Tichys Einblick
Schach-WM in China: Iranische Repressalien

Schachmatt für das Kopftuch

Die iranische Schach-Schiedsrichterin Shohreh Bayat will nicht mehr in den Iran zurückkehren.

STR/AFP via Getty Images

Das Schachspiel gilt zwar als königliches Spiel – und wurde wohl ursprünglich über Persien und die expandierenden Araber in die Welt getragen. Königlich ist im Persien von heute, dem Mullahregime, eigentlich wenig.

Der gefährliche und lange Arm des islamischen Staates reicht bis zur derzeit stattfindenden Schach-Weltmeisterschaft nach China. Nein, nicht, dass etwa ein Schachspieler von der iranischen Regierung mit Strategien und Tipps versorgt wurde, um einen Titel zu holen – was ist schon Sport gegen politisches Ansehen?

Nein, momentan steht die 32-jährige iranische Schachschiedsrichterin Shohreh Bayat ziemlich unter Druck – den sie sich aber kaum anmerken lässt. Man kann auch mit Fug und Recht behaupten, nicht nur, dass Shohreh Bayat ein wachsames Auge auf die Bretter der gegeneinander antretenden Kontrahenten wirft, und mitunter auch mit der Regelkunde eingreifen muss, sie fordert indirekt die Männerwelt im Iran heraus.

Was ist geschehen? Shohreh Bayat hatte es doch tatsächlich gewagt, ihr Kopftuch in Shanghai etwas legerer zu tragen. Der Haaransatz, ein paar Haarsträhnen, waren zu sehen, aber das genügte bereits völlig, um im Iran für einen Eklat, für ein Politikum zu sorgen.

Ich kenne einige Exil-Iraner durch meine Tätigkeiten in der Migrantenarbeit schon seit 2015. Darunter finden sich sehr viele intelligente und gut ausgebildete Frauen, die in der Mehrheit weder Kopftuch noch Hijjab tragen, und wenn doch, dann wirklich in einer undogmatischen Variante, und selbst dann nicht immer. Man merkt ihnen oft noch an, manche sprechen darüber, wie sie im Iran selbst unter Druck standen, entweder durch die Mullah-Sittenpolizei oder willfährige und aufmerksame Helfer in der Bevölkerung, die einer strengen Islam-Auslegung anhängen. Es bleibt müßig zu beantworten, inwieweit sich dieses Regime überhaupt von einem der Taliban oder des IS unterscheidet. Wohl kaum, denn man muss sich immer vor Augen halten, dass auch der Iran mit Soleimani die Taliban – zum Beispiel in Afghanistan – unterstützte, und immer den Kontakt aufrecht hielt. Eine reine Männerwelt, in der die Frauen nichts zu melden haben.

Die Schiedsrichterin Schoreh Bayat jedenfalls stellte emanzipiert auf stur, gerade weil in der Heimat eine Diskussion und ein Shitstorm auf allen Kanälen entbrannte, hatte sie sich offenbar dazu entschlossen, ab dem dritten Turniertag komplett auf das Kopftuch oder eine sonstige Bedeckung ihrer Haare zu verzichten. Die Schiedsrichterin wurde daraufhin vom iranischen Schachverband aufgefordert, sich zu entschuldigen. Entschuldigen – aber wofür?

Und muss die westliche Sportwelt, müssen nicht die Sportverbände solche mutigen Frauen unterstützen und Schutz bieten?

Wann, und diese Frage ist angebracht, wollen die deutsche Linke und ihre Politikerinnen endlich damit aufhören, die Kopfbedeckung als freiwillig und als Pflicht unserer (falschen) Toleranz, zu bezeichnen?

Viele Frauen, wie die Schiedsrichterin bei der Schach-WM, würden ihre Kopfbedeckung gern ablegen, und trauen sich nicht. Sie stehen massiv unter Druck, auch in Deutschland, nicht nur familiär. Und diejenigen, die es in der Tat gibt, die einen Hijjab oder ein Kopftuch „freiwillig“ tragen, sehen es als ihre Pflicht an, fast missionarisch unterwegs zu sein, dem Islam zu huldigen, und andere Frauen sich schlecht fühlen lassen zu wollen, die sich freier verhalten – was nicht heißt, dass sie nicht auch gläubig sind.

Shohreh Bayat will aus Angst vor Gängelungen vorerst nicht in den Iran zurückkehren, das ist nur zu verständlich. Zu Deutschland würde man ihr aber momentan auch nicht unbedingt raten wollen, weil islamische Hardliner auch hier schon angekommen sind, um Druck aufzubauen – allein die „Gutmenschen“ (auch in den Redaktionen) verharmlosen oder ignorieren viel.

Die Schiedsrichterin Schoreh Bayat hat somit den eigenen König herausgefordert. Auf dem Brett gilt die Dame als beweglichste und stärkste Figur im Schachspiel. Das wahre Leben ist oft anders, es kommt darauf an, wie der nächste Zug aussieht.

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