Tichys Einblick
"Staatsräson"

Wenn Jordanien mehr für Israels Sicherheit tut als Deutschland

Eines haben die Vorgänge vom Wochenende wieder deutlich gemacht: Das Gerede von Israels Sicherheit als Teil deutscher „Staatsräson“ ist eben genau das – ein bombastisches Gerede. Was die Abwehr des iranischen Angriffs angeht, hat Jordanien jedenfalls mehr für Israels Sicherheit getan als Deutschland. Was für ein Ergebnis.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Leo Correa
„Man sieht deutlich, wie wichtig es gerade ist, dass es neben Appellen und Forderungen Akteure gibt, die sich ganz konkret – Hands-on – den praktischen Fragen stellen.“ Das sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Dienstag zu ihrem jordanischen Amtskollegen. Sie bezog sich damit auf Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen.

Viel besser aber würde der Satz in den Kontext des iranischen Angriffs auf Israel vom Wochenende passen. Und zwar um Deutschlands peinliches Versagen zu verdeutlichen. Noch einmal: „Man sieht deutlich, wie wichtig es gerade ist, dass es neben Appellen und Forderungen Akteure gibt, die sich ganz konkret – Hands-on – den praktischen Fragen stellen.“

Praktische Fragen, das war in dem Fall die Tatsache, dass Teheran in der Nacht auf Sonntag mehr als dreihundert Geschosse in Richtung Israel abfeuerte, die irgendwie abgefangen werden mussten, um keine Israelis (übrigens auch keinen Araber oder Palästinenser) zu töten. Baerbock hatte ihren iranischen Amtskollegen im Vorfeld eindringlich vor einer Attacke gewarnt – Appelle. Nun aber mussten die Geschosse vom Himmel geholt werden – Hands-on.

Deutschland sitzt daneben und schaut zu

Die USA, Frankreich, Großbritannien und selbst Jordanien ließen zu diesem Zweck Kampfjets aufsteigen und halfen so, eine eiserne Mauer vor den Grenzen Israels zu errichten. Und Deutschland? Saß daneben und schaute zu. Baerbock setzte kurz nach Mitternacht einen Solidaritätstweet ab. Da hockten die Israelis in ihren Schutzräumen und fürchteten Raketeneinschläge. Der virtuelle Solidaritätsschirm der Ministerin half in dieser Situation recht wenig.

Um fair zu sein: Immerhin beteiligte sich die deutsche Luftwaffe nach Auskunft des Verteidigungsministeriums daran, zwei französische Jets aufzutanken. Dennoch: Die echte Arbeit erledigten andere. Der britische Premierminister Rishi Sunak dankte später seinen Piloten, dass sie „in das Gesicht der Gefahr“ geflogen seien, um Drohnen abzuschießen.

Was soll ein „Defensivsieg“ sein?

Am Dienstag flog Baerbock dann nach Israel zu ihrem siebten Besuch seit Kriegsausbruch. Noch einmal: „Man sieht deutlich, wie wichtig es gerade ist, dass es neben Appellen und Forderungen Akteure gibt, die sich ganz konkret – Hands-on – den praktischen Fragen stellen.“ Die praktische Frage lautet nun, wie Israel unterstützt werden kann, um seine Abschreckungsfähigkeit gegen den Iran wiederherzustellen, und zwar mittels eines Militärschlags, der jeden weiteren Angriff von vornherein verhindert – Hands-on.

Doch Baerbock? Die belässt es auch jetzt wieder bei Appellen, die zu allem Übel auch noch gegen Israel gerichtet sind. Ihr Credo: Am besten solle Jerusalem gar nicht reagieren, sondern es bei seinem – so Baerbock – „Defensivsieg“ belassen; das sei kein Kleinbeigeben, sondern „nichts weniger als Stärke“. Bereits zuvor hatte sie recht harsch in Richtung Israel gemahnt, „Vergeltung“ sei „keine Kategorie im Völkerrecht“.

Netanjahu lässt sie reden

Kann man einer im Frieden aufgewachsenen Deutschen, die noch dazu „vom Völkerrecht her“ kommt, übel nehmen, wenn sie nicht weiß, dass es so etwas wie einen „Defensivsieg“ in einer aggressiven Region wie dem Nahen Osten nicht gibt? Vielleicht nicht. Aber sie müsste diese Ahnungslosigkeit ja nicht permanent mit einer europäischen (oder doch vor allem deutschen?) Haltung der Überlegenheit und des Mahnens vor sich hertragen.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu reagierte am Mittwoch gelassen: „Sie haben alle möglichen Ratschläge für uns; ich erkenne das an, aber sage klar: Unsere Entscheidungen treffen wir selber.“ Möge die Botschaft im Auswärtigen Amt ankommen. An Hamas-Chef Jachja Sinwar appellierte Baerbock übrigens: „Lassen sie endlich diese unschuldigen Kinder, Frauen und Männer (die Geiseln) frei!“ Dem Mann schlottern jetzt sicher die Knie.

Eines haben die Vorgänge vom Wochenende mal wieder deutlich gemacht: Das Gerede von Israels Sicherheit als Teil deutscher „Staatsräson“ ist eben genau das – ein bombastisches Gerede, das ganz viel mit einer selbstzentrierten Bewältigung eigener historischer Komplexe, ganz wenig aber mit der Unterstützung Israels zu tun hat. Was die Abwehr des iranischen Angriffs angeht, hat Jordanien jedenfalls mehr für Israels Sicherheit getan als Deutschland. Was für ein Ergebnis!

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