Tichys Einblick
IRAN STATUIERT EXEMPEL

Ringkämpfer Afkari wegen Protesten im Iran hingerichtet

Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur lIna und des staatlichen Fernsehens ist das Todesurteil gegen den iranischen Ringer Navid Afkari am Samstag vollstreckt worden. Staatsanwalt Kazem Mousavi bestätigte dies ebenfalls im staatlichen Fernsehen.

Bild: via Twitter

Navid Afkari und seine Brüder nahmen an den friedlichen Protesten 2018 in Iran gegen das Regime teil. Der nationale Ringer-Champion Navid Afkari (27) wurde gleich zwei Mal zum Tode verurteilt und mit sechs Jahren Haft und 74 Peitschenhieben zusätzlich bestraft. Trotz der Gefängnisstrafe füllte die wachsende Sorge diese Woche zunehmend den Raum, dass die Vollstreckung kurz bevor stehe, wie Iranische Menschenrechtsaktivisten in den sozialen Medien berichteten. Ein Indiz dafür war vor allem, dass Navid Afkari in einen Hochsicherheitstrakt verlegt und misshandelt worden sei, wie Iran Human Rights Monitor auf Twitter berichtete. Auch wurde ihm der Besuch eines Arztes verwehrt.

Seine Brüder Vahid (35) und Habib (29) wurden zu 54 Jahren und 27 Jahren Haftstrafen sowie jeweils 74 Peitschenhieben verurteilt. Alle drei protestierten gegen die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation und Inflation des Landes. Sie wurden unter anderem wegen „Bildung einer Bande“ und „Teilnahme an landesweiten Protesten“ angeklagt. Navid Afkari wurde vorgeworfen, einen Sicherheitsbeamten auf einer Demonstration 2018 in der Stadt Schiras getötet zu haben. Navid und Vahid wurden laut Iran International und nach eigener Aussage „schwer gefoltert“, um erzwungene Geständnisse abzulegen.

Als Beweis habe ein Video gedient, auf dem alle drei Brüder am „Tatort“ zu sehen seien, so ihr Anwalt Hassan Younesi. Doch das Video sei eine Stunde vor der Tötung des Sicherheitsbeamten aufgenommen worden und seine Mandanten hätten mit dem Verbrechen nichts zu tun. In der farsisprachigen Internet-Community kursierte eine Audiodatei, die dem zu Tode verurteilten iranischen Regimekritiker Navid Afkari zugeschrieben wird. Ein junger Mann bittet in dieser, die Iraner und die Weltgemeinschaft, „diesem ungerechtfertigten Todesurteil“ gegenüber nicht gleichgültig zu sein.

Wegen des Todesurteils entstand aus Protest dagegen eine internationale Solidaritätswelle. Zahlreiche Iraner und berühmte Ringer forderten in den sozialen Medien, das Urteil zu revidieren. Neben der Kampagne „Rettet Navid Afkari“, forderte auch US-Präsident Donald Trump per Twitter die iranische Führung in einem Tweet auf, Afkari nicht hinzurichten. „“Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das Leben dieses jungen Mannes verschonen würden“, appellierte Trump. Die deutsche Bundesregierung und der Außenminister Heiko Maas hielten sich zurück.

Auch Behieh Namjoo, die Mutter der drei Brüder, hatte sich mit einem emotionalen Video an die Öffentlichkeit gewandt; Sie bat um Hilfe für ihre drei Söhne und verlangte einen fairen Prozess: „Ich bitte alle Menschen auf der Welt und im Iran, ich bitte alle, die mich hören können, mitzuhelfen, damit die ungerechten Urteile gegen meine Söhne aufgehoben werden.“

Angespannte Stimmung im Iran: Angst vor großer Protestwelle

Im Iran hält die Wut der Bevölkerung nicht nur an, sie wächst weiter – und das besonders unter der jungen Bevölkerung, die recht groß ist. Dieser Bevölkerungsteil ist eine treibende Kraft bei den Protesten gegen das Mullah-Regime. Die Probleme im Iran sind immens. Eines der drängendsten Probleme für die jungen Menschen ist die Arbeitslosigkeit, da überaus viele gut ausgebildet sind, einen relativ hohen Bildungsgrad erreicht haben und dennoch arbeitslos bleiben. Bei Frauen liegt die Arbeitslosigkeit im Iran höher als bei Männern. Zuvor hatten junge Menschen, die zur Mittelschicht oder Oberschicht gehören, wenig Geldsorgen. Doch die wirtschaftliche Lage hat sich mit den USA-Sanktionen von Ende 2018 noch dramatischer verschlechtert. Amerikanische und nicht-amerikanische Unternehmen haben sich aus dem Iran zurückgezogen oder ihren Handel eingestellt, da die Sanktionen sich gegen Unternehmen richten, die weiter mit dem Iran Geschäfte machen. Die Islamische Republik befindet sich in einer schweren Rezession. Wegen des beinahe Erliegens des Rohstoffhandels lebt der Staat von Reserven. Arbeitslosigkeit und Inflationsrate steigen.

Mittlerweile kommt zur Arbeitslosigkeit und Rezension das Problem der Glaubwürdigkeit der Regierung dazu. Nachdem die Proteste im November 2019 vom Regime brutal niedergeschlagen wurden, was laut Amnesty International mit über 200 Toten einherging, wurde in staatlich kontrollierten Medien im Iran propagiert, dass nur neun Menschen ums Leben gekommen seien. Die Proteste und die Protestniederschlagung fanden in einem neuem Ausmaß statt. Darauf folgte der Absturz der ukrainischen Passagiermaschine und die Drei-Tage-Lüge der iranischen Regierung, dass der Grund ein technischer Fehler gewesen sei. In Wahrheit hat Iran das Flugzeug versehentlich abgeschossen, wie international veröffentlichte Dokumente bewiesen. Dass Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Regierung so niedrig sind wie noch nie, zeigt die Wahlbeteiligung Ende Februar 2020 bei den Parlamentswahlen. In der Hauptstadt lag diese nur bei ca. 25%, landesweit bei ca. 42%, damit ist sie niedriger als jemals zuvor seit der Islamischen Revolution 1979.

Drei Brüder müssen als statuierte Exempel herhalten

Angesichts der wachsenden Probleme im Inland sowie des sinkenden Vertrauens in die Regierung, hat das Regime Furcht vor einer großen Protestwelle, wo sich nicht nur wirtschaftliche Protestierer versammeln, sondern politische und soziale Protestierer aus allen Schichten. Die drei Brüder und die gesamte betroffene Familie Afkari müssen als Abschreckung herhalten. An allen drei wird ein Exempel statuiert.

Navid Afkaris Hinrichtung als national bekannter Ringer dient zur Einschüchterung, um möglichst neue Bürgerproteste, besonders eine große Welle zu verhindern. Als Teenager gewann Navid Afkari mehrere Preise in diesem Nationalsport. Wenn es verhindert worden wäre, dass Navid Afkari von dem Mullah-Regime unschuldig hingerichtet wird, dann wäre auch der Versuch verhindert worden, die Proteste zu reduzieren. Teheran wies vor der Hinrichtung jedwede Kritik aus dem Ausland von sich. Das Ausland solle einen Mörder aus politischen Erwägungen nicht heiligsprechen, einen Täter nicht zum Opfer machen und die Rechte des wahren Opfers und dessen Familie nicht ignorieren, hieß es von der iranischen Justiz laut Nachrichtenportal Tabnak. Die schnelle Vollstreckung des Todesurteils soll sowohl der Bevölkerung als auch dem Ausland die Nachricht vermitteln, dass das Mullah-Regime keinesfalls zögert, sich nicht von dem Weg des brutalen islamischen Gottesstaat abbringen lässt.

Wie Iran Demonstranten foltert, verschwinden und hinrichten lässt

Vor kurzen erschien von Amnesty International ein Bericht, der die Folterung von. Menschen dokumentiert, die im Zusammenhang mit den Protesten im November 2019 festgenommen wurden. In allen dokumentierten Fällen wurde von psychologischer Folter zur Erzwingung von Geständnissen berichtet. Die Gefangenen müssen erniedrigende Beleidigungen, Obszönitäten, das Drangsalieren von Familienangehörigen und Drohungen, wie Nahestehende zu foltern, zu töten oder zu vergewaltigen, ertragen. Zu den Betroffenen zählen auch zehnjährige Kinder, verletzte Protestierende, Passanten, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Teilnehmer an Gedenkveranstaltungen für Opfer der Proteste.

In der Studie ist die Rede von willkürlichen Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und weitere Misshandlungen von dutzenden Protestierenden. Besonders der mit der Todesstrafe belegte Tatbestand „Kampf gegen Gott“, der grundsätzlich auf bewaffneten Widerstand angewendet wird, trifft die gewaltlosen Protestierenden, erklärte der Iran-Experte Dieter Krug bei Amnesty International in Deutschland.

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