Tichys Einblick
Trump war sachlicher

Präsidentschaftsdebatte: Erstmals Korruptionsaffäre um Biden auf dem Tisch

In der letzten Debatte der Präsidentschaftskandidaten geht es friedlicher zu und mehr um Inhalte. Biden gerät bei Fragen um die schweren Korruptionsvorwürfe gegen ihn ins Wanken. Auch an anderen Stellen kann der erstaunlich sachliche Trump Punkte sammeln. CNN erklärt Biden natürlich trotzdem zum klaren Sieger.

imago Images/UPI Photo

Um drei Uhr nachts deutscher Zeit trafen Donald Trump und Joe Biden zur zweiten echten Präsidentschaftsdebatte aufeinander – und schafften es tatsächlich, einander ausreden zu lassen. Großartig, meine Herren! Dann kann man ja als Wähler (oder interessierter ausländischer Beobachter) inhaltlich sogar etwas mitnehmen.

Die Rhetorik blieb natürlich scharf – auf beiden Seiten. Aber auch weil Trump es schafft, sich zurückzuhalten und präsidial aufzutreten, fällt Biden immer wieder mit spannenden Aussagen auf: So sei Donald Trump zum Beispiel der erste Präsident, der „den Fortschritt beendet habe“. Ähnliche Comic-hafte Verteufelungen des Amtsinhabers sah man im Laufe der Nacht immer wieder. Wer nach 90 Minuten Debatte denkt, Biden wäre unsachlicher gewesen, liegt damit nicht ganz falsch.

Hauptsächlich ging es jedoch um Inhalte. Und die Kandidaten sprachen auf Themen bezogen und teilweise überraschend sachlich. Dort kann Trump seinen Herausforderer angreifen, ihn zwingen, Position zu beziehen. Er weiß: Der Demokrat muss als Teil seiner Wahlstrategie die „Big Tent“-Taktik aufrechterhalten, also sowohl für die Linksaußen der Demokraten als auch für Zentristen oder von Trump enttäuschten Republikaner wählbar erscheinen. Biden gibt den moderaten Staatsmann für die einen, den Herold „progressiver“ Veränderungen für die anderen. Er versuchte erneut, den Einfluss linker Kräfte der Demokraten auf seine mögliche Regierung herunterzuspielen: „Ich habe all diese Leute besiegt“, sagt Joe Biden – weil er ihnen nicht zustimme. Bereits in der ersten Debatte hatte er sehr selbstbewusst frei nach Sonnenkönig Ludwig XIV erklärt: „Ich bin die demokratische Partei“. Dass er Anfang des Jahres ein gemeinsames Positionspapier mit Bernie Sanders, dem Wortführer der selbsternannten „demokratischen Sozialisten“ unterschreiben musste, um seine Kandidatur zu sichern, lässt er klugerweise unerwähnt.

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Der ehemalige Vizepräsident weiß selbst, dass der linke Flügel seiner Partei nicht sein größter Fan ist. Wahrscheinlich deshalb erinnert mich Bidens Art fast an Merkel: Irgendwie alles abdecken, mit dem mitgehen, was dank Zeitgeist gerade en vogue ist und bloß nichts Unpopuläres sagen. Von vergangenem Handeln wie eine von ihm unterstützte Gesetzesinitiative zur stärkeren Ahndung von Drogenvergehen distanziert er sich, fast schon in einem Kotau vor den selbsternannten „Progressiven“ innerhalb der US-Demokraten. Gerade für einen deutschen Journalisten wäre das doch eine Steilvorlage – wir kennen diese schwammige Art von Politik immerhin seit 16 Jahren. Doch ich bin mir sicher, dass sich kaum ein deutsches „Leitmedium“ die Mühe machen wird, Trumps Herausforderer tatsächlich nach journalistischen Standards zu behandeln. Schade.

So manches wäre mal eine Nachfrage wert. Als Biden zum Beispiel gefragt wird, ob es während der Rezession richtig sei, gegenüber kleinen und mittelständischen Unternehmen einen Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde zu fordern, antwortet er: Ja, und wir müssen ihnen einen Bailout anbieten. Ein staatlicher Bailout für Mindestlöhne? Eigentlich könnten Handelsblatt, Focus, Welt und co. da mal nachbohren. Trump hingegen fällt mit einer differenzierten Haltung zum Mindestlohn auf, will dessen Höhe den Staaten überlassen. Das ist auch die objektiv klügere Position, wenn man denn einen Mindestlohn befürwortet: Lebenshaltungskosten sind gerade in den USA von Staat zu Staat, von Region zu Region extrem unterschiedlich. Sowas wird durch die Qualitätspresse oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinen teuren Auslandsbüros natürlich behandelt wie eine heiße Kartoffel – bloß nicht anfassen. Gott bewahre, am Ende sichert ein Biden-kritischer Bericht in der Freitagsausgabe der „FAZ“ noch Trumps Wiederwahl.

Endlich Thema: Korruptionsvorwürfe gegen Biden

Lob von allen Seiten erhielt die NBC-Journalistin Kristen Welker, die die Debatte moderierte. Selbst Donald Trump zollte ihr Respekt. Welker brachte als erste Moderatorin die FBI-Ermittlungen gegen Joe Biden’s Sohn Hunter zur Sprache: Nachrichtenberichte über frühere Kommunikation zwischen Hunter Biden und seinen Geschäftspartnern warfen Fragen über Joe Bidens Wissen über diese ausländischen Geschäftsbeziehungen auf. Bidens Kampagne hat eine Beteiligung oder das Verdienen von Geld aus diesen Geschäften geleugnet. Trotz Aussagen ehemaliger Geschäftspartner des VP-Juniors, der behauptet, dass Biden von den fraglichen Geschäftspraktiken wusste, erklärt dieser das auf dem Podium einfach kurzerhand zu einer „russischen Hoax“ – das darf man nur, wenn man nicht Donald Trump heißt und die Mehrzahl der Medien fest hinter einem stehen. Ansonsten gehört hierzu viel Herumschwurbeln und Ausweichen.

In einem Wahlkampf ohne Kontroverse
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Welker thematisierte die Korruptionsaffäre rund um die Familie Biden, die unter anderem chinesische und ukrainische Geschäfte betrifft. Sie brach damit das dröhnende Schweigen der trumpfeindlichen US-Presse zu der Thematik, die langsam an Fahrt aufzunehmen scheint: Vor der Debatte verlas Hunter Bidens Ex-Geschäftspartner Tony Bobulinski ein Statement, in dem er Treffen mit dem damaligen US-Vizepräsidenten bestätigte. So sollen Bobulinski und die Bidens unter anderem Geschäftspläne in China diskutiert haben. Biden hatte Verwicklungen in die Geschäfte seines Sohnes immer abgestritten – Bobulinski erklärte, dies sei schlicht falsch, eine Lüge. Auch Stunden nach der Debatte schweigen linke Medienoutlets wie CNN die Affäre tot. Dort erklärt man stattdessen eine sehr ausgeglichene Debatte zu einem klaren Biden-Sieg und brüstet sich mit Faktenchecks darüber, dass Top-Demokratin Nancy Pelosi nach Trumps Reisebeschränkungen gegenüber China gar nicht wörtlich durch San Franciscos Chinatown „getänzelt“ sei, wie der Präsident sarkastisch übertreibend formuliert hatte – sie sei dort lediglich „herumgelaufen“. Das sind nicht Fake-News, das sind keine News.

Brisant war auch die Fracking-Frage, an der tausende amerikanische Jobs hängen. Biden äußerte in den Vorwahlen immer wieder, dass er das Fracking beenden wolle, ohne Rücksicht auf den Arbeitsplatzverlust. Jetzt im Wahlkampf, bei dem einige Fracking-Gebiete entscheidende Swing States sind, schwenkt er um, versucht das wieder zurückzunehmen. Im TV-Duell gestern leugnet er dann sogar, etwas Gegenteiliges gesagt zu haben, und fordert Trump auf, Beweisvideos seiner Anti-Fracking-Aussagen zu zeigen. Dieser Bitte ist er dankend nachgekommen. Ein großes Eigentor für Joe Biden.

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