Tichys Einblick
Schottisches Hassredegesetz

J.K. Rowling: „Freue mich darauf, festgenommen zu werden“

Zum Inkrafttreten des schottischen Hassredegesetzes hat die Wahlschottin J. K. Rowling die Geduld der Polizei getestet. In einem Tweet „missgenderte“ sie erneut und absichtlich verschiedene bekannte Transpersonen. Die Entwarnung für Rowling folgte umgehend, aber es bleibt bei der Drohung für alle Schotten.

picture alliance / empics | Andrew Milligan

Sie hatte den größten Aprilscherz aller Zeiten angekündigt. Und J. K. Rowling zögerte nicht, ihren Teil dazu beizutragen. An dem Tag, an dem das neue schottische Hassrede-Gesetz in Kraft trat, veröffentlichte die Schriftstellerin einen Thread aus elf Tweets auf der Plattform X, in denen sie ihre Leser mit zehn Transfrauen vertraut machte. Da war zunächst eine gewisse Beth Douglas, die auf Bildern gerne mit einer Axt posiert oder die Klinge eines Messers küsst.

Es folgte Isla Bryson, ein zweimal verurteilter Vergewaltiger, der sich im Laufe seines Verfahrens als geschlechtsdysphorisch herausstellte (TE berichtete). Rowling kommentiert sarkastisch: „Missgendern ist Hass, also bitte respektiert Islas Pronomen.“ Noch einige andere Sexualstraftäter folgen, dann die gälische Fußballspielerin Giulia Valentino, die weiterhin alle äußeren Charakteristika eines Mannes aufweist und die vermutlich mehr als nur ein Schiedsrichter am liebsten des Platzes verwiesen hätte. Rowling benutzte dabei zunächst durchgehend weibliche Pronomen. Im elften Tweet dann die Auflösung: Alles sei „nur ein Scherz“ gewesen, denn „offensichtlich handelt es sich bei den erwähnten Personen überhaupt nicht um Frauen, sondern um Männer, bei jedem einzelnen von ihnen“.

Damit riskierte Rowling eine Anzeige, von der es sicher mehr als eine gab, und letztlich Ermittlungen der Polizei wegen eines Hassverbrechens. Das neue schottische Hassredegesetz sieht vor, dass neben Behinderungen auch Rasse, Religion, sexuelle Orientierung und eben Transgender-Identität als „geschützte Eigenschaft“ gilt. Und deren Schutz vor sogenannten Hassverbrechen ist fortan mit einer Strafe von bis zu sieben Jahren bewehrt.

Ministerin sorgt für Verwirrung – Yousaf für strikte Anwendung

Für Verwirrung hatte vor allem die schottische SNP-Regierung im Vorfeld gesorgt. Die Ministerin für die Sicherheit von Opfern (!) und Gemeinschaften, Siobhian Brown, hatte zunächst gesagt, dass das sogenannte „Missgendern“ nicht unter das Gesetz falle. Am Montag ruderte sie dann in Radio 4 zurück, die Polizei müsse in jedem Einzelfall entscheiden, ob sie ermitteln wolle. Auch Fälle von „misgendering“ könnten angezeigt und von der Polizei bewertet werden. „Herausfordernde oder beleidigende“ Ansichten seien nicht strafbar, „bedrohende und beleidigende“ schon.

Humza Yousaf hatte das nun in Kraft getretene Hassrede-Gesetz noch als Justizminister in das damalige Kabinett Sturgeon eingebracht. Dass er auch heute noch voll hinter dem Text steht und sich eine strikte Anwendung wünscht, zeigte der First Minister durch seinen Kommentar beim Fernsehsender Sky News: „Solange Ihr Verhalten nicht bedrohlich oder beleidigend ist und nicht darauf abzielt, Hass zu schüren, haben Sie in Bezug auf den neuen Straftatbestand nichts zu befürchten.“ Auch in Rowlings Fall wollte Yousaf nichts ausschließen: Die Polizei werde untersuchen, ob ein Verbrechen begangen worden sei. Danach werde die Staatsanwaltschaft entscheiden, „ob die Beweise für eine Anklage ausreichen“.

Die schottische Polizei hat nun bereits mitgeteilt, dass an Rowlings Äußerungen nichts Strafbares sei. Die Gründe und Kriterien für diese Feststellung bleiben dabei aber unklar. Von einem Prominentenbonus für Rowling – oder Feigheit vor ihrem Prominentenstatus – auszugehen, wäre offensichtlich die schlimmste Deutungsvariante.

Juristen hatten schon früher festgestellt, dass falsches Gendern nicht unter das neue Gesetz fallen könne. Gleichwohl dürften Polizei und Justiz hier einen Ermessensspielraum haben. Von nun an muss jede Äußerung, die sich irgendwie kritisch Personen von bestimmter Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung oder eben auch „Trans-Personen“ zuwendet, von der Polizei gewogen werden: Kommt darin „Hass“ zum Ausdruck oder handelt es sich um eine legitime Meinungsäußerung, vielleicht auch Tatsachenfeststellung? (Beachtlicherweise gilt laut dem Gesetz kein besonderer Schutz für die beiden natürlichen Geschlechter. Die schottische Regierung plant aber angeblich ein weiteres Gesetz gegen Frauenhass.)

Rowling: Können nicht für Frauenrechte kämpfen, wenn unklar ist, was eine Frau ist

Rowling hat das neue Gesetz daneben ausführlich kritisiert. Mit ihrem neuen „Hassverbrechensgesetz“ hätten die schottischen Parlamentarier die „Gefühle von Männern, die ihre Vorstellung von Weiblichkeit ausleben wollen“ – was häufig „in frauenfeindlicher oder opportunistischer Weise“ geschehe – über die „Rechte und Freiheiten der tatsächlichen Frauen und Mädchen“ gestellt.

Daneben kann das Gesetz aus Rowlings Sicht „von Aktivisten missbraucht werden“, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Rowling selbst hat inzwischen eine ganze Liste von Kritikpunkten an der Transgender-Ideologie gesammelt: Da ist die drohende Abschaffung von geschlechtsspezifischen Räumen für Frauen und Mädchen, dann die Verzerrung der Kriminalstatistik durch transidentische Täter, das Antreten von biologischen Männern in Frauensportarten (und in Frauenteams) und anderes mehr. Zuletzt könnten biologische Männer unter dem Schleier des „Transfrau-Seins“ auch die Jobs, Ehrungen und Chancen von Frauen übernehmen.

Die Schriftstellerin ist entschieden: Es sei unmöglich, die Realität der teils sexuellen „Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beschreiben oder zu bekämpfen oder sich mit den derzeitigen Angriffen auf die Rechte von Frauen und Mädchen auseinanderzusetzen, wenn es uns nicht erlaubt ist, einen Mann als Mann zu bezeichnen“. In diesem Satz verbirgt sich argumentativer Sprengstoff. Sollte die Verunklarung des Frauenbegriffs wirklich dazu führen, dass (sexuelle oder nicht-sexuelle) Gewalt gegen Frauen von unserem Radar verschwindet? Zum Teil ist das mit Sicherheit so, nämlich überall dort, wie ein transidentischer Täter sich an Frauen (oder Männern) vergeht. Noch tiefer führt aber der zweite Teil des Satzes: Die Rechte von Frauen sind nicht mehr gut zu verteidigen, wenn die Definition von Frauen unklar wird. Das leuchtet unmittelbar ein. Die Rede- und Meinungsfreiheit in Schottland sei „am Ende, wenn die genaue Beschreibung des biologischen Geschlechts als kriminell angesehen wird“.

Aktuell sei sich nicht in Schottland, aber was sie hier geschrieben, so glaubt Rowling, sei genug für eine Straftat unter dem neuen Gesetz. Rowling freut sich demnach darauf, von der schottischen Polizei verhaftet zu werden, sobald sie wieder „in die Geburtsstadt der schottischen Aufklärung“, also an ihren Wohnsitz Edinburgh zurückkehrt. Öffentliche Persönlichkeiten wie der Buchautor und Journalist Douglas Murray oder der Medizinprofessor und Corona-Dissident Jay Battacharya haben sich an Rowlings Seite gestellt.

Mehr als 3.800 Anzeigen in den ersten 24 Stunden

Daneben sprang auch Premierminister Rishi Sunak der Harry-Potter-Autorin zur Seite: „Menschen sollten nicht dafür kriminalisiert werden, dass sie einfache Fakten zur Biologie aussprechen. Wir glauben an die Meinungsfreiheit in diesem Land, und die Konservativen werden sie immer schützen.“ Man könnte auch sagen: Der mit schlechten Meinungsumfragen kämpfende Premier wollte sich hier etwas in Rowlings Ruhm sonnen. Er hat allerdings, angeleitet auch von Ministern wie Demi Badenoch, eine glaubwürdige Position gegen das schottische Selbstbestimmungsgesetz bezogen.

In Rowlings Fall hat die Polizei entschieden. Aber das bringt den Schotten noch keine ultimative Klarheit. Nicht ausgeschlossen ist, dass das mutige In-die-Bresche-Springen der prominenten Autorin hier einige Punkte klärt, die ohne sie unklar bleiben würden. Aber was ist, wenn solche Stimmen irgendwann einmal in einem Land fehlen? Das muss man sich durchaus fragen.

Das Aufkommen der Hass-Anzeigen war umgehend nach Inkrafttreten des Hassrede-Gesetzes – wie erwartet – beachtlich: Mehr als 3.800 Anzeigen gab es laut dem Telegraph allein in den ersten 24 Stunden. Nun müssen alle schottischen Polizisten einen Zwei-Stunden-Kurs belegen, um das Gesetz korrekt anzuwenden. Ein Drittel der Beamten hat den Kurs noch nicht absolviert.

Der Schottland-Minister in der Regierung Sunaks, Alister Jack, sagte: „Das ist ein wirklich schreckliches Gesetz. Es wird unnötigen Druck auf unsere ohnehin schon überlastete Polizei ausüben und die Meinungsfreiheit einschränken.“ Schottland sei berühmt für „seinen respektlosen Sinn für Humor und seine Vorliebe für harte Debatten“. Diese großartigen Eigenschaften könnten nun „von dieser autoritären nationalistischen Regierung“ unterdrückt werden.

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