Tichys Einblick
EU bremst Italien für Frankreich aus

Rote Ampel beim Parmaschinken aber Grün für französische Cuisine? 

Liebe Leser, hat Ihnen das Festmahl während der Weihnachtstage gemundet? Es kann jedoch sein, dass Sie sich stets im orangen oder roten Bereich der Ernährungs-Ampel aufgehalten haben. 

Getty Images

Noch ist die Nutri-Score-Ampel, die Qualität und Gesundheitsunbedenklichkeit klären und dokumentieren soll, nicht verpflichtend. Doch beim Blick auf die teilnehmenden, sich selbst verpflichtenden Großkonzerne der Genuss- und Nahrungsmittelindustrie (darunter Agrarfrost, Aldi, Bofrost, Danone, Lidl und Nestlé) keimt der Verdacht auf, dass sich die globalen Unternehmen mit ihren Produkten selbst besser darstellen lassen (wollen), und dafür Konkurrenten aus dem Ausland an der Nutri-Score-Ampel jedoch ausbremsen können. 

Die Idee der Nutri-Score-Ernährungsfarbtafel soll es angeblich den Kunden etwas einfacher machen, durch das meist klein gedruckte Dickicht der Inhalts- und Zusatzstoffe und die für sich beste Wahl zu finden: gesund, mittelmäßig oder fragwürdig bis ungesund, ergo, kaufen oder im Regal zurück lassen? 

Die EU, Agentur der Konzerne

Und, sieh an, die Marke „Nutri-Score“ ist, so Wikipedia, „als Unionsmarke in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geschützt. Ihre Verwendung ist nicht verpflichtend, sondern freiwillig und bedarf einer Anmeldung bei der Agence nationale de santé publique (Nationale Agentur für öffentliche Gesundheit)“, und nun wird es interessant, einer Organisation, die beim französischen Gesundheitsministerium angesiedelt ist. Diese Institution hat quasi die Nutri-Score-Standards erlassen. 

Von dem Buchstaben A, im mintgrünen und unbedenklichen Bereich, über B im hellgrünen, hin zum C im grellgelben Warnbereich (nicht schlecht, aber…!), das D dann in einer Art Schlammfarbe, hin zum dicken E, leuchtend orangrot untermalt, soll das Produkt dem Kunden vereinfacht näher gebracht werden – „idiotensicher“ sozusagen und dennoch, ein paar europäische Verbraucherzentralen, darunter auch die deutsche in Hamburg, sehen das System zwar kritisch, aber auch als hilfreich an. Nur müsste es noch verfeinert werden, im Hinblick auf regionale Angaben. 

Es scheint bisher so, als nähmen nur Diejenigen Teil, die es sich, wie beim inflationären Bio-Gütesiegel, auch leisten können – die Quantität bestimmt somit auch die Qualität – selbst wenn sich an den Zusatzstoffen nichts ändert. 

Die Italiener akzeptieren an sich viel, aber bestimmt nicht ein unqualifiziertes Herummäkeln und eine Abqualifizierung ihrer mediterranen Produkte durch Institutionen, die quasi einen Kaufboykott italienischer Nahrungsmittel verhängen. Was nicht heißen soll, dass die Italiener gegen jede Kritik erhaben sind, im Gegenteil, der eigene Verbraucherschutz und der Lebensmittelkontrolldienst stellt an die meist regionalen Produkte die höchsten Ansprüche. Panscher und Verfälscher der Nahrungsmittel, die auch als Exportware deklariert werden, müssen mit hohen Strafen und einem Lizenzentzug rechnen. 

Das Made in Italy und die italienische Küche generell, la cucina italiana, müssen geschützt werden. Das sei nicht nur „Gesetz“, sondern auch die Pflicht, italienische Erzeuger und Hersteller zu verteidigen, wie Matteo Salvini nicht erst jetzt dazu aufruft, nein, er tat es bereits als Innenminister. 

Seine Mitstreiter werden aber immer mehr. Das Thema Nutri-Score mobilisiert, die ganz spezielle Ampel, die bei italienischen Produkten in den französischen Supermärkten, zum Beispiel dem Schinken Prosciutto di Parma stets auf gelb oder orange, D und E zeigt, während die Ampel bei französischen Spezialitäten oder auch importierten Doseneintöpfen mit Würstchen stets auf Grün zeigt: unbedenklich. 

Frankreichs EU

Das stößt den Italienern natürlich sauer auf. Aha, Nutri-Score, eine französische Institution, mit deutscher Unterstützung in der EU – alles, unbedenklich. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. 

Silvia Sardone, die eloquente Lega-Abgeordnete im europäischen Parlament, ging durch französische Supermärkte. Eine in Frankreich hergestellte und abgepackte Fertigpizza, „die ich so sicher nie essen würde …“, spricht Sardone in die Kamera, hätte ein B auf grün bekommen, obwohl die Plastik-Verpackung auf der Pizza aufliegt, während der Ricotta Frischkäse, in Italien hergestellt, ein gelbes C als Bewertung erhält. Die Gründe dafür? Nicht erkenntlich. Silvia Sardone zieht ihren Schluss, die Bewertung ziele wohl viel mehr auf den Herstellungsort, also auf die Herkunft ab.

In der Sendung „Fuori dal Coro“, außerhalb des Chors des Mainstreams, ging Moderator Mario Giordano mit dem Publikum und einer Köchin typisch italienische Produkte durch. Fast schon emotional theatralisch griff sich Giordano immer wieder an den Kopf, denn egal ob der Parmesan, Parmigiano Reggiano, mit D, oder das native Olivenöl, ebenfalls orange mit D, „…unglaublich, und das, obwohl diese Produkte zu unserer Ernährung und mediterranen Diät gehören“, würden sie so weit unten eingestuft. Ein lautes „Ohhh“ macht im Publikum die Runde. 

Aber jetzt, der italienische Prosciutto crudo, roher Schinken, vergleichbar mit den Schinkenwürfelchen zum Anbruzzeln bei uns, Moderator Giordano, auf den beliebten und auch gesunden Schinken hinweisend und die Spannung anheizend, aber nun sicher ein Grünes Licht für den Prosciutto? Giordano zieht das Schild ab, und wieder ein frustriertes langes Ohhh im Publikum, ein E auf rotem Grund für den rohen Schinken. 

Mario Giordano, ein Moderator, der die sachten, aber auch polemischen Töne beherrscht, klärt das Publikum auf, ganz einfach meint er: „Diese Ampel bestraft natürlich und landwirtschaftlich hergestellte Originalprodukte, während die Großkonzerne mit ihren Chemiezusätzen in ihren Produkten belohnt werden …“, sie bekommen öfter ein Grün angezeigt. Selbst synthetisch hergestellte Steaks, so Giordano, und ein Beitrag dazu läuft. Rhetorisch fragt der Moderator, sollen wir das mit anderem importierten Nahrungsmitteln auch machen, einfach mal so abwerten?

Etliche Italiener, darunter auch Ernährungswissenschaftler, sehen einen Nahrungsmittel-Boykott gegen sie im Spiel, initiiert von der EU. Irgendwo in der Mitte, medium bis blutig, liegt wohl die Wahrheit. Jedenfalls ist nicht nur den Italienern ihr Essen heilig, la cucina italiana hat überall auf der Welt ihre Anhänger. Von dieser „hässlichen“ EU jedenfalls, deutet der Moderator an, lasse man sich sicher nicht die Pasta versalzen. 

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