökosozialismus handelt. Dass es zwischen dem Privatkartellkapitalismus des Westens und dem Staatskartellkapitalismus des Ostens immer mehr Schnittflächen gibt, bilanziert die Zunahme des Osteinflusses und die Abnahme des Westeinflusses. Doch der Qualitätssprung liegt weniger im Wirtschaftlichen als im Politisch-Kulturellen.

Im ganzen Westen hat mit dem Sowjetkommunismus als real existierender Form des Sozialismus die Idee des Sozialismus keineswegs abgedankt. Vielmehr ist eine neue Form des Sozialismus von den USA ausgehend in Westeuropa – und dort in der Bonner Republik am deutlichsten – entstanden, der Ökosozialismus, der keineswegs auf Parteien wie die Grünen beschränkt ist. Dieser Ökosozialismus manifestiert sich in allen Bereichen und Themen, vor allem aber erweist er sich als entschiedener Gegner des westlichen Kernwertes überhaupt: der Herrschaft des Rechts.

Bei den Kommfuziunisten herrscht das Recht ihrer Macht. Das genau wollen die Ökosozialisten auch. Zweitere haben nur noch nicht gemerkt, dass sie über UN, EU, NGOs und Massenmedien an den Fäden von Big Tech und Monopolkapitalismus hängen und nach ihrem Willen tanzen.

Einen Primat der Politik kann es in einer Demokratie der Herrschaft des Rechts nicht geben. Die Herrschaft des Rechts wollen die Ökosozialisten im Westen deshalb durch die Rosa-Luxemburg-Doktrin ersetzen: Meinungsfreiheit nur für Meinungsvarianten im eigenen Einheitsmeinungsspektrum. Gegen diese Spielwiese haben Big Tech und Co. nichts, solange die Ökosozialisten ihrer Agenda dienen. In China laufen die Ökotechnokraten an der langen Leine der Kommfuziunisten, im Westen die Ökosozialisten an der kurzen Leine der Ökotechnokraten.

Darum geht es in den USA, nicht um Trump, darum geht es in Deutschland, darum geht es im ganzen Westen. Im 2021er Jahrzehnt fällt die Entscheidung.

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