Tichys Einblick
Bettina Röhl direkt : Wie man der griechischen Bevölkerung hilft, ohne die Kleptokraten zu mästen

Grexit sofort – dann Graswurzel-Geld

Schluss mit den Anleihekäufen und mit dem De-facto-Helikoptergeld für Griechenland! Die griechische Regierung muss finanziell kalt gestellt werden. Stattdessen gibt es direkte Förderungen für die Konsumenten und die initiativen Kreise an der Basis. 

Buff! Der EuGH hat gesprochen und ein bisschen das Geld abgeschafft. Noch nicht das Bargeld.




Wäre diese Entscheidung der Sache nach überraschend gekommen, wäre das selbst in medial übersättigten Zeiten ein atomarer Kanonenschlag geworden. Dank der Vorankündigung des EuGH von Anfang des Jahres war allerdings schon klar, dass die EZB das, was sie bereits tut, auch darf: Die EZB darf nach eigenem Gutdünken in beliebiger Höhe Geld aus dem Nichts schöpfen, gar in Krisenzeiten, in der der volkswirtschaftliche Gegenwert, der das Geld stützt, also geringer ist. Und sie darf das aus dem Nichts geschöpfte, also fiktive Geld sogar notleidenden Eurostaaten schenken und dies in grenzenlosem Ausmaß. Die EZB darf aus der bloßen Währungsunion eine Schulden-und Haftungsunion machen. Sie darf alles, nur die Wirklichkeit, die Physik liegt außerhalb ihrer objektiven Möglichkeiten. Aber die EZB darf etwas, was die europäischen Regierungen, die sich auch um den Eurovertrag wenig kümmern, schon lange tun, sie darf die Wirklichkeit so nach Belieben umdeklarieren, dass es formaljuristisch jedenfalls, wenn man Till Eulenspiegel heißt, schon passt.

Wenn zum Beispiel ein Schuldenerlass zu Gunsten Griechenlands verbotene Staatenfinanzierung bedeutet, dann werden eben Griechenland, das weder in der Lage noch willens ist die gerade eben noch kreditierten Schulden zurückzuzahlen, die Schulden notfalls auf 4500 Jahre gestundet, bei gleichzeitiger Stundung der Zinsen. Falsa demonstratio non nocet. Es gilt, was gewollt ist. Das sind allgemeine Rechtsgrundsätze. Umgehungstatbestände, mit denen Gesetze entgegen ihrem normativen Inhalt ausgehebelt werden, brechen das Recht und werden normalerweise geahndet, dürften sich also nicht lohnen.

Natürlich, die EZB soll alle Klippen des Rechts auf eine sehr formalistische formale Weise einhalten, aber was ist das für ein Eurorecht, das substanziell nicht mehr gilt? Aber da ist ja der gute Zweck, für den die EZB „whatever it takes“ (Mario Draghi), also alles macht, wofür am Ende die Gesellschafter (Deutschland mit 27 %) haften. Marode Staatsanleihen, die von wirtschaftlich maroden Euro-Mitgliedsstaaten schon in dem Bewusstsein ihrer eigenen Zahlungsunfähigkeit zum bloßen Anzapfen der EZB aufgelegt wurden, „aufzukaufen“ und bei dem Theater nicht rot zu werden, ist schon ein starkes Stück. Ein solches Spiel aber, für das jeder Privatmann wegen Betruges, Untreue und vielen anderen Vermögensstraftatbeständen mindestens so hart wie Uli Hoeneß bestraft würde, in aller Öffentlichkeit ernsthaft durch ein Karussell von Etikettenschwindel für rechtens zu erklären, ist eine Beschädigung des europäischen Normensystems, aber auch eine Beschädigung der europäischen Idee.

Die neue Veräppelungsformel 

Wenn’s der Sache diente, dann wäre dagegen unter Umständen nichts einzuwenden. denn bei einer Abwägung kann durchaus einmal das Opportunitätsprinzip eben zur Wahrung des Rechtes selber höher zu bewerten sein. Gerichte tun gut daran, wenn sie das Prinzip der Gewaltenteilung peinlich beachten, was sie weiß Gott nicht immer tun. Einer europäischen Zentralbank, die auch darunter leidet, dass sie als Teil des Eurovertrages an dessen Konstruktionsmängeln schwer trägt und für die es keine andere Institution gibt, die die Aufgaben besser übernehmen könnte, muss zur Bewältigung von Krisenzeiten ein weiter Handlungsspielraum gegeben werden. Das ist ein im angelsächsischen Recht, das mehr von Kasuistik lebt, als von der abstrakt formulierten Norm, ein viel gewöhnlicherer Gedanke als im deutschen Recht und im deutschen Denken. Und hier geht es eben um den ganz speziellen Kasus Griechenland, der offenkundig eine ganz spezielle Lösung braucht. Deswegen bringt das juristisch basierte Gezeter vieler Gegner der EZB-Politik, die mit verfassungsrechtlichen Argumenten eigentlich zu Recht kommen, nicht viel.

Fakt ist, dass sich die EZB auch mit Billigung der Vertragsstaaten und deren höchsten Gerichten als Staatenfinanzierer durchsetzen wird. Misslich bleibt, dass unter die eine Währung namens Euro krass unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften gezwungen werden, und dies starrsinnig und aus bloßer Prinzipienreiterei.

Mit der jetzigen Entscheidung des EuGH, dass die EZB zum Beispiel Griechenland unbegrenzt finanzieren darf, ist angesichts der herrschenden Denkkultur der politischen Klasse der Euro-Zone vorprogrammiert, dass der erlösende Grexit weiter verschleppt wird. Griechenland wird weiter mit den locker sitzenden Milliarden subventioniert werden, und die Regierung in Athen wird, selbstverständlich gegen harte und strikte Auflagen und Bedingungen, weiterhin mit prallen Taschen rechnen können.

Die neue Volksveräppelungsformel, wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sie in der Talksendung von Günter Jauch am letzten Sonntag perfekt zum Besten gab, wie sie aber auch Sigmar Gabriel und andere jetzt fast wörtlich identisch formulierten, geht so: mit dem Herzen haben wir alle die Nase voll und wollen alle den Grexit. Schluss mit der ewigen Finanzierung der Griechen. Aber mit dem Verstand wissen wir, dass wir Griechenland zum Wohle der Griechen und Europas im Euro halten müssen.

Das ist allerdings eine krasse Entstellung der Wirklichkeit. Mit diesem einfachen Gedanken soll das Volk bei seinen Emotionen abgeholt werden und über die Karte der Vernunft und seines Verstandes erneut am Nasenring durch die Rettungsarena gezogen werden. Bestenfalls verhält es sich anders herum. Es gibt eine affektive, beinahe schon pathologische Rettungswutdynamik in der politischen Klasse, die klaren Verstandes natürlich selber weiß, dass der Grexit die vernünftigere und für die Menschen bessere Lösung wäre.

Aber es gibt einen Mainstreamdruck, auch da ganz oben bei den Regierenden. Auch da möchte niemand ausscheren. Mainstreamdruck hat übrigens nichts mit Mehrheiten zu tun, das nur am Rande. Wenn man nun also davon ausgehen muss, dass die EZB Griechenland mit Geld zuschütten darf, ist der Hinweis geboten, dass der EuGH nicht den Befehl erteilt hat, dass Griechenland in Geld erstickt werden muss. Es gibt keinen Zwang, dass die EZB aus ihrer gewonnenen Handlungsfreiheit heraus Griechenland mit immer neuem Geld „rettet“. Das macht die EuGH-Entscheidung aus, dass sie der Administrativen, die das besser kann, die Entscheidungsfreiheit und die Handlungsspielräume jetzt eingeräumt hat. Die EZB darf also, aber sie muss das Geld nicht mit der dicken Berta an den Peloponnes schießen.

EZB, IWF, EU-Kommission, Merkel und Hollandes befinden sich in einem Ideen-Bankrott

Die EZB ist angesichts ihrer neuen Freiheit, die sie sich selbst bereits seit März des Jahres vorweg genommen hat, nämlich Geld für die Griechenlandrettung zu drucken, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verpflichtet, darüber nachzudenken, welche Methode Griechenland zu retten die richtige ist, welche handwerklichen Mittel zur Verfügung stehen. Das heißt automatisch auch, dass es Zeit ist darüber nachzudenken, ob es Alternativen zu der gescheiterten, bisherigen Rettungspolitik gibt. Die EZB braucht ein bisschen Brainstorming. Ideen müssen her. Ja, selbst falsche Ideen können produktiv sein; die Hauptsache ist, dass der geistige Stillstand in dem milliardenschweren EZB-Tower in Frankfurt aufgebrochen wird.

Die Goldman Sachs-Babes wie zum Beispiel Mario Draghi und Christine Lagarde scheinen sich darauf eingeschworen zu haben: Geld, Geld, Geld, Geld, immer mehr Geld, bis Griechenland dann wohl irgendwann von alleine das neue Sillicon Valley oder Shanghai oder Singapore der Eurozone sein wird. Klar, dass viele Menschen in Deutschland das ungute Gefühl haben, dass sie für eine unsolide Geldpolitik in Haftung gebracht werden. Immerhin, wenn es zu einer Inanspruchnahme der Gesellschafter der EZB kommt, dann haften zwar alle anderen Eurovertragsstaaten mit 73%. Was aber, wenn die ganz oder teilweise nicht zahlen können? Dann steht der deutsche Staat vor der Frage, inwieweit er zur Rettung des falsch konstruierten Eurosystems für andere Euro-Vertragspartner einspringen muss.

Martin Schulz frohlockte in der schon erwähnten Jauch-Sendung, dass Frankreich und Italien zusammen mit 38% in der Haftung stünden, also viel mehr zahlen müssten als Deutschland, was an sich schon eine Albernheit war. Aber er verschwieg dabei, dass Italien (und Frankreich hoffentlich nicht), selber ein Wackelkandidat ist, der latent gerettet werden muss. Was nützt also die Haftung des EZB-Partners Italien, die im Wesentlichen wohl nur auf dem Papier steht?

Das Helikopter-Prinzip, mit dem die EZB, aber auch der IWF und die EU-Kommission die Schulden Griechenlands ausräumen, die defizitär arbeitende Wirtschaft auf Trab und Griechenland wirtschaftlich auf Vordermann bringen wollen, ist in seiner konkreten Machart auf Scheitern angelegt und scheitert ja auch seit fünf Jahren.

In Frankfurt wird das Geld in imaginäre Wäschekörbe gepackt. Die werden über dem griechischen Regierungsgebäude ausgeschüttet und die griechische Regierung macht mit dem Geld all das, was sie schon immer gemacht hat. Sie verteilt das Geld unsystematisch und weder hinreichend zweck- oder erfolgsgebunden über das Land. Aber der Verteilungsprozess endet in einem Versickern des Geldes in den alten, falschen Kanälen, was eine der Ursachen für die griechische Wirtschafts-und Staatsmisere sind. Es ist ein bisschen so, als würde man einem Spielsüchtigen zur Bekämpfung seiner Spielsucht immer neues Spielgeld geben und hoffen, dass er mit dem Geld sowohl seine Spielsucht kuriert als auch seine Schulden irgendwann tilgen wird.

Dies ist kein Vergleich der griechischen Regierung mit einem Spieler, das Beispiel soll nur zeigen, dass das Helikoptergeld, das offiziell nicht so genannt wird, nämlich das Geld von oben, eben nicht auf das ganze Land, sondern auf die Regierung und auf die Banken, die ihrerseits das Geld weiterregnen, nicht funktioniert hat.

Insofern ist nicht nur Griechenland bankrott, sondern auch die EZB, der IWF, Merkels und Hollandes sind mit ihrem Latein am Ende und befinden sich in einem Ideenbankrott: Rettungsgelder für Griechenland, die bei Amigos verschwinden, die die Auslandskonten der Reichen füllen, die die Korruption verschärfen, die Initiativen, Ideen und Risikobereitschaft ersticken, die die Arbeitslosigkeit nicht lindern, sondern fördern, die der entstandenen Armut nicht entgegenwirken, sind verschwendetes Geld und verschwendete Zeit.




Graswurzelgeld statt des Helikoptergeldes ala EZB

Und nun eine kleine Provokation: Wenn schon die erste Station auf dem Weg der Rettungsmilliarden, nämlich die griechische Regierung, Teil des Problems ist, wieso zahlen die rettungswütigen EZB-Banker dann ihr Geld immer wieder neu an diese Regierung? Wofür braucht es eine griechische Regierung überhaupt als Zwischenempfänger für das Geld?




Deshalb hier mein mein Vorschlag „Graswurzelgeld“:

Schritt 1

Einer griechischen Regierung, die total versagt und deren Versagen von links bis rechts historisch ist, sollte und darf ab sofort kein Pfennig (über das Notwendigste hinaus) mehr gegeben werden. Die griechische Regierung muss auf ihre eigenen Steuereinnahmen reduziert werden. Und zwar als Schritt Nr.1 sofort. Tsipras und Varoufakis hätten das erste Mal ein eigenes Interesse, sich um die Steuereinnahmen zu kümmern und Steuerflucht zu verhindern. Tsipras und Varoufakis würden das erste Mal ein eigenes Interesse daran entwickeln der Kapitalflucht zu begegnen, und sie würden ihr Aufblähen des Staatsapparates sofort wieder rückgängig machen. Empirisch steht fest: Die griechische Regierung ist kein geeigneter Empfänger für Rettungsmilliarden und kein geeigneter Verteiler der Milliarden – und sie, Tsipras und Varoufakis, sind auch nicht die Zukunft, weil sie nicht die geeigneten Reformer sind. Übrigens: Noch keine griechische Regierung hat sich im Kontext als Reformregierung einen Namen gemacht. Das liegt im griechischen System begründet, das weitestgehend unabhängig von der Regierung funktioniert oder eben versagt, egal, ob Links, Rechts oder Mitte.

Schritt 2

Die Euroretter eröffnen unter Duldung der griechischen Regierung  – wenn die griechische Regierung dies ablehnt, was sie vor der eigenen Bevölkerung nicht wird ablehnen können, dann lassen sich im Internetzeitalter alternative Wege finden – einige eigene Dependancen in Griechenland und richten diese als einfache Zahlstellen mit minimalem administrativen Aufwand ein.

Schritt 2 a) Die Zahl-und Prüfstellen, haben verschiedene Unterabteilungen. Eine Sozialabteilung erstattet gegen Vorlage von Personalausweis, Steuererklärung, eidesstattlich versicherten Einkommens-und Vermögensverhältnissen, alles in standardisierter Kurzform, alles überprüfbar und gegen Vorlage beispielsweise einer quittierten Arzt- oder Medikamentenrechnung einen bestimmten Prozentsatz, beispielsweise von 20 % der entsprechenden Rechnung. Das Ganze findet auf postalischem Wege oder per Internet statt.

Ähnlich kann es mit einer definierten Liste von wichtigen Grundversorgungsgütern laufen. Und auch ein kleiner Sozialzuschuss wäre in dieser Form gegen Vorlage versicherter Einkommenserklärungen möglich. In der Regel würde diese Notversorgung, die die internen griechischen Systeme ergänzen könnte, bargeldlos über die Bühne gehen. Und damit ohne jeden Aufwand auch nachvollziehbar sein.

Schritt 2b) Eine andere Abteilung, die für die Stimulierung des Konsums beschäftigt ist, könnte, handwerklich ähnlich ausgestaltet, also wiederum gegen Vorlage aller wichtigen Daten, den Kauf nützlicher, notwendiger, angemessener bereits bezahlter Wirtschaftsgüter mit irgendeinem oder unterschiedlichen Prozentsätzen, vielleicht von 10 oder 20%, fördern. Zur Erläuterung: Beispielsweise in Deutschland werden in jeder Steuererklärung abzugsfähige Anschaffungen erklärt und geprüft, ohne dass dies überhaupt unter dem Aspekt eines zu hohen administrativen Aufwand je thematisiert wurde. Staatliche Fördermaßnahmen der hier in Rede stehenden Art sind handwerklich-prüftechnisch nichts anderes als Steuern mit umgekehrter Fließrichtung. So könnte es auch in Griechenland bei der Konsumförderung sein und es könnte eine definierte Liste von Warengruppen oder Waren geben, die gefördert werden oder die höher gefördert werden. Es versteht sich von selbst, dass auf Luxusgüter oder Schnaps oder Cannabis keine Fördergelder fließen. Dagegen kann der normale, tägliche Haushaltsbedarf, aber auch Krankenkassenbeiträge, Mieten, energieeffiziente Haushaltsgeräte usw. gefördert werden. Die Auslandsreise nach Neuseeland zur Selbstfindung indes auf keinen Fall. Diese Listen müssten sorgfältig und sinnvoll erstellt werden. Am griechischen Umsatzsteueraufkommen lässt sich ja ungefähr abschätzen, um welche in Wahrheit kleineren Summen es überhaupt geht. Die Menschen müssten sich bemühen, sie müssten die Rechnungen sammeln, nachdenken, was sinnvoll für sie ist, Anträge ausfüllen und Geld gibt es nur für nachweisbar ausgegebenes Geld. Damit nicht Kleinkleckersdorf entsteht, wäre der Vorschlag der, dass die Menschen ihre Rechnungen sammeln und zum Beispiel quartalsweise schicken und eben dann quartalsweise ihr Geld von der EZB-Außenstelle überwiesen bekommen.

Schritt 2c) Eine dritte Abteilung beschäftigt sich mit dem großen Thema der Investitionshilfe. Vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum größeren Konzern, je nach Branche volkswirtschaftlicher Notwendigkeit oder Nützlichkeit können Investitionen unterschiedlich gefördert werden. Auch hier muss es um bereits getätigte und bezahlte Investitionen gehen. Eine Tischlerei, die eine neue computergesteuerte Sägeanlage angeschafft hat, kann sicher damit rechnen, zum Beispiel 20 % der Anschaffung dank der EZB-Hilfe schon sicher mit Sack zu haben.

Anderes Beispiel: Ein junger Kellner, ein leicht runtergekommenes kleines Hotel, Bombenküstenlage und ein Computer. Der junge Kellner will sich selbständig machen. Vom Staat bekommt er eine Gründerbürgschaft. Mit der geht er zur Bank und beschafft sich das billige Startkapital. Und dann investiert er, baut ein schickes Hotel, das er mit seinem Computer an den Weltmarkt der Reiseveranstalter anschließt. Alles, was er gekauft hat und investiert hat, hat er schon einmal die „Graswurzelanteile“ im Sack. Das gehört ihm, darauf zahlt er keine Zinsen, darauf stottert er nichts ab. Und es motiviert ihn. So kann Graswurzelgeld von unten auch den Tourismus, einst eine der Hauptindustrien der Griechen, wieder attraktiv machen.
Auch die Landwirtschaft kann sich modernisieren. Überall dort, wo Fleiß und Initiative vorhanden sind, geht auch was. Bei 25 % -Arbeitslosigkeit und 50% Jugendarbeitslosigkeit lohnt es sich neue Wege zu gehen und die ausgelatschten Pfade der routinierten Griechenlandretter, die in fünf Jahren alles verbockt haben, was zu verbocken war, zu verlassen.

Eine bessere Stimulierung der Investitionstätigkeit ist nicht denkbar. Keine Wettbewerbsverzerrung, keine nennenswerten Betrugsmöglichkeiten, keine Amigowirtschaft, keine Korruption. Und auch keine Krisenkarrieren.

Das Graswurzelgeld würde einen kostenlosen psychologischen Schub auslösen

Dieses EZB-Geld, das unmittelbar ohne den Umweg über Regierungen oder Banken oder sonstige Behörden direkt vor Ort im ganzen Land wirken würde und von jedermann auch als gerecht empfunden werden kann, könnte besser als jede andere Maßnahme, jedenfalls besser als die doppelte Gießkanne von oben, einen Impuls in die griechische Wirtschaft und Gesellschaft geben. Und die Fördermaßnahmen könnten auch von vorne herein auf eine gewisse Dauer, zum Beispiel fünf Jahre angelegt sein und als Förder-und Anschubmaßnahme, nicht als warmer Dauerregen deklariert sein. Allein die Ankündigung des Graswurzelprogramms würde einen kostenlosen psychologischen Schub in Griechenland auslösen. Sowohl die  Menschen in den Geber- als auch die Menschen in den Nehmerländer wüssten dann, wofür sie zahlen von wem sie etwas bekommen, was eine viel höhere Solidarität entstehen lassen würde. Und ein Land, das am Boden liegt, in dem es aber neue Zuversicht und Dynamik gibt, bietet exorbitante Gewinnchancen und lockt wieder Investoren an, vielleicht sogar Auslands-Griechen, die etwas für ihre Heimat tun wollen und bisher nicht wissen wie.

Wer die Hände über dem Kopf zusammen schlägt und behauptet, das sei alles unpraktikabel und viel zu teuer, der unterschätzt, was der Wegfall von Kapitalflucht, Korruption, Amigowirtschaft, Missmanagement an Ressourcen freisetzt. Reibungsverluste sind in jedem System unerkannt und schnell der größte Verlustposten.

Der Aufbau eigener Dependancen böte auch jungen qualifizierten Griechen einen Einstieg in die Arbeitswelt, zusätzlich mit einem Aufbaugefühl und einem wahrhaft europäischen Arbeitsplatz. Und ganz nebenbei würde der griechischen Malaise, dass sich allzuviele um Geld und Steuern gar nicht kümmern, sondern viel zu sehr gewöhnt sind gepampert zu werden Einhalt geboten. Jeder, der an diesem Förderprogramm teilhaben möchte, ist gezwungen eigeninitiativ und systematisch seine wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen.

Der administrative Aufwand wäre, wenn das System perfekt durchgestylt ist, kleiner und kostengünstiger als der administrative Aufwand, den derzeit die griechische Regierung bei ihrer speziellen Form der Verteilung fremden Geldes auch leisten muss oder leisten sollte. Dieses Prinzip der individuellen Förderung und gerade nicht per Helikopter, sprich einfach so übers Land aus der Gießkanne abgeregnet, nenne ich Graswurzelgeld, das es für die Wachstumsförderung und Wachstumsleistungen von ganz unten geben soll.

Es kann nicht darum gehen jedem Griechen pro Kopf einmalig, wie es der Oxford-Ökonom John Muellbauer im November 2014 vorschlug, 500 Euro „Weihnachtsgeld“ zu schenken, um ein wirtschaftliches Strohfeuer zu erzeugen, sondern es geht darum bereits getätigte und bezahlte Anschaffungen und Investionen zu honorieren bzw. der schlimmsten Not durchdacht entgegen zu treten.

Der vielleicht etwas hilflose 500-Vorschlag von Prof. Muellbauer wurde übrigens damals von allen Ökonomen und Politikern mit Hohn und Spott bedacht. Von denselben Ökonomen und Politikern fehlt allerdings Hohn und Spott über den gigantischen und viel Milliarden schweren Fehlschlag fünfjähriger Griechenlandrettungsversuche, die für eine 10 Millionen-Menschen-Volkswirtschaft noch nie in der Geschichte auch nur zu einem Bruchteil je stattgefunden hat.

Muellbauers Initiative war immerhin ein ehrenwerter Versuch die festgefahrene Enge aufzubrechen und 40 DM pro Kopf haben 1949 den Startschuss für das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik in den Nachkriegsjahren gesetzt.




Pfiffige Start-ups dringend gesucht

In Griechenland ticken die Uhren traditionell anders und deswegen müssen auch andere Lösungen her. Wer zu Recht sagt, die EZB kann doch nicht einfach herkommen  und selber in Gestalt der beschrieben Dependancen eine Administration in Griechenland aufbauen, sei beruhigt. Die EZB oder wer sonst rettungswillig ist, legt einen Fond auf, aus dem die juristisch selbständigen Rettungs-Förderungs-und Aufbaueinheiten gespeist werden. Pfiffige Start-ups, Wirtschaftskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gesucht. Selbstredend kann die EZB aus verschiedenen Gründen selber nicht das Geschäft übernehmen die Abwicklungsstellen in Griechenland einzurichten. Aber die Europäische Kommission, die auch über entsprechende Apparate verfügt, könnte so etwas übernehmen. Die EuGH-Entscheidung muss man im Kern so verstehen: Macht, was ihr wollt. Treibt es nicht zu arg! Seht zu, dass ihr die Staaten-und Bankenkrisen in Europa löst, ohne den Eurovertrag und die nationalen Rechte, die ihr nicht allzu penibel einhalten müsst, allzu  sehr zu verletzen. Wie gesagt, das Opportunitätsprinzip ist vom EuGH über das Legalitätsprinzip gestellt worden, wenn auch unausgesprochen. Dann soll auch niemand daher kommen und mit kleinkarierter Juristerei sagen, das Graswurzelmodell ginge nicht. Wenn es hilft, geht es und dann muss ein Weg gefunden werden.




Griechenland werden sämtliche Schulden bis zu einer bestimmten Höhe erlassen, die restlichen Schulden werden für eine Aufbauzeit zinslos gestundet und dann beginnt ein Rückzahlungsmodus auf Niedrigzinsbasis über beispielsweise 30 Jahre.

Falls Griechenland, von Schulden und Zinsen befreit, mit einer auf Aufbaudynamik ausgerichteten Wirtschaft ausgestattet Beamtengehälter und Renten nicht vollständig zahlen können sollte, muss auch die griechische Regierung selbst unter Vorlage der Listen konkreter Beamter und konkreter Rentner ( die auch noch leben), monatsweise Zuschüsse aus einem eigenen Fond beantragen, der auch privat administriert wird und mit Mitteln der Förderer ausgestattet wird.

Nicht die Bevölkerung oder die Wirtschaft müssen mit Sparmaßnahmen traktiert werden, sondern die griechische Regierung muss kurz gehalten werden. Wer so frech und dummdreist ist, wie Tsipras und Varoufakis daherkommen, und weder Reformen noch Spar- noch Aufbauwillen seriös erkennen lässt, muss den Gesichtsverlust durch eine knallharte Kontrolle der Graswurzelförderung von unten spüren und auch die griechische Gesellschaft muss spüren, dass ein Paradigmenwechsel statt findet.

Und  noch mal:

Die EZB schränkt den geplanten Anleihekauf massiv ein und subventioniert mit dem so ersparten Geld zur Abwechslung mal nicht versagende Regierungen und versagende Banken, sondern den kleinen Mann, den Mittelstand, die Jugend und neue initiative Kräfte, die in korrupten Systemen keine Chance haben und gegebenenfalls abwandern.

Auch alle sonstigen verdeckten oder offenen, direkten oder mittelbaren Geldgeschenke an Griechenland werden radikal herunter gefahren. Alle Kräfte werden dort konzentriert, wo das Leben und der Wirtschaftsaufbau stattfindet. Das ist mühseliger als über Rettungsschirme, Anleiheaufkäufe, Bankenstützungen aus den  eleganten Elfenbeintürmen der Chefbüros von EZB, IWF und der europäischen Kommission zu entscheiden und in Privatjets den Globus zu bereisen.

Was an Rechtsänderungen im Eurovertrag notwendig ist, damit dieser nicht gebrochen, gequält oder nur zum Schein eingehalten wird, müssen die Eurostaaten ins Werk setzen. Sie können nicht einfach zuschauen, wie eine wahnsinnige Geldpresse, die in einem Frankfurter Hochhaus sitzt, unkontrollierbare und ineffiziente Haftungsrisiken ihrer Gesellschafter akkumuliert. Wer Griechenland im Euro halten will und nicht den eleganteren Weg des Grexit gehen will, muss hart arbeiten und er muss auch die Bevölkerung in den Geberländern mitnehmen.

Wenn die EZB für griechische Kapitalflucht, Steuerhinterziehung, Schlendrian und Korruption Geld zu drucken bereit ist, fragen sich die Obdachlosen in Europa, die Sozialhilfeempfänger oder die Geringstverdiener, warum für sie nicht auch die Druckerpresse angeschmissen wird.

Überall heißt es: Kein Geld für Schulen, für Bildung, Kindergärten, Lehrmittel usw. warum läuft die Geldpresse nicht für diesen Bereich? Warum brauchte es überhaupt Haushalte, gar ausgeglichene Haushalte, wenn man doch ausweislich der bisherigen Griechenlandrettung ganz einfach mit ein paar handwerklichen Federstrichen Geld aus dem Nichts generieren kann. Mit oder ohne Grexit, das Graswurzelmodell gilt gleichermaßen. Beim Grexit kämen währungstechnische Notwendigkeiten hinzu.

Dies ist jetzt mein persönlicher Vorschlag. Verbesserungsvorschläge des Graswurzelmodells erwünscht. Oder denken Sie über eigene Modelle oder Teillösungen nach, wie die Denkfalle Griechenland geöffnet werden kann.

Mario Draghi dürfte nach dem erwarteten Ermächtigungsurteil des EuGH viel zu verliebt in sein Billionen-Baby sein, als dass er jetzt nicht auch möglichst viele Milliarden für Anleihekäufe so per Federstrich ausgeben möchte. Da sollte man dringend etwas moderieren.