Tichys Einblick
Gewächshäuser werden kalt

Preisexplosion für Erdgas gefährdet niederländische Landwirtschaft

Die Erdgaskrise trifft jetzt auch die Lebensmittelproduktion in den Niederlanden. Deren Gewächshäuser zu heizen, wird immer teurer. Am Ende werden vermutlich Verbraucher mehr für Gemüse, Blumen und Pflanzen bezahlen müssen.

IMAGO / UIG

Die Niederlande sind – gemessen am Wert – der zweitgrößte Lebensmittelexporteur der Welt. Tomaten, Gurken und Paprika sowie Zierpflanzen werden zum großen Teil in sehr modernen Gewächshäusern angebaut, 10.000 Hektar sind unter Glas, eine Fläche etwa so groß wie Paris. Die Nutzpflanzen benötigen Licht und Wärme; dafür werden erhebliche Mengen an Energie benötigt, bisher wesentlich Erdgas und zusätzlich Energie aus geothermischen Heizwerken, die ein wenig die Wärme aus der Tiefe der Erde nutzen.

Etwa acht Prozent des gesamten niederländischen Erdgasverbrauches dienen der Beheizung der Gewächshäuser. Denn die Pflanzen mögen es hell und warm. So fließen zusätzlich erhebliche Mengen an Strom in die Glaskästen, um vor allem im Winter den Pflanzen taghellen Sonnenschein vorzugaukeln, damit sie besser wachsen und gedeihen.

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Die steigenden Energiepreise jedoch zwingen nach Angaben des Verbandes der Gewächshausanbauer eine Reihe von Erzeugern bereits dazu, die Beleuchtung zu reduzieren und die Anbausaison früher zu beenden. Solche weiteren drastischen Maßnahmen würden Produktion und Ertrag verringern und erhebliche wirtschaftliche Folgen für die Unternehmen haben, der Verband könne nicht ausschließen, dass die Verbraucher mehr für Gemüse, Blumen und Pflanzen bezahlen müssen. Die Energieknappheit dürfte diese Probleme verschärfen, so schätzen Fachleute.

Erdgas ist die wichtigste Energiequelle für die Niederlande, die zugleich einer der größten Erdgasproduzenten Europas sind. Das Gas kommt sowohl aus der Nordsee als aus Quellen unter dem Festland im Norden. Fast jedes Haus verfügt über einen Gasanschluss.

Doch in der Provinz Groningen häufen sich seit einigen Jahren die Schäden an Häusern aufgrund von Erdbeben. Die waren teilweise so stark, dass viele Gebäude beschädigt und sogar unbewohnbar wurden. 100.000 Meldungen über Schäden gingen ein. Die Erdbeben werden der Erdgasförderung im Norden Hollands an der Grenze zu Deutschland zugeschrieben. Seit 1959 wird dort eine große Gasblase in Slochteren 2,5 Kilometer unter der Erdoberfläche angezapft – sie gilt sogar als eine der größten weltweit. Das Gas ist dort in Schichten aus Sandstein eingeschlossen und mit einer dicken Sandschicht bedeckt.

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Doch 2015 gab das Wirtschaftsministerium in Den Haag bekannt, die Erdgasförderung aus diesem Feld um ein Fünftel zu senken. Vor drei Jahren kündete die Regierung eine weitere Reduzierung der Erdgasförderung an. Im März 2018 beschloss dann das Parlament, bereits ab Mitte 2022 vollständig die Förderung zu beenden, nachdem am 8. Januar 2018 ein heftigeres Erdbeben in der Stärke 3,4 auf der Richterskala die Gegend erschütterte.

Ursprünglich wollte die niederländische Regierung schrittweise bis 2030 die Erdgasförderung in Groningen beenden. Eine Entscheidung auch mit Folgen für deutsche Haushalte: Fünf Millionen in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen werden mit Erdgas aus den Niederlanden beheizt.

Doch soll das Gasfeld noch eine Weile als Reserve bereitstehen, allerdings kann es aus technischen Gründen nicht vollständig abgestellt werden, sonst käme der Gasfluss zum Erliegen und eine Förderung wäre nicht mehr möglich.

Aus der Nordsee wird weiterhin Erdgas gefördert. Beteiligt sind unter anderem auch die deutsche Wintershall und der russische Gazprom-Konzern. Wintershall sieht sich bekanntlich einer Klage des Abmahnvereines »Deutsche Umwelthilfe e.V.« ausgesetzt, der durchsetzen will, das Wintershall kein neues Erdgasfeld mehr erschließen darf. Weltweit sogar.

Wie sich die Erdgaskrise samt drastischer Erhöhung der Energiepreise auf die Beschlüsse der niederländischen Regierung auswirken werden, ist im Augenblick noch unklar, ebenso die Folgen für die wirtschaftliche Situation in der Landwirtschaft und im Gartenbau.

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Vielleicht löst sich die komplizierte Lage aber auch in Wohlgefallen auf: In den Niederlanden fordern eine Reihe umweltbewegter Gruppen und sogar das Finanz- und Agrarministerium die Enteignung von Bauern. Der Grund für diese Wahnsinnsaktion: das Weltklima. In Holland soll es der Stickstoffausstoß aus der Landwirtschaft sein, der das Klima akut bedroht. Der soll daher gekappt werden; aus grüner Sicht das probate Mittel dafür: weitgehendes Einstellen der Landwirtschaft, Enteignung der Landwirte, deren Böden zwangsweise kaufen. Dann werde nicht mehr so viel Energie benötigt, auf dem gewonnenen Land könne man eine Million Wohnungen bauen. Immerhin betonen beide Ministerien, noch handele es sich um Pläne. Die allerdings liegen bereits recht detailliert entwickelt in den Schubladen.

Nicht erwähnt werden Vorstellungen über die Zukunft der energiefressenden Gewächshäuser. Eine Fläche so groß wie Paris – da bietet sich doch neuer Lebensraum und Platz für viele Wohnungen an, warm und lichtdurchflutet. 

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