Tichys Einblick
Neue Studie zu Wirtschaftsbeziehungen

Unternehmen in den USA verlieren Vertrauen in Deutschland

Nur noch halb so viele US-Unternehmen wie vor zwei Jahren planen Großinvestitionen in Deutschland. Was Amerikas Business-Bosse vor allem kritisieren, liest sich wie eine Generalabrechnung mit der deutschen Politik.

LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images

„Amerikanische Unternehmen reden schon länger über die Probleme mit der digitalen Infrastruktur, mit den Energiekosten und mit der Bürokratie. Positiv wurde immer die politische Stabilität gesehen. Selbst davon kann jetzt keine Rede mehr sein.“ (Frank Sportolari, Präsident AmCham Deutschland)

Nicht nur für den Normalbürger sind zehn Millionen Euro richtig viel Geld.

Auch in der Welt der Wirtschaft bleiben zehn Millionen eine große Summe, nur wird dort öfter damit hantiert als bei Privatleuten. Jedenfalls, die Unternehmensberatung KPMG hat sich für genau diesen Betrag als Schwelle zur Großinvestition entschieden – und dann in einer Studie 100 US-Unternehmen gefragt, wer in den kommenden drei Jahren so eine Großinvestition (also zehn Millionen Euro oder mehr) in Deutschland plant.

Je nachdem, ob man ein eher sonniges Gemüt hat oder zur mentalen Düsternis neigt, wird man das Ergebnis irgendwo zwischen „einigermaßen ernüchternd“ und „absolut verheerend“ einordnen.

Nur noch ein Viertel aller befragten US-Firmen wollen bis 2022 ordentlich Geld in Deutschland investieren (24 Prozent). Vor zwei Jahren waren es noch fast doppelt so viele (47 Prozent). Dagegen hat sich die Zahl der amerikanischen Unternehmen, die genau gar nichts in Deutschland investieren wollen, mehr als verdoppelt: von sechs auf nunmehr 13 Prozent.

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Die Zahlen sind schon nicht schön. Noch weniger schön sind die Gründe, die die amerikanischen Geschäftsleute für ihre geplante Investitionszurückhaltung angeben. Die deutsche Abschreckung für US-Wirtschaftsansiedlungen funktioniert demnach hier besonders gut:

Hindernis 1: hohe Steuern

Übereinstimmend beklagen sich die amerikanischen Firmen über zu komplexe und zu hohe Steuern und Abgaben. Für immerhin 20 Prozent der befragten Unternehmen belegt Deutschland im EU-Steuerwettbewerb nur einen der letzten fünf Plätze. Warum in einem Hochsteuerland investieren, wenn in den USA die Steuern sinken, die Wirtschaft boomt und die Bevölkerung wächst?

Hindernis 2: mangelnde staatliche Unterstützung

Eine überbordende und gleichzeitig langsame Bürokratie schreckt die bekannt hemdsärmeligen, entscheidungs- und handlungsschnellen Amerikaner zunehmend ab. Noch nicht einmal jeder fünfte US-Boss (17 Prozent) hat den Eindruck, dass Deutschlands Behörden ihn wirklich unterstützen. Es ist ein Gefühl, dass die meisten deutschen Existenzgründer kennen dürften.

Hindernis 3: schleppende Digitalisierung

Die amerikanischen Unternehmen zeigen sich deutlich irritiert davon, wie sehr Deutschland mit innovativen Technologien fremdelt. Zwar werden wir in der Robotik und der Prozessautomatisierung immer noch als weltweit führend angesehen. Beim großen – beim sehr großen – Rest der Digitalisierung gelten wir den US-Firmen aber allenfalls noch als Mittelmaß.

Der deutsche Michel ist dem Amerikaner schlicht zu ängstlich und risikoscheu. „Man hat oft den Eindruck, dass die Wirtschaft, die Politik und einzelne Firmen nach der perfekten Lösung suchen“, heißt es in KPMG-Studie. „Doch in der Zwischenzeit verpassen sie die Chancen, die sich durch den digitalen Wandel der Welt ergeben.“

Hindernis 4: marode Infrastruktur

Noch vor zwei Jahren fanden knapp drei Viertel (72 %) der befragten US-Unternehmen, dass Deutschlands Infrastruktur zu den fünf besten in der EU gehört. Heute glauben das noch nicht einmal mehr zwei Drittel (60 %).

„Damit Deutschland ein attraktiver Standort für ausländische Unternehmen bleibt, muss die Bundesrepublik in den Netzausbau für Mobilfunk und Strom ebenso wie den Ausbau der Verkehrsnetze investieren“, warnt der Leiter des KPMG-Amerikageschäfts, Warren Marine.

Man denkt kurz an das aktuelle 5G-Desaster, an auf den Sankt-Nimmerleins-Tag weggeklagte Stromtrassen, an den virtuellen Berliner Flughafen BER, an wegen Einsturzgefahr gesperrte Autobahnbrücken und an das gemütlich vor sich hin rostende Schienennetz der DB. Dann schließt man etwas beschämt die Augen und wünscht sich recht weit weg.

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Mehr als 2.000 US-Firmen sind in Deutschland tätig. Nach Angaben der Amerikanischen Handelskammer (AmCham) in Deutschland arbeiten dort 296.000 Personen. Zwei Drittel dieser Firmen konnten im vergangenen Jahr ihre Umsätze steigern. Trotzdem hat nur ein Drittel (36 Prozent) seine Investitionen in Deutschland erhöht.

Warum bloß?

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