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Österreich: SPÖ stürzt auf historischen Tiefstand

18 Prozent ist für die SPÖ ihr bisheriger Tiefstwert, mit 14 Prozent liegt die FPÖ so schlecht wie seit langem nicht.

SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Volkspartei 38 Prozent, SPÖ 18, Grüne 16, FPÖ 14, Neos 10. Das sind die Zahlen, welche die Tageszeitung ÖSTERREICH Freitag als Ergebnisse der aktuellen Umfrage des Research Affairs Instituts veröffentlichte (1.002 Befragte, Befragungszeitraum 22. bis 28. November). Mehr zu Umfragen in Österreich hier.

Verliert die SPÖ, profitieren Grüne und Neos. Ein vor allem urbanes Segment der Bürger von Österreich hat schon wiederholt durch sein Wahlverhalten gezeigt, dass es sehr leicht zwischen diesen drei Parteien wechseln kann.

Umfragen messen momentane Stimmungen, es ist richtig, das immer wieder zu betonen, um solchen Zahlen nicht mehr Bedeutung einzuräumen, als sie haben. Verfestigen sich Umfragezahlen über mittlere und längere Zeiten, sind sie ernster zu nehmen.

Um die aktuellen Umfragedaten einzuordnen, lohnt der Blick auf die letzten zwei Nationalratswahlen (erst 2019, dann 2017; Quelle Innenministerium Österreich):

Grüne 2019 minus Grünenabspalter Pilz 2017 = 9,5 Prozentpunkte. SPÖ 2017 minus SPÖ 2019 = 5,7. NEOS 2019 minus NEOS 2017 = 2,8. 5,7 plus 2,8 = 8,5. Die kleine Rechnung deutet die Beweglichkeit der Wähler zwischen SPÖ, Grünen und NEOS an. Auch wenn der Wähleraustausch komplizierter verläuft. Die FPÖ verlor von 2017 auf 2019 mit 9,8 Prozentpunkten mehr, als die Volkspartei mit 6 Punkten hinzugewann.

Hier ein Exkurs für Leser in Deutschland, die allzu schnell die österreichischen mit den deutschen Parteien 1:1 vergleichen:

Am einfachsten kann unterscheiden, wer hinschaut, woher die Anhänger und Wähler von FPÖ und AfD kommen. Das Gros der Mitglieder der AfD war vorher bei CDU und CSU, ein kleiner Teil bei FDP, SPD und NPD. Für die meisten Wähler dieser Partei gilt vergleichbares, wobei da die Zuwanderer von der SPD die relativ zweitgrößte Gruppe nach denen von den Unionsparteien stellen.

Das letzte ist die einzige Ähnlichkeit mit der FPÖ, wobei die Zuwanderer von den Sozialisten zur FPÖ ein Vielfaches der von SPD zu AfD sind. In Österreich ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die FPÖ die neue Arbeiterpartei ist. Hauptgrund dafür ist, dass einer überakademisierte Funktionärsschicht der SPÖ die Sprache der Arbeiter gar nicht mehr spricht. Und das sozialistische Milieu in Österreich war dem der historischen Vorläufer der FPÖ immer schon näher als beide „Lager“ dem der ÖVP. Dafür sorgte schon beider Gegnerschaft zur Habsburger Monarchie und dem sie tragenden katholisch-ständischen Lager.

Die FPÖ war kein Fluchtpunkt für Mitglieder und Wähler der ÖVP. Ohne die Flucht eines ganzen Flügels der Union zur AfD gäbe es diese gar nicht. Das ist der größte Unterschied zwischen AfD und FPÖ, an den deutsche Betrachter wohl gar nicht denken, wenn sie unbewusst Parallelen ziehen. Dass AfD und FPÖ gegen Massenzuwanderung sind, macht sie nicht zu gleichen Parteien, nicht einmal zu ähnlichen.

SPÖ und SPD hingegen sind tatsächlich recht vergleichbare Parteien. Für die Grünen in beiden Ländern gilt Ähnliches, wobei die wirkliche Auseinandersetzung zwischen Fundis und Realos bei den österreichischen Grünen noch bevorsteht, während diese bei den deutschen Grünen gegen die Realos ausging, worüber sich niemand durch die anders als Roth und Trittin auftretenden Habeck und Baerbock täuschen lassen sollte.

Zurück zur aktuellen Umfrage in Österreich. Sie fragte auch nach den gewünschten Koalitionen:

Screenshot e24.TV/ÖSTERREICH

Dass es sich bei der Mehrzahl der Bürger in Österreich um Realisten handelt, signalisieren die Antworten auf die Frage, ob sie vor Weihnachten mit einern neuen Regierung rechnen: 28 Prozent sagen ja, 72 nein.

Das kann noch sehr spannend werden.

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