Tichys Einblick
Deutsche Automanager klären Merkel auf

Italiens Verhandlungsmasse: Ohne seine Auto-Komponenten geht nichts

Die Automanager der großen deutschen Autokonzerne, haben Angela Merkel in einer Telefonkonferenz unmissverständlich klar gemacht, dass die Produktion nicht wieder anlaufen könne, während sich italienische oder spanische Zulieferer noch im Stillstand befänden.

imago images / Ralph Peters

Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die deutschen Zuliefererfirmen und die großen Autokonzerne ihre Förderbänder wieder starten und die Rolltore hochfahren – die Pandemie ist zwar noch da, ihr Ausgang weiter offen, und Opfer bringt und zählt tragischerweise fast jedes Land.

Aber nicht wenige Ärzte, Psychologen und Soziologen meinen, der langfristige Kollateralschaden innerhalb der Gesellschaften könnten noch gravierender werden,  so dass sich selbst Deutschland so schnell nicht mehr berappeln könnte – und von der Mundschutzmasken-Produktion in Zukunft, so wichtig sie auch sein mag, ernährt man kein Volk von 80 Millionen, das einen gewissen Lebensstandard gewöhnt war, und sich einer fast uferlose Zuwanderung verschrieben hat. Auch die Sozialkassen müssen wieder gefüllt werden.

Umso erstaunlicher, dass sich jüngst ausgerechnet die deutschen Sozialdemokraten Heiko Maas und Olaf Scholz in mehreren europäischen Tageszeitungen, als Heilsbringer der frohen Osterbotschaft präsentierten, darunter in der italienischen La Stampa. Tenor: Sie würden sich für Italien, Spanien und andere Nationen der EU sowieso stark machen, ob mit Corona-Bonds oder dem SURE-Paket, das Milliarden für die europaweite Kurzarbeit ganz sicher freischalten soll, ganz ohne Troika, ohne Kontrollen, unbürokratisch und vor allem schnell.

Die beiden wollten da im Sinne der Eigen-PR etwas als Großzügigkeit für Europa darstellen, was aber so gar nicht der Wahrheit entspricht. Italien mag zwar seit Jahren wegen diverser Gründe verschuldet sein, es hat aber auch noch etwas „Verhandlungsmasse“, nämlich seine starken Industriestandorte und seine Produktivität rund ums Automobil, was neulich ein interessanter Bericht im italienischen Fachmagazin Quattro Ruote (Vier Räder) auch offen aufgegriffen hat. Ohne die italienischen Komponenten läuft nämlich nichts.

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Das Selbstbewusstsein ist jedenfalls da. Wie das italienische Automobilmagazin und andere berichteten, hätten demnach die deutschen Automanager mit Angela Merkel in einer Telefonkonferenz richtig Klartext gesprochen und unmissverständlich klar gemacht, dass die Produktion ganz sicher nicht wieder anlaufen könne, während sich italienische oder spanische Zulieferer noch im Stillstand befänden.

So scheint es dann im Lichte dieser Information, als spiele auch die Bundeskanzlerin samt ihrer GroKo deshalb auf Zeit, und selbst die deutsche Autoindustrie hat es demnach noch nicht eilig, die Werkstore und Produktion wieder hochzufahren – denn Daimler, BMW, Audi, VW und andere sind eng mit Italien und Spanien verzahnt.

Dass hinter den Kulissen natürlich hart verhandelt wird auf EU-Ebene, ist klar. Die Frage ist nur, wer in dieser europäischen Debatte den Ton angibt und wirklich steuert. Wohl kaum die Politik, wie viele Experten meinen, die Industrie-Schlüsselspieler geben wohl den Takt vor. Und das, während sich immer noch Menschen infizieren mit dem Virus, oder einfach wegsterben – eine lähmende Atmosphäre.

Worauf Fachleute aus Industrie und Wirtschaft immer hinweisen: Auch die Beendigung des Shutdowns bedarf der Planung und braucht Zeit. Deshalb wären Abstimmungen mit den anderen Nationen, sowie ein mögliches Datum wichtig.

Das eine sind die Bürger, das andere die Produktivität. Die Menschen können sich ja weiterhin schützen, auf Abstand gehen, und dennoch mit Sicherheitsmaßnahmen im Job wieder aktiv in der Produktion mitwirken.

Die Länder Italien, Spanien und auch Frankreich erhoffen sich natürlich finanzielle Infusionen, um wieder auf die Beine zu kommen, und auch um die Arbeitnehmer und Kleinbetriebe ruhig zu halten. Deshalb wurde der beschwichtigende Auftritt von Maas und Scholz in den europäischen Zeitungen und Medien zwar wahrgenommen, aber eher als eine Art von Selbstverständlichkeit.

Die Botschaft der Chefs der drei Automobilgiganten VW, Daimler und BMW, so das italienische Fachmagazin, an Bundeskanzlerin Merkel war jedenfalls eindeutig: Es helfe nicht, wenn ein Land einen Schritt nach vorne macht, und dann aber in einem anderen, wie in Italien oder Spanien alles stehen bleibt.

Europäische Solidarität? Ja, aber der Preis ist entscheidend
Die Logik der „Just-in-Time“-Produktion hat dazu geführt, dass die Lieferketten in Europa stark integriert sind, und diese zumindest in der unmittelbaren Zukunft fast untrenn- und unlösbare Verbindungen geschaffen haben. Das Beispiel des Komponentenzulieferers MTA in Codogno zeigt, wie die plötzliche Einstellung der Produktion von elektromechanischen Komponenten dort nicht nur Fiat Chrysler, sondern auch Renault und PSA sowie BMW gefährdet hätten, um nur die wichtigsten Abnehmer zu nennen. Italien mag in den Medien und bei vielen Politikern zwar immer noch gern als der unzuverlässige oder unseriöse Bittsteller dargestellt werden. Doch in einigen der in Deutschland fertig produzierten „High-End-Modelle“ sind bis zu 20% italienische Komponenten enthalten.

Dabei handelt es sich nicht „nur“ um Leder oder Design-Materialien für den Innenraum, sondern auch um hochtechnologische, mechanische sowie elektronische Lösungen. Italiens Werkbank und die Automobil-Entwicklungszentren im Norden sind für die EU „troppo importante di fallire“ – zu wichtig, um zu scheitern.

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