Tichys Einblick
Blick zurück - nach vorn

Blackbox KW 52 – Noch eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh’n

Kretschmann sieht das Ende der SPD, Martin Schulz will auf jeden Fall dabei sein. Das letzte Wort aber soll die Witzepräsidentin des Bundestages haben ...

Zu den großen Herausforderungen eines abgelaufenen Jahres gehört nun schon zum zweiten Mal die Weihnachtsansprache von Frank-Walter, dem Einseitigen. Denn der Mann ist ein schlechter Redner, dem Ethos, Pathos und Logos fremd sind, obschon seit der Antike entsprechende Handbücher zur Verfügung stehen. Wer es von den älteren Zusehern schaffte, die 7 Minuten, 48 Sekunden unbeschadet vor dem Fernsehgerät zu überstehen, stand entweder in irdischem Lohn der Steinmeier-Partei (SPD), oder er hatte sein ganzes Vertrauen in die stärkende Kraft des Geistes in flüssiger Form gesetzt („Sach‘ mal, Mutti, hat sich die Fahne jetzt bewegt, oder spinn‘ ich?“).

Den Jüngeren vermittelte Frank-Walters Parteivorstand die frohe Weihnachtsbotschaft parallel via Twitter: „Erst essen wir, dann reden wir über die SPD-Gesetze (…) – und dann machen wir es uns gemütlich.” Die Werbestrategen hatten bei der Abfassung dieses Satzes natürlich an Loriots Weihnachten bei den Hoppenstedts gedacht, aber völlig außer Acht gelassen, dass Humor bei den Spezialdemokraten doch immer unfreiwillig ist. Gelacht wird über die Partei, nicht mit ihr.

♦ Kein Wunder, dass Baden-Württembergs grüner Minischterpräsident Winfried Kretschmann das Totenglöckchen läutete. „Ein dramatischer Verlust“ sei das Verschwinden der SPD, rief Beschwörungstheoretiker Kretschmann aus, der Kampf gegen die AfD werde ohne die SPD nicht gelingen. Schließlich werde eine Kraft gebraucht, „deren Kernthema seit eh und je der soziale Ausgleich ist und die dabei den Blick für die Realitäten nicht verliert“. Wir sind nicht völlig sicher, ob Kretschmann das mit der SPD und dem Blick für die Realitäten nicht vielleicht doch ironisch gemeint haben könnte. Jedenfalls führt uns der Gedanke stante pede zu …

♦ Martin Schulz. Der Spottkönig des Jahres 2017 (100%-Schulz, Wahlergebnis 20,5%) hat seine lädierte Dornenkrone wieder mühsam zusammengeklebt und sprach: „Ich biete meine Arbeit an und dieses Angebot wird von der SPD auch angenommen. Ich bin Teil der Europakampagne im kommenden Jahr“. Und wie damals, als er versprach, unter Merkel nie Minister werden zu wollen, schiebt er in bekannter falscher Bescheidenheit des Großkotzes hinterher, er strebe auch diesmal kein Amt an. Ja, hofft er, dass EU-Spitzenkandidatin Barley die Spesen freiwillig mit ihm teilt?

♦ Neben Wiedergänger Schulz ist Schonklod Juncker der zweite Spaltpilz der Europäischen Union. Stilsicher beschimpft der EU-Kommissionspräsident drei Tage vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Rumänien das bettelarme und korrupte Land als bettelarm, korrupt und von Idioten regiert. „Ich glaube, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen.“ Ja, so wächst zusammen, was zusammen gehört. Die Frage, die bleibt: War Schonklod angetüddelt, als er diese (nicht einmal so falsche) Aussage tätigte, oder nur zu dem Zeitpunkt, als das bettelarme und korrupte Rumänien EU-Mitglied wurde?

♦ Geschichte wiederholt sich, wenn auch in humorvollen Ellipsen. Oder ist das etwa nicht als Provokation zu werten, dass Polen ankündigt, einen Megaflughafen als das Drehkreuz der Region zu bauen? Wo wir doch demnächst, äh, bald, auf jeden Fall aber irgendwann den Berliner Großflughafen … Fehlt nur noch, dass England den Polen eine Auslastungsgarantie gibt!

♦ Ursula von unserer Laientruppe bereitet sich jedenfalls schon mal auf das Schlimmste vor und wirbt Hilfstruppen aus Rumänien und Italien an. Dabei ist das doch schon mal schief gegangen …

♦ Vom Aktienmarkt verstehen wir genauso wenig wie die Profis bei den Banken, die mit ihren Prognosen auch in diesem Jahr wieder flächendeckend daneben lagen. Nur eins fällt auf: Während bei früheren Missernten und Seestürmen die Erklärung lautete „Die Hex‘ ist schuld“, scheint die Finanz-Wissenschaft sich nicht wirklich weiterentwickelt zu haben, denn heute heißt es „Der Donald ist schuld“.

♦ Vielleicht sollten wir uns mal bei einem Vorhersage-Institut oder Think-Tank bewerben. Einer der Rädelsführer der Krawalle im Flüchtlingsheim Ellwangen, bei denen sich die Polizei in der Wache verbarrikadierte, bevor eine Hundertschaft für Ordnung sorgte, ist – wie vorhergesagt – nach seiner Abschiebung wieder eingereist. Und hat erneut Asyl beantragt. Gut, in einem Punkt hatten wir uns geirrt. Wir dachten, der Mann käme mit neuer Identität ins hiesige Sozialamt geschlichen. Stattdessen gab‘s eine Riesenparty!

♦ Zum Jahresende wollen wir auch Positives berichten. So steht in den Gazetten landauf, landab, dass Knaben mit dem Vornamen „Kevin“ (oft als „Programm“ verspottet) bald aus der Lästerecke heraustreten dürfen. Denn, so zitiert etwa die Süddeutsche einen „Hobby-Namensforscher“, Juso-Chef Kevin Kühnert habe dem Namen „einen Riesendienst erwiesen, weil er ein erfolgreicher Kevin ist, ein Kevin, der es zu etwas gebracht hat.“ Gut, wir müssen einschränkend hinzufügen, „Kevin, der es in der SPD zu etwas gebracht hat“, aber immerhin.

♦ Wenn wir schon bei denen sind, die es in der SPD zu etwas gebracht haben, dann darf der Imagegewinn von Vornamen wie Sawsan, Heiko und Frank-Walter nicht unerwähnt bleiben. Eher unbekannt hingegen ein gewisser „Niels“, der es nach 18 harten Jahren (mithin 36 Semester!) schaffte, einen Bachelor-Abschluss zu machen, und der heute im Auswärtigen Amt sein ganzes Wissen zum Wohle des …äh… auf jeden Fall einsetzt.

♦ Aus der Serie „Wo bin ich… – und wenn ja, warum?“: Ein Land hatte eine starke staatliche Telekommunikationsbehörde. Die wird privatisiert, um Haushaltslöcher zu schließen. Die privaten Telkos liefern dann nur, was sich rechnet. Jetzt überlegt der Staat, eine starke staatliche Telekommunikationsbehörde zu gründen

♦ Mit den Worten der Witzepräsidentin des deutschen Bundestages, Claudia Roth, wollen wir uns für dieses Jahr verabschieden: „Wir brauchen aber mehr Sensibilität.“

Ihnen, liebe Leser, zunächst einen guten Rutsch ins Neue Jahr! Und herzlichen Dank für Ihre vielen ermunternden Kommentare unter der wöchentlichen BLACKBOX. Bleiben Sie uns gewogen …


Der etwas andere Jahresrückblick: 
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