Tichys Einblick
Bettina Röhl Direkt

Ist die AfD bereits tot?

Bettina Röhl direkt: Warum die AfD keine Alternative mehr ist.

Die Alternative für Deutschland ist tot!

Das Gründungsthema der AfD, nämlich die Modifizierung des Euro, ist durch. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges hatte sich der europäische Binnenmarkt auf eine ebenso effiziente wie schöne und aussöhnende Weise rasant entwickelt und bis zum Jahr 2002 eine immer noch unperfekte Perfektion erreicht. Die Binnengrenzen waren für die Menschen, die Dienstleistungen und die Waren offen und die Dynamik kannte nur eine Richtung: die weitere Harmonisierung der wirtschaftlichen Bedingungen.

Die historisch gewachsenen Voraussetzungen waren in einzelnen Ländern und Regionen gleichwohl immer noch unterschiedlich und das dazu passende perfekte Währungsmodell bestand in dem Geflecht der sogenannten nationalen Währungen der Mitgliedsstaaten, deren Wertverhältnis zueinander tagesaktuell nachjustiert werden konnte. Dies alles geschah allerdings ohne, dass (unmoderierte) Pendelausschläge in sinnlose oder unfaire Dimensionen hinein zugelassen wurden, will sagen: Das europäische Währungssystem innerhalb der EU war, lange bevor der Euro eingeführt wurde, zu einem flexiblen und durch diese Flexibilität stabilen Währungsnetz geworden, auf das Verlass war.

Die Fehlkonstruktion des Euro ist längst unbestritten

Die eigentlich hübsche Idee die noch unterschiedlichen Wirtschaftsräume 2002 endgültig unter eine Einheitswährung namens Euro zu pressen und das gleichzeitige Unvermögen den Euro sinnvoll zu konstruieren, so dass wenigstens die Instrumentarien zur Verfügung gestanden hätten, die jede nationale Währung besitzt, nämlich den Wert einheitlich und stringent zu schützen und zu steuern, haben sehr viel Sand in das wirtschaftliche Getriebe der Eurostaaten gestreut. Diese Fehlkonstruktion namens Euro war Europa jedoch nicht aus ökonomischen Gründen passiert, sondern sie war phantasiegesteuerten politischen Ambitionen geschuldet. Da wollten die Helmut Kohls und die Francois Mitterands ihr Europa, die Idee der großen europäischen Nation, die sich ohne den währungstechnischen Eingriff harmonisch von ganz allein kontinuierlich fortschreitend ohnehin entwickelt hätte, vorschnell mit Geld kaufen. Fest steht: Europa stände heute ohne den Euro besser da, die vollmundigen Behauptungen des Gegenteils nerven.

Nun hat allerdings bisher niemand einen konsistenten und praktikablen Weg aufzeigen können wie der Euro teilweise dekonstruiert werden könnte. Schwache Währungen wirtschaftlich schwächerer Länder unter das Dach starker Währungen zu stellen und in eine Einheitswährung zu integrieren, ist bereits sehr schwierig, wie die ungelöste Eurokrise zeigt. Aber wirtschaftlich schwache Länder, die dieselbe harte europäische Einheitswährung haben wie eben die stärkeren Volkswirtschaften, aus diesem Verbund wieder heraus zu lösen und diesen die Chance neu eingeführter eigener Währungen (wieder zurück) zu geben, ist fast unmöglich und birgt mehr Risiken als Chancen. Deswegen sind die Handlungsspielräume der Euroländer und der EZB und aller Beteiligten ziemlich gering.

Das globalisierte Wirtschaftsgeschehen ist beherrscht durch rapides Anwachsen immer neuer Mengen immer fiktiveren Geldes, das immer weniger wert wird. Geld, das keine Zinsen abwirft, ist eigentlich wertlos. Weil der Zins der eigentliche Gegenwert des Geldes ist. Auch wenn viele Europäer oft das Gefühl haben, dass Europa der Nabel der Welt ist, ist dem nicht so. Draghis monetären dicken Bertas, das viele nachgedruckte Geld, mit dem er Europa in die Glückseligkeit der Inflation schießen will, sind in Wahrheit nicht so originell. Sie sind eingefügt in das globale Finanzgeschehen und das läuft immer nach dem Prinzip Hoffnung. Aktuell muss es allerdings ein bisschen mehr Hoffnung sein. Es fehlen jegliche Erfahrungswerte, wie sich ein solcher globaler Geldschaum am Ende solide einfangen lässt. Jedenfalls ist das Weltwirtschafts-und Finanzgeschehen anfällig wie nie für unvorhergesehene Ereignisse, die in jeden soliden kaufmännischen Vertrag als Öffnungsklauseln nach Treu und Glauben eingebaut werden.

Die AfD hat den Zeitpunkt verpasst

Und hier kommt die AfD ins Spiel. Die AfD hatte vor 1 1/2 Jahren, als die Europäer aus ihrem Euro-Schlaf erwacht waren und der Fehlkonstruktion der Gemeinschaftswährung ins Gesicht schauen mussten, einen „guten“ Zeitpunkt erwischt, um sich mit ihrer durchaus anerkennenswerten Euro-Kritik in die öffentliche Debatte einzuschalten. Wenn es überhaupt je eine Öffentlichkeit für eine Veränderung der Gemeinschaftswährung gab, dann ist dieser Zeitpunkt inzwischen abgelaufen. Obwohl Kritik am Euro sowohl monetär als auch politisch-ökonomisch jederzeit angebracht ist, ist das Thema Euro de facto mausetot.

Die AfD konnte ihre ohnehin kleine Chance, am Euro etwas zu modifizieren, nicht nutzen. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass die AfD objektiv nie eine wirkliche Chance hatte. Der Euro entwickelt sich weitestgehend eigendynamisch. Da können die Regierungen und deren eitle Minister und Chefs sich noch so sehr in Szene setzen. Auch die AfD und ihr großer Vorsitzender Bernd Lucke können diese Tatsache nur akzeptieren. Folglich ist die alternative Europolitik, die auch verbunden war mit Veränderungsvorschlägen bezüglich den verkrusteten eurokratischen und teils undurchsichtigen Machtstrukturen der EU, die mit Demokratie und Rechtsstaat nicht immer sehr viel zu tun haben, dabei im Sande zu verlaufen.

Die Kritik an den EU-Strukturen für sich genommen war nie der ganz große Wurf der AfD. Alles lief, mindestens in der öffentlichen Wahrnehmung, über den Euro und was eben diesen Euro anbelangt, hat die AfD ihr ursprüngliches Kernthema inzwischen trotz mancherlei anderslautender Beteuerungen selber mehr oder weniger begraben. Die bloße Forderung, dass die schwachen Euroländer aus der Gemeinschaftswährung, zu deren eigenen Nutzen austreten dürfen können sollen, ist nur noch eine große Formel.

Die grünen Parteien dieser Welt sind jahrzehntelang mit der bloßen Formel „alternativ“ immer locker vor dem Wind gesegelt und haben die Gesellschaften in Europa massiv und regelmäßig zu deren Nachteil „reformiert“. An diesem Erfolgsrezept der Grünen hat sich die AfD bei ihrer Namensfindung gewiss orientiert. Der Spruch „Alternative für Deutschland“ war die Botschaft und das Versprechen einer neuen Partei an potenzielle Wähler Kanzlerin Merkel, die SPD und Grüne zwar klein hielt, aber dafür die gesamte Parteienlandschaft blockflötenartig nach grün-links verschob und das alternativlos, etwas entgegen setzen. Die „Alternative für Deutschland“ gab sich Alternative zur Eindimensionalität des Merkelsystems.

Die Sackgasse Merkel

Es versteht sich von selbst, dass Merkel nicht alternativlos ist und dass eine Alternative zu Merkel wünschenswert wäre. Eine Alternative zu Merkel kann aber nur Realität werden, wenn es gelingt, den Wählern die Einbahnstraße, die Sackgasse Merkel, bewusst zu machen. Doch dazu braucht es Argumente und dazu braucht es politische Programme zu den großen gesellschaftlichen Komplexen und zu den Detailfragen. Und genau da hat sich der erst sehr aufmüpfige Bernd Lucke zu einem wahren Künstler in der Vermeidung der Formulierungen der Alternativen entwickelt.

Nicht nur, dass die AfD programmatisch noch schwach aufgestellt ist. Das sind die Altparteien zum großen Teil ebenso. Die haben zwar überbordende und einander widersprechende Programme und Progrämmchen, aber die realen Resultierenden aus diesen wirren Parallelogrammen der parteiinternen Kämpfe und Machthaber sind oft sehr ernüchternd. Die großen Parteien sagen zu allem irgendwas, und per Saldo recht wenig. Aber sie vermitteln das Gefühl geballter Kompetenz. Die AfD kann auf eine solche Tradition nicht zurück blicken. Auch die Aussagen der AfD zu den meisten Politikfeldern sind dürftig geblieben. Der alles bestimmende Bernd Lucke scheint nur noch damit beschäftigt zu sein, einzelne wild gewordene AfD-Mitglieder, die sich gegenseitig bekriegen, zu deckeln, rauszudrängen und zu mobben, wie manche sagen. Statt positiv zu sagen, was er und die Alternative für Deutschland alternativ wollen, ist man bei der AfD nur noch damit beschäftigt die AfD auf den angeblich bekämpften Mainstreamkurs zu trimmen. Man hat den Eindruck, die Hauptbeschäftigung besteht darin zu beteuern, dass man nicht rechtspopulistisch oder gar rechtsradikal oder ewig gestrig oder dergleichen wäre.

Gerade eine Partei, die sich Alternative nennt, erweckt die Erwartung, dass sie mit intellektueller Schärfe und mit Mut den Weizen von der Spreu trennt. Ein Spruch der AfD lautete: „Mut zur Wahrheit“. Es stimmt, dass die AfD, durchaus rottenartig von der politischen Nomenklatura, den Medien und allen Vertretern aller gesellschaftlich relevanten Institutionen und Verbände „rechtspopulistisch“, „ausländerfeindlich“ usw. gescholten wird. Beinahe jeder fühlt sich berufen nach dem Prinzip, schaut her, ich tue es euch gleich, erst einmal zu betonen, dass die neue Partei eine Schmuddelpartei wäre.

Die AfD, die zunehmend mit sich selbst beschäftigt ist, hat sich jedoch als unfähig erwiesen die politischen Kampfbegriffe, die ganz unabhängig von der AfD und auch schon vor deren Existenz Teil des politischen Diskurses waren, zu sezieren, zu analysieren und zu definieren. Wer allerdings eine alternative Politik will, muss den Wählern Alternativen anbieten und das heißt vor allem, dass die Begrifflichkeiten geklärt werden und dass die damit verbundenen Inhalte dargelegt werden. Warum ist eine politische Forderung links oder rechts oder konservativ oder radikal? Was heißt Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Islamophobie, Ausländerfeindlichkeit, Europafeindlichkeit?

Die AfD hat sich als unfähig erwiesen die politischen Kampfbegriffe zu definieren

Eine alternative Partei muss auch ihren Begriff von Moral verdeutlichen. In einer Zeit, in der Links gleich Moral ist oder umgekehrt Moral gleich Links und diese Formel wie in Beton gegossen das politische Geschehen und auch das Denkgeschehen in den Köpfen beherrscht, müsste eine alternative Politik, wenn sie erfolgreich sein will, diesen Beton sprengen und die verschüttete Realität zutage fördern. Einfach nur noch auf die Umwelt reagieren und sich nur noch selber auf höchstmögliche Windschlüpfrigkeit zu trimmen und die Titulierungen von außen als „rechts“ mit der Behauptung zu kontern, man sei nicht rechts, ist mitnichten Politik.

Es mag Rechtsradikale in der AfD geben. Es gibt auch in der Linkspartei, in der SPD, bei den Grünen, in der Union und der untergegangenen FDP Rechte. Aber was ist nun die alternative Moral? Was hat die AfD dem Rest der Politik alternativ entgegen zu setzen? Mindestens aus der Außensicht ist vom Anspruch nichts übrig geblieben und deswegen ist die Feststellung, dass die AfD, tot ist, durchaus berechtigt – auch wenn sie gerade in das Europa- und in Landesparlamente eingezogen ist. Der Parteiapparat mag durch seine Existenz noch eine Weile den einen oder anderen anziehen, aber die Alternative gibt es nicht mehr.

Es gibt in der AfD ganz sicher viele sehr vernünftige Leute, aber die haben, so wie die Dinge stehen, keine Chance auf eine signifikante politische Mitwirkung. Ob das Auftreten der AfD wirklich das Ende der FDP brachte oder ob sich nicht die FDP ihrerseits mit vollem liberalem Getöse in die eigentliche gedankliche Unfreiheit hineingetrieben hat, mag dahin stehen. Interessant wäre schon, ob die FDP von einem Niedergang der AfD profitieren könnte. Daran muss man nach dem derzeitigem Stand der FDP allerdings Zweifel haben.

Die AfD hat sich ins Aus manövrieren lassen

Thüringen hat es gezeigt: Stalins SED/PDS/Linkspartei, die nicht nur von einem enttarnten Parlamentarier mit massiver Stasivergangenheit kontaminiert ist, sondern mit vielen unerkannten Stasivergangenheiten und geballter SED-Nostalgie angefüllt ist, hält Hof in Erfurt und die SPD und die Grünen kommen dankbar und willfährig angekrochen. Die AfD ist derart extrem vom gesamten politischen System nach rechts gedrängt worden, dass sich die CDU ein Zusammengehen mit der AfD auf Landesebene nicht zutraut und, mehr noch, auch wirklich ablehnt und von sich weist und sich nun von ihrem Groko-Partner SPD auch noch vollmundig als schmuddelgeneigt vorführen lässt. Das zeigt, in welches Aus sich die AfD manövriert hat, oder zutreffender gesagt, hat manövrieren lassen: Ideenlos, kampflos, schwach. So wird Deutschland auf Dauer keine Alternative bekommen und da rächt es sich natürlich auch, dass die AfD, mindestens die Bundespartei, immer mehr das wird, was sie von Anfang an war, nämlich eine One-Man-Veranstaltung.