Tichys Einblick
Blick zurück - nach vorn

Blackbox KW 52 – Die Scheinheiligen der letzten Tage

Das Jahr endet, wie es begann. Als Dilettanten-Stadl. Daher gleich zu Beginn die Antwort auf die drängendsten Fragen am Jahresende: Wann hört der Wahnsinn auf? Und was bringt 2018?

Um einen Kennerblick nach vorn zu werfen, steht umfangreiches Deutungsinstrumentarium zur Verfügung. Z.B. aus China. Im Februar beginnt das Jahr des Hundes, lehrt der Chinese, und das folgende Jahr sei deshalb eines, “in dem alles passieren kann“. Etwas zu planen sei von daher sinnlos, verraten Schriftzeichengelehrte.

Dieses „nichts Vernünftiges planen“, weil eh alles vor die Hunde geht, passt prima zum Trott von Pferd Angela oder zu Meckerhannes Martin, seines Chinazeichens Ziege. Wir fassen zusammen und schauen voraus: Der Murks geht weiter wie bisher. „Was ist mit Gabriel?“, wollen Sie wissen? Nun, Siggi ist chinesisches Zeichen Schwein, was aber noch lange nicht heißt, dass er auch eins hat. Gut möglich, dass er bald mehr Zeit Zuhause verbringt. Bei Seehofer, dem bayerischen Staatskabarettisten, da geht allerdings noch was, denn a Hund is er scho, der Büffel (Horstis Chinazeichen).

♦ Zwei Jahre lang mühte sich die gelernte SED-Genossin und studierte DDR-Juristin Karola Wille (lehrte an der Uni Leipzig, dem „Roten Kloster“, Medienrecht) als Vorsitzende der ARD, den Staatsfunk auf ihre Linie zu bringen. Kokett bemerkte sie zum Ende ihrer Amtszeit: „Wir haben uns in der ARD kritisch hinterfragt: Trennen wir immer sauber zwischen Fakten und Meinung?“ Aber Hundertprozentig, Gnädigste! Schließlich sind Meinungen doch nur vom Programmbevollmächtigten interpretierte Fakten! Willes Nachfolger wird Ulrich Wilhelm vom BR, der als ehemaliger Merkelsprecher auch weiß, woher der Wind pfeift. Wilhelm mahnte schon vor Amtsantritt höhere Zwangsgebühren an, um die Programmqualität steigern zu können. Sonst heißen auch im nächsten Jahr die TV-Hits zu Weihnachten wieder „Feuerzangenbowle“ (1944) und „Sissi“ (1955).

♦ Ausgesprochen detailreich berichtete die Tagesschau über „eine ganz fürchterliche Tat im rheinland-pfälzischen Kandel“. Allerdings nicht in der Sendung, sondern auf Facebook. „Andere Medien haben dies bereits groß berichtet. Warum waren wir so zögerlich?“ fragte sich verwirrt Marcus Bornheim von ARD-aktuell. Im kultursensiblen Handbuch des Staatsfunks fand er die Antwort: „Die Tagesschau berichtet in der Regel nicht über Beziehungstaten.“ Später warf Bornheim aber doch noch einen „professionellen Blick auf diese Tat“ und schrieb im „Nachtrag: Die Tagesschau wird eine kurze Meldung … machen“. Wieso jetzt doch? Funktioniert der professionelle Blick nur nach einem sozialmedialen Tritt in den Allerwertesten?

♦ Weil wir die Tagesschau nie anschauen, wissen wir nicht: Wurden Zweifel am Alter des mordenden afghanischen „Teenagers“ Abdul D. angemeldet, was nach den Fotos und einer ähnlichen Tat in Freiburg (da war der „Jugendliche“ ca. 33) naheliegend gewesen wäre?

♦ Eigentlich wollten wir die Spezialdemokraten zwischen den Tagen mal links liegen lassen, aber wie soll das gehen, selbst bei einem semiprofessionellen Blick durch die Gazetten? Zunächst rauschte ein Harakiri-Fahrer volle Pulle in die SPD-Zentrale. Schnell kam die Entwarnung – es habe sich um einen amokfahrenden Wutbürger gehandelt. In Frankfurt verwüstete der Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten das Büro des RCDS, und auch Siggi ist außer Rand und Band und schwätzt in jedes Mikrofon, obwohl Martin der Chef ist und den Siggi zur Strafe nicht mit zur Merkel nimmt. Schließlich legte Genosse Manfred (Güllner, Forsa) dem Martin noch ein Umfrage-Ei ins Nest (SPD bei 19%) – dabei sind die Genossen noch nicht mal in der neuen GroKo! Astrologen sind sicher: 2018 bringt der Partei noch weniger Prozente, aber umso mehr Aufmerksamkeit.

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♦ Noch umwehen uns Weihrauch und fromme Sprüche von den Weihnachtstagen, vor allem die Predigt eines gewissen Bedford-Strohm hat viele Fragen offen gelassen. „Gott werde an Weihnachten einfach nur Mensch und nicht zuerst Deutscher, Amerikaner, Russe oder Chinese.“ Nanu! Deutsche oder Amerikaner gab‘s damals noch gar nicht, da hatte Gott keine Wahl. Aber als was wird Gott wohl wiederkommen? Bestimmt als grüne Frau, oder wer ist dein auserwähltes Völkchen, Bruder?

♦ Wer als untere oder mittlere Charge bei der katholischen Kirche arbeitet, muss stark im Glauben sein, schließlich heißt es in eingeweihten Schriften: Nehmen ist seliger denn geben. In der Tat! Dank Flüchtlingen und Kirchensteuer sprudeln die Einnahmen, als seien die frommen Brüder die Repräsentanten der drei Weisen aus dem Morgenland und nicht die vom armen Jesuskind. Außer, wen wundert’s, im roten Hamburg, da ist das Erzbistum sogar überschuldet und will Schulen schließen, das hat eine Unternehmensberatung empfohlen. Warum bittet das Bistum nicht Franz-Peter Tebartz-van Elst, den einstigen Dukatenesel von Limburg, um Amtshilfe? Und übrigens, wer nutzt eigentlich jetzt dessen goldene Badewanne?

♦ Wo wir schon beim wahren Glauben sind – die Anhänger der Klimawandelreligion erwärmten sich über die Feiertage am Bild eines sterbenden Eisbären, der ihnen als Beweis ihrer Untergangstheorien gilt. Erst ein Inuit (früher: Eskimo) und Eisbärexperte klärte auf: Mit dem Klimawandel habe das Schicksal des Bären nichts zu tun. Dabei wollte der Fotograf der Klimagemeinde mit seinem Bild doch so gerne zu Diensten sein. Das nennt man dann wohl einen Bärendienst.

♦ Angesichts der Eiseskälte an der US-Ostküste (selbst Haie erfrieren!) verhandelt Donald Trump mit Vertretern der Klimatology-Bewegung. Er hätte gern mehr von diesem Klimawandel, von dem alle sprechen. Denn auch hier gilt für ihn: America First!

♦ Leider zwingt uns die Chronistenpflicht, auch die drastischen Veränderungen zu dokumentieren, auf die sich Katrin Göring-Eckardt so sehr freut(e). Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: In Moers schlugen „Unbekannte“ („dunkle Haare, dunkle Kleidung“) einen 62-Jährigen bewusstlos, der einer bedrängten Frau helfen wollte. Ein ähnlicher Fall in Mainz. Vater und Sohn die Opfer. In einem Frankfurter Bahnhofsrestaurant sticht ein 48-Jähriger wahllos auf Gäste ein. Seit dem Mord an der 15-Jährigen in Kandel rast ein Wut-Tsunami durchs Netz, den der SPD-Bürgermeister noch weiter anheizt („Viele gute Erfahrungen bestätigen, dass wir da auf dem richtigen Weg waren und sind.“) Die andere Seite der Wahrheit? Längst sind die Knäste überfüllt und sogar der Kuschel-Justiz gehen langsam die Bewährungsstrafen aus.

♦ Die Justiz (Hauptverantwortungsloser: Heiko) entwickelt sich zur modernen Kunst – keiner versteht sie. Jetzt klagt die Bundesanwaltschaft ein „deutsches IS-Mitglied“ („Abdelkarim E. B.“) an, „das in Syrien (!) einen Mann geschlagen, getreten und ihm mit Stromstößen und Stichverletzungen gedroht haben soll“. Nix zu tun, Her Bundesanwalt? Wegen solcher Bagatellen in Deutschland gibt es höchstens Bewährung. Beispiel? Ein frisch gemaltes Urteil vom Landgericht Frankfurt. Den Tatvorgang des Falles fanden wir in prosaischer Eleganz beschrieben in der Frankfurter Rundschau: „Plötzlich zog der Verurteilte das Messer und fuchtelte damit in der Luft herum. Dabei traf er ein Opfer an der Halsschlagader und ein zweites an der Lunge.“ War dann eher ein Fuchtel-Unfall, oder?

♦ Nun zum Sport. AfD-Wähler dürfen laut Präsident Peter Fischer keine Vereinsmitglieder von Eintracht Frankfurt werden. Fischer wäre auch ein guter Saudi geworden. Bei denen darf auch nicht jeder mitmachen. Etwa Israelis oder unverschleierte Frauen bei der Schach-WM.

♦ Und im nächsten Jahr mehr zur neuen Lafontaine-Volkspartei OPA (Oskars Politischer Aufbruch).

Also auf ein Neues im Jahr 2018 und Ihnen, werte Leser, alles Gute.