Tichys Einblick
Welt am Sonntag Nr. 21

WamS: Warum lesen sich so viel mehr Presse-Artikel langweiliger als früher?

Bilde ich es mir nur ein, oder werden die Artikel in deutschen Printmedien immer langweiliger, immer stereotyper, wie es die Nachrichtensendungen einschließlich der Kommentare im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon lange sind?

Das Titelthema: „Europa rüstet sich für den Wirbelsturm Donald“. Welcher Wirbelsturm? Gestern in Saudi-Arabien nach Redaktionsschluss in Deutschland ein Rüstungsdeal von 110 Milliarden Dollar. Gut für Donald.

Morgen in Israel. Den Hoffnungen von Anti-Trump-International, dass ihnen die Israelis helfen, Donald loszuwerden, weil er geheime israelische Informationen den Russen verraten haben soll, erteilt der dortige Geheimdienst-Spezialist Dan Schueftan im WamS-Interview einen Dämpfer. Gefragt, wie groß der Schaden sei, antwortet er kühl: „Er könnte größer sein. Der IS ist nicht Israels wichtigster Feind. Hätte Trump eine Quelle in Teheran enttarnt, wäre das für uns viel gefährlicher.“

Trump würde vielleicht nicht immer wohlüberlegt handeln, „Aber er schwächt die Feinde der USA und stärkt ihre Verbündeten – ganz im Gegensatz zu Obama. Ein starkes Amerika ist gut für Israel, ein schwaches schlecht.“

Nach Israel, beschreiben die WamS-Autoren, besucht Trump „den Papst in Rom und die Führungen von EU und Nato in Brüssel“ und nimmt dann in Sizilien am Treffen der Staatschefs der G-7-Länder teil. Was die WamS an Forderungen deutscher Politiker der zweiten und dritten Reihe nennt, lässt sich auf den simplen Nenner bringen: The Donald soll tun, was wir in Europa wollen und gefälligst nicht wieder höhere Militär-Ausgaben von uns verlangen. Heilige Einfalt. Die Trumpreise ist kein Wirbelsturm und die Reaktionen der hiesigen Politiker sind nicht einmal ein Lüftchen.

Nach der mehrseitigen Titelstory über die Tatsache, dass eine bestimmte Sorte Schweizer Käse Löcher hat, wenn er auf den Markt kommt, frage ich mich, ja und? Bilde ich es mir nur ein, oder werden die Artikel in deutschen Printmedien immer langweiliger, immer stereotyper, wie es die Nachrichtensendungen einschließlich der Kommentare im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon lange sind? Weil so viele Journalisten immer vorsichtiger werden?

Untergehen sollte nicht die Kurzmeldung über eine Umfrage des Hamburger Abendblatts, wonach am 7. und 8. Juli jeder dritte Hamburger (29,7 Prozent) die Stadt verlassen will, weil sie „gewalttätige Auseinandersetzungen und Krawalle“ am Rande des G-20-Gipfels befürchten. Können die Gipfler nicht auf einer unbewohnten Südseeinsel eine Art Gipfel-Brasilia bauen? Da sie sind sie dann sicher und die Bürger werden in ihren Städten nicht belästigt. Wird teuer, ist aber am Ende kostengünstiger. Wenn ich allein an die 20.000 Polizisten denke, die in Hamburg eingesetzt werden sollen.

Eine Geschichte über das „PROJEKT Schwarz-Gelb“ in NRW: Inhalt nicht erhellend. Ein Portrait von Alice Weidel „Zu VIEL des Guten“: Wenig mehr als Fragezeichen hinter ihre „lückenhafte berufliche Vita“. Ich weiß schon, was die AfD-Wahlwilligen sagen werden: Habt ihr so was auch schon über die Politiker in allen Parteien ohne berufliche Vergangenheit außerhalb der geschützten öffentlichen Werkstätte Steuerfinanziert geschrieben?

Hingegen eine sachkundige Geschichte von Klaus Geiger über Sebastian Kurz: „KURZER Prozess“ mit zutreffender Kurzfassung: „Auf dem Weg zur Macht schafft Sebastian Kurz in Österreich einfach eine Volkspartei ab. Im Herbst könnte er Bundskanzler sein – und ein neuer Verbündeter seiner einstigen Erzfeindin Angela Merkel.“

Lesenswert „Das DICKE Ende“: „Deutschlands Städte wollen durch Diesel-Fahrverbote den Smog verringern. Dabei produzieren Bauernhöfe dreimal so viel Feinstaub wie alle Autos im Land.“

Aber hätte ich wirklich was versäumt, wäre ich der WamS wegen nicht zum Kiosk gefahren? Ja, den alten Bekannten, den ich dabei nach vielen Jahren traf, hätte ich sonst verpasst. Allen einen guten Sonntag. Jetzt ist auch die Sonne da.