Tichys Einblick
Blick zurück nach vorn

Blackbox KW 44 – Bauernregel: Ein Merz macht noch keinen Sommer

Merkel ist dann mal weg (bald, vielleicht). Die CDU erwacht aus dem Dornröschenschlaf, und wieder einmal müssen wir Ralf Stegner rügen!

Mitten im schönsten Sommer, den wir je hatten, gondelte Angela Dorothea Merkel mit Ehemann Sauer, wie jedes Jahr, auf Südtirols Berge und damit zugleich auf den Gipfel der Erkenntnis: „Ich werde nicht wieder für den Vorsitz der CDU kandidieren.“ Aber Moment mal! Sie war ja gar nicht in Südtirol! Und mit Ehemann Sauer überhaupt nicht im Urlaub. Der Gipfel der Erkenntnis muss also woanders gesucht werden. Wenigstens hat Merkel ihre Frisur nicht geändert, sonst müssten wir vermuten, dass ein anderer Mann hinter ihrem Rückzug steckt.

Jedenfalls erwachte die verwunschene Merkelpartei wie nach einem Prinzenkuss aus ihrem tiefen Dornröschenschlaf. Der Recke Spahn rief „Ich bin bereit!“. Aus der Ferne ließ sich Friederich Merz mit E rufen, und auch Karrenbauers Annegret wisperte leise „Ich mach’s, wenn es denn sein muss“. Sogar Christian Wulff hätte Zeit (Bettina mal wieder weg).

Bei all dem Trubel haben wir gar nicht richtig mitgekriegt: Hat eigentlich einer „Schade“ gesagt (außer Horst, aber der dachte dabei mehr an sich selbst)?

♦ Armin Laschets Koalitionsfreund Christian Lindner von der Lindnerpartei aus dem Homeland NRW höhnte „Frau Merkel gibt das falsche Amt ab“, woraufhin der CDU-Ministerpräsident schnell noch im Buch der Sprüche nachblätterte, bevor auch er den Finger hob. Dort fand er rechtzeitig den Hinweis „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, aber wer zu früh kommt, macht sich auch nicht beliebt“ (Russenweisheit), und Armin hielt lieber die Füße still. Er setzt auf Schwarz-Gelb-Grün im Bund mit einem unterschätzten Kanzler Laschet an der Spitze. Den Parteivorsitz gäbe es dann gratis dazu.

♦ Der Anfang vom Ende der „Führerin der freien Welt“ (Washington Post) ging an der Welt spurlos vorüber. Donald Trump ließ verlauten, er mische sich nicht in Deutschlands innere Angelegenheiten ein, und Wladimir Putin beteuerte, er wisse überhaupt nichts, denn Russland spioniere nicht in anderen Ländern.

♦ Neues vom Trixxer? Der Herbst ist Munkelrüben-Zeit und so erfahren wir, dass Merkel ihren Rückzug nur bekannt gab, weil Wolfgang „der Trixxer“ Schäuble einen Umsturz zu Gunsten von Friederich Merz mit E auf dem Parteitag im Dezember geplant haben soll. Der Wolfgang ist zwar ein einflussreicher Mann, dem manche viel zu verdanken haben (Tochter Staatsfunk, Schwiegersohn Strobl CDU-Minister in BW), aber mit 76 noch Revolutionsführer? Vielleicht haben die Investigativos auch die alte Bauernregel vergessen, die bei der CDU noch gilt: Ein Merz macht noch keinen Sommer, auch kein Merz mit E.

♦ Noch aber ist es nicht vorbei, und wir müssen uns weiterhin logopädisch und linguistisch mit den Orakel-Worten aus Kanzlermunde beschäftigen. Was will uns beispielsweise das Merkel von Delphi hiermit sagen: „… auf der anderen Seite wissen wir, dass die Welt nicht schläft, und deshalb müssen wir natürlich uns auch weiter anstrengen.“? Was soll das nun wieder heißen? Nun, „wir“, die sich „auch weiter anstrengen müssen“, sind natürlich die, die sich jetzt schon den Buckel krumm schuften. Sonst macht das „auch weiter“ keinen Sinn. Die Botschaft kann also nur eines bedeuten: Steuererhöhungen!

♦ Auch wenn das Merkel-Ende nah ist, wird uns ein anderer Wort-Akrobat noch eine Weile beschäftigen. Frank-Walter, der Einseitige, setzt seine verbalen Irrfahrten zwischen Floskel und Dresche ungebremst fort. „Wir müssen dafür sorgen, dass an Abendbrottischen dieser Gesellschaft noch über dasselbe gesprochen wird“, predigte er auf den Allgemeinplätzen. „Wie soll das gehen, Bruder, ein gemeinsames Thema bei diesem schlechten Fernsehprogramm?“, rufen wir ihm entgegen. Dann fuhr der Brückeneinreißer und Spaltprinz vom Schloss fort: „Wir müssen wieder dazu kommen, dass wir gegenseitig unseren Argumenten zuhören und nicht auf den Straßen aneinander vorbei schreien.“ Hallo? Hat er denn nicht höchstpersönlich den Auftritt der Schreihälse von Feine Sahne Fischfilet bei der Antifa-Party in Chemnitz begrüßt? Wie soll man Argumenten der anderen zuhören, wenn die Knüppel mitbringen?

♦ Ohne Not thematisierte Andrea Nahles das Thema „Frauen in Führungspositionen unter besonderer Berücksichtigung meiner eigenen Qualifikation“, indem sie ausrief „Wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden“. Was ausgerechnet Ralf Stegner zum Anlass nahm „Ich“ zu rufen, indem er ein mehrseitiges Positionspapier auf den „Spiegel“-Weg brachte.

♦ Obwohl schlechte Nachrichten für unsere Medienschaffenden doch eigentlich gute Nachrichten sind, planten Spiegel, Focus, Stern und Zeit ihre Auflagenzahlen nur noch Weihnachten zu melden. Schließlich wollen sie Leitmedien und nicht Mitleidmedien sein. Na gut, sagte die Werbewirtschaft, dann schalten wir eben nur noch Weihnachten Anzeigen. Nun bleibt’s doch bei wöchentlich meist schlechten Nachrichten.

♦ Eine Gruppenvergewaltigung in Freiburg verunsicherte kurz die Bevölkerung (weil Täter wieder polizeibekannte „Flüchtlinge” waren), bis OB Martin Horn versicherte, „die Mehrheit der in Deutschland lebenden Migranten verhalte sich gesetzestreu“. Endgültig beruhigt waren die, die schon länger hier leben, allerdings erst, nachdem Annette Widmann-Mauz Sexualaufklärung für Asylbewerber forderte. Merkels Integrationsbeauftragte Mauzi, wie sie in der Frauen-Union der CDU genannt wird, lässt jetzt letzte Fragen klären: Gruppen- oder Einzelunterricht? Im Ankerzentrum oder Extra-Etablissements?

♦ Leider darf hierzulande nicht im Gerichtssaal gefilmt werden, deshalb haben viele vielleicht den Auftritt von Richter Sebastian Bührmann aus Oldenburg verpasst. In der dortigen Kathedrale des Rechts (vulgo Landgericht Oldenburg) begann der Richter den Prozess gegen einen mordenden Krankenpfleger (Deutscher!) mit einer Schweigeminute für die Opfer und den nicht selbstverständlichen Richter-Worten „Ich werde mit Ihnen fair verhandeln, ich werde mit Ihnen offen verhandeln, in guten Sachen wie in schlechten Dingen“. Schweigeminute und faire und offene Verhandlung – das ist mal was Neues!

♦ Nachdem unsere Medien bereits Donald Trump fast besiegt haben, bringen sie nun ihre Klischeekanonen gegen Brasiliens neuen Präsidenten Bolsonaro in Stellung, weil der ein „Militär“ ist. Richtig müsste es heißen „war“. Vor 41 Jahren. Egal, es darf nur einen Chavez geben!

♦ Es wollte zwar niemand wissen, und es hat auch keiner nachgefragt, aber der neue Chef des BER, Lütke Daldrup, hat versprochen, der Flughafen in Crazytown würde in zwei Jahren eröffnet. Ehrlich. Die Frage bleibt nur, als was?


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