Tichys Einblick
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

FAS: Gabriels schauriger Schwung

Jetzt hat die Mittelmeerunion die Mehrheit in der EU und kann endlich unbegrenzt das umverteilen, was Gabriel als Außenminister so bereitwillig ins Schaufenster stellt.

„Sigmar Gabriel bringt Schwung in die deutsche Außenpolitik“, erklärt uns die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ganz im Stil einer Ministeriumsbroschüre. Gabriel soll uns als der Super-Super-Außenminister serviert werden, nachdem der vorherige Super-Außenminster zum Super-Bundespräsident abserviert wurde. Lesen wir weiter, mehr muss gar nicht sein: Gabriel kennt die meisten Staats- und Regierungschefs, „diesen oder jenen aus dem Zeltlager“, er war doch bei den sozialistischen Falken.

Außenpolitik als Zeltlager, wer hätte das gedacht, Donald Trump übrigens war sicherlich nicht dabei. Aber auf den kommt es auch nicht mehr so an. Steinmeier habe die „weiche Macht“ geliebt, „Gabriel hingegen stürzt sich ins Getümmel, sucht den Konflikt, die Auseinandersetzung“. Steinmeier hat sich nicht getraut, mit Gabriel kommt der neue Schwung. Dazu gehört „Unerhörtes“, nämlich die Forderung, mehr Steuergelder für Europa und Griechenland auszugeben, was Wolfgang Schäuble ärgere. Wunderbar. Da ist er, der gute Sozi, der die Welt beglückt und Deutschland so nebenbei gleich mit; denn das Geld kommt doch eh wieder herein über Exporte. Steht da so. Wir zahlen also Steuergelder dafür, dass wir arbeiten dürfen, um es wiederzuverdienen; eine Art Umwegfinanzierung: Jede Hilfe komme so „mehrfach zurück“, oder anders gesagt: In der Gabriel´schen Zirkulationswirtschaft finanziert jetzt der Steuerzahler den Konsum in Frankreich, Italien und besonders in Griechenland, damit in Deutschland Arbeit entsteht, die diese Steuern auch bezahlt.

Resignation der Gewöhnung?
DER SPIEGEL Nr. 14: Klonhaft, lustlos und blass
Gut, dass Gabriel nicht mehr Wirtschaftsminister ist. Und er wird uns als glücklicher Familienvater vorgeführt, denn Außenminister ist ja nur eine Art Halbtagsjob, und er strahlt vor „familiärem Glück“. Deswegen startet sein Außenminister-Jet in Braunschweig, und nicht in Berlin; die Mehrkosten für die Flugbereitschaft fallen sicher auch unter das Kapitel Exportfinanzierung durch den Steuerzahler, so, wie Entwicklungshilfe dem Verteidigungshaushalt zugeschlagen wird. Geld ist Geld und Gabriel bleibt Gabriel: Bedrohlich unwirklich wirklich ist er ungewollt in dieser Lobeshymne, seltsam irrlichternd und nein, hinterfragt wird der Schmonzes aus der Pressestelle nicht. Die hier verwendeten Zitate sind keine Fakenews, sondern abgetippt. Aber vielleicht ist das schon der neue Stil? So übertrieben loben, dass die Kritik aus sich heraus wächst, und keiner muss mehr Kritiker oder Verbreiter von HateNews sein oder befürchten, als solcher gemaasregelt zu werden.

Vielleicht hat Holger Steltzner, Herausgeber des Wirtschaftsteils, das irrlichternde Stück über den glückstollen Außenminister und seine bedrohlich-genialische Außenwirtschaftspolitik vorab gelesen. Das jedenfalls ahnt man, wenn er schreibt: „Heute herrscht eine Politik der Düsternis, die unseren Wohlstand gefährdet“. Dann nimmt er die Gabriels auseinander; die wachsende Steuer- und Abgabenlast, die lustvollen Debatten um soziale Schieflagen, vorgetragen ausgerechnet von jenen, die sie eigentlich zu verantworten haben. Er beschreibt den so ausgelösten Vertrauensverlust, das vorherrschende Mißtrauen in Statistiken, Wirtschaft, Gewerkschaften und Medien. Man würde gerne ergänzen: Diese Politik des Unernstes, der unbegrenzten und schamlosen persönlichen Indienstnahme jedes Regierungsfliegers.

Steltzner zeigt, was Gabriel verschweigt: die fortschreitende Krise des Euros und die Ausplünderung der Sparer durch Null-Zinsen, denn sie begleichen ja die Rechnung, auf die Gabriel gerne noch was draufschlägt; die Wachstumssschwäche und die Folgen des Brexits, die vermutlich nicht die Briten teuer zu stehen kommen, sondern die Deutschen: jetzt hat die Mittelmeerunion die Mehrheit in der EU und kann endlich unbegrenzt das umverteilen, was Gabriel so bereitwillig ins Schaufenster stellt. Steltzner analysiert die neue Mehrheitsverhältnisse in der EU ohne die marktwirtschaftlichen Briten, und das lässt alle fürchten, die noch wirtschaften und nicht verteilen. Und klar, die neue „Gravität“ des aus Braunschweig umherfliegenden Außenministers, der endlich neuen Schwung in die Umverteilung bringt, wird auch zu Euro-Protektionismus führen, so Steltzner: Eingesperrt und abgekoppelt merkt man nicht so sehr, wie schnell man verarmt.

Aber das steht erst ab S. 28, und auf Seite 2: „Der Mann ist ein Vulkan an Ideen“. Was für ein ungewollt schauriges Bild.