Tichys Einblick
Um den heißen Brei herum

Ein Politiker erklärt die Autokampagne und flieht die Konsequenz

Wer Hysterie und Alarmismus als Geschäftsmodell betreibt, muss sich nicht nur Populismus vorwerfen lassen. Der trägt dazu bei, unsere Debattenkultur auf dem Altar einer gruppenegoistischen Politik zu opfern und die Allgemeinheit zu knechten. Sagt ein Politiker und zieht keine Konsequenzen.

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Auf Tagesspiegel online findet sich ein Gastbeitrag eines deutschen Politikers, der schon länger dabei ist. Der politisch Interessierte wird sich am Ende des Textes fragen, habe ich mich bei diesem Gastautor verlesen? Denn dort stehen die folgenden Passagen:

„Jeder kann über den Diesel denken, was er will. Man darf in einem freiheitlichen Rechtsstaat sogar faktenschwach behaupten, dass der Selbstzünder am Tod von Tausenden Menschen in Deutschland schuld ist. Die Meinungsfreiheit ist fast grenzenlos. Tatsache ist aber: Um ein Vielfaches belastender für den menschlichen Organismus ist es, in der Wohnung Kerzen anzuzünden, als in Stuttgart auf die Straße zu gehen.

Niemand würde deshalb auf die Idee kommen, brennende Kerzen in Innenräumen zu verbieten. Das wäre auch politischer Selbstmord. Den Dieselmotor in Innenstädten zu verbieten, geht aber schon. In der Diskussion über Stickstoff- und Feinstaubbelastungen spielt Vernunft offensichtlich keine Rolle mehr. Läge den lautstarken Verfechtern von Fahrverboten wirklich die Gesundheit der Menschen am Herzen, würden sie eine andere Priorisierung vornehmen.”

Es kommt noch besser und greift über das Thema Auto auf alle Themen und Politik-Bereiche hinaus, wenn es weiter heißt:

„Wir haben es offenbar verlernt, emotional unaufgeregt und sachlich kühl zu einer besseren Lösung zu kommen. Fraglos gehört zu einer mitreißenden Debatte auch ein gewisses Maß an Emotion. Wer aber Hysterie und Alarmismus als Geschäftsmodell betreibt, muss sich nicht nur Populismus vorwerfen lassen. Der trägt ebenfalls dazu bei, unsere Debattenkultur auf dem Altar einer gruppenegoistischen Politik zu opfern und die Allgemeinheit zu knechten.”

Doch dann kommt ein Erklärungsmuster von Populismus, das selbst nicht einmal populistisch ist, sondern – ich bitte um Verständnis – primitiv, jedes Denkvermögen der Bürger missachtend. Der Autor möchte nämlich seine Beschreibung im eben zitierten Absatz als „Methode Trump” tarnen, verpackt in der beiläufigen Floskel: „Manchmal erfolgreich, aber in jedem Fall zerstörerisch.”

Zu Trump fällt mir vieles ein, aber nicht, ihn, wie es der zitierte Autor tut, ihn als Träger von Hysterie und Alarmismus als Geschäftsmodell zu nennen, um die in Wahrheit Gemeinten nicht beim Namen nennen zu müssen. Jedenfalls nicht so direkt. Denn der Autor schreibt ein paar Zeilen weiter:

»So haben die Grünen schon vor geraumer Zeit eine klare Feststellung getroffen: Das Elektroauto sei die Technologie der Zukunft. Nicht der Wasserstoff-, schon gar nicht der Otto- oder Dieselmotor. Man müsse deshalb die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, damit Deutschland die Klima- und Umweltziele erfülle „und die Industrie ihre Entwicklungsarbeit verlässlich auf die gesamte Elektromobilität ausrichten“ könne.

Was vielleicht vordergründig als plausibel erscheinen mag, wird spätestens beim zweiten Hinschauen schal. Denn es fällt auf, dass es zuallererst nicht ums Weltklima geht, sondern allein um Deutschland. Dass andere Weltregionen nämlich an der programmatischen Einseitigkeit der Grünen durchaus Schaden nehmen könnten, wird geflissentlich ignoriert.«

Ich wiederhole, „dass es zuallererst nicht ums Weltklima geht, sondern allein um Deutschland”. Und füge hinzu, nein auch nicht um Deutschland, sondern um die  Deutungshoheit der schwarzgrünrotgelben Allianz der Träger von politischen und kommerziellen Interessen gegen das bisherige Auto und zugleich gegen die freien Kräfte, die von sich aus zu einem Technikmix unterschiedlicher Antriebsarten für unterschiedliche Zwecke führen, sobald sich die Politik aus der Technik raushält.

Was der Autor über die Problematik von Batterien schreibt, ist hier nicht mein Thema, sei aber teilweise wiedergegeben:

„Die Rohstoffe, die in den Akkus dieser Elektrofahrzeuge verwendet werden, sind alles andere als grün. In Chile trifft der Lithium-Abbau die indigenen Völker der Region um den Atacama-Salzsee mit voller Härte. Dort führt das hemmungslose Abpumpen des Grundwassers zur Austrocknung von Flussläufen und Feuchtgebieten und damit zum Wassermangel für die Menschen. Im Kongo wird der Kobalt-Abbau unter schlimmsten und lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen betrieben. Es wird zum Teil mit bloßen Händen gebuddelt. Auch Kinder sind hieran beteiligt.”

Recht hat der Autor zweifelsohne, wenn er folgert:

„Es ist zutiefst unredlich und auch unmoralisch, die Produktionsbedingungen für Textilien in Bangladesch und anderen asiatischen Ländern zu brandmarken und bei der Förderung der Rohstoffe in Chile und im Kongo wegzusehen, nur weil es angeblich einem guten Zweck dient.”

Und wer wollte dem Autor bei seiner Zusammenfassung widersprechen? Ich nicht:

„Politisch definierte Allheilmittel helfen also nicht, um die Zukunft der Mobilität vernünftig zu gestalten. Es ist ein Fehler, Zieltechnologien politisch bestimmen zu wollen. Noch im Jahr 2015 wurde der Kauf eines Dieselfahrzeugs staatlich subventioniert. Politiker sind keine Wissenschaftler oder Ingenieure. Die Politik muss vielmehr Ziele definieren, die in einem offenen Prozess erreicht werden sollen. Wie sie erreicht werden, entscheidet der Wettbewerb um die besten Ideen.”

Was zum Anfang des Gastbeitrags zurückführt. Der beginnt nämlich so:

„Man sollte immer skeptisch sein, wenn einfache Lösungen für komplexe Fragen angepriesen werden. Bei populistischen Parteien stehen diese allseligmachenden Antworten hoch im Kurs – insbesondere deshalb, weil einfache Antworten deren Existenz sichern helfen. Doch auch solche Gruppierungen bedienen sich hin und wieder dieser Methode, die gemeinhin nicht zuerst zu den Populisten gezählt werden.”

Wie bitte? „Doch auch solche Gruppierungen bedienen sich hin und wieder dieser Methode, die gemeinhin nicht zuerst zu den Populisten gezählt werden.”

„Hin und wieder”? Permanent „bedienen sich dieser Methode” die Grünen und die von ihnen fest im Griff gehaltenen Mitläufer in allen Parteien, den meisten Medien, NGOs, Hochschulen, Bundeshörden, den Gewerkschaften von Kapital und Arbeit, Kirchen usw., usw.

Der Autor umschreibt sie alle mit „die gemeinhin nicht zuerst zu den Populisten gezählt werden.”

Warum tut er das und nennt die unausweichlich Gemeinten nicht beim Namen, versucht sie hinter Trump zu verstecken? Weil der Autor nicht zögern wird, vorn dabei zu sein, wenn es zum politischen Ungetüm Jamaika kommt oder gleich zu schwarzgrünrotgelb. Wo dann all das Politik wird, was der Autor sachlich zu Recht zurückweist.

Ach so, Sie wollen wissen, wer derart um den heißen Brei herumschleicht, obwohl er in der Sache Auto Klartext formuliert? Es ist Wolfgang Kubicki. Klar im Kopf und so erschreckend unaufrichtig, wenn es parteipolitisch um Klarheit und Wahrheit geht.