Tichys Einblick
Political Correctness

Moral gegen Mäzene

Der Kampf um Political Correctness und gegen Donald Trump erreicht das weltberühmte Museum of Modern Art: Es soll sich von Förderern trennen, die ihr Geld als Investoren mit Gefängnisaktien verdient haben. Andere Museen wollen kein Geld mehr von der Pharmadynastie der Sacklers.

imago images / Chai von der Laage

„There is blood on this art!“ („An dieser Kunst klebt Blut!“) brüllten Demonstranten in die Lobby des Museum of Modern Art (MoMa), als am 7. März gerade die prominenten Gäste zum jährlichen Mittagessen des David Rockefeller Award eintrafen. Nicht um „Blutdiamanten“ ging es, die in Afrika von Kindern unter grauenvollen Bedingungen in den von brutalen Killermilizen betriebenen Minen gefördert werden. Diesmal ging es um die Förderer der Kunst, die im MoMa hängt.

Die Proteste richteten sich zum Beispiel gegen den Preisträger des Rockefeller Award, Brian Moynihan, Vorstandsvorsitzender der Bank of America. Moynihans Vergehen: Die Bank of America hat Kredite an private Gefängnisunternehmen vergeben. Zuvor waren bereits Demonstranten ins MoMA „spaziert“, die mit der faktischen Blockade des Museums erreichen wollten, dass Larry Fink aus dem Vorstand der MoMa-Stiftung abberufen wird, in der er als Sponsor und Treuhänder seit vielen Jahren engagiert ist.

Laurence „Larry“ Douglas Fink ist Gründer und beherrschende Figur von Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, und gilt als „mächtigster Mann der Wall Street“. Wie Moynihan wird ihm die Finanzierung privater Gefängnisse vorgeworfen; tatsächlich ist Blackrock der zweitgrößten Aktionär der Gefängnisgesellschaften Core-Civic und Geo Group, die wiederum die zweitgrößten privaten Gefängnisbetreiber Amerikas sind.

Aus Investorensicht ist das ein durchaus sinnvolles Engagement: Seit Präsident Donald Trump eine strikte Law-and-Order-Politik durchzieht, ist ein „goldenes Zeitalter“ (CNN) für Privatgefängnisse angebrochen. Der Vorwurf ist dann aber doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen: Trump lasse Kriminelle einzig zu dem Zweck verfolgen und einsperren, damit seine Wahlkampfunterstützer mit privat finanzierten Gefängnissen Kasse machen könnten. In diesen herrschten menschenunwürdige Verhältnisse.

Private Betreiber von Gefängnissen

Privatwirtschaftliche Gefängnisse sind nicht erst sein Trump existent. In den 1980er-Jahren initiierte die Regierung Reagan eine Privatisierungskampagne. In 13 Jahren entstanden 270.000 Insassenplätze. Core-Civic spielte unter den Namen Corrections Corporation of America (CCA) von Anfang an mit. Die private Gefängnisindustrie wuchs immer weiter und mit ihr auch die Schlagzeilen über angeblich schlechte Haftbedingungen. In der Netflix-Serie „Orange Is the New Black“ erlangte sie sogar filmischen Ruhm. Barack Obama wiederum forderte eine Strafrechtsreform, mit der Strafen verkürzt werden sollten. Dieser Plan und die Ankündigung von Obamas Justizministerin Sally Yates, die Verträge mit den privaten Betreibern auslaufen zu lassen, brachte die Aktien zum Absturz – denn die Zahl der Häftlinge hätte sich erheblich reduziert.

Auf Obama folgte Trump und das Ende der Justizministerin Sally Yates. Trump kehrte nach der von Obama verfolgten Lockerung der Strafverfolgung zum Three-Strikes-Prinzip zurück: Auch bei geringen Vergehen folgt auf die dritte Straftat unweigerlich Gefängnis. Damit wird vermieden, was in Deutschland üblich ist: ellenlange Vorstrafenregister ohne tatsächliche Bestrafung.

Die USA haben durch den Politikwechsel mittlerweile fast zehnmal so viele Häftlinge wie Deutschland (bezogen auf 100.000 Einwohner). Zum Vergleich (Stand 2016): In Russland gibt es 420, in der Volksrepublik China 118, in Deutschland 77 Gefangene je 100.000 Einwohner. In den USA sind es 666. Die Politik der inneren Sicherheit verschränkt sich mit privatem Geschäft: Die privaten Gefängnisunternehmen hatten Trumps Wahlkampf unterstützt: So spendeten Core-Civic 254.000 Dollar und die Geo Group 1,1 Millionen Dollar für den Wahlkampf der Republikaner. Core-Civic spendierte dann noch einmal 250 000 Dollar für Trumps Vereidigungsfeiern.

Es scheint sich gelohnt zu haben. Verfolgt man die Aktienkurse der letzten drei Jahre, fällt ins Auge, dass Core-Civic und die Geo Group im Spätsommer 2016 einen starken Abstieg erlitten, was Obamas Politik geschuldet war. Dann, mit Trumps Wahlsieg im November 2016, stiegen abrupt ihre Aktienkurse. Während des Rückgangs der illegalen Einwanderung ab November 2018 sanken die Aktienkurse, die im Dezember einen Tiefpunkt erreichten. Doch mit jeder Verschärfung der Einwanderungspolitik durch Trump erlebten die Aktien einen enormen Aufschwung.

Jeder Tweet Trumps über die Verschärfung von Strafen für illegale Einwanderer scheint den Aktien Auftrieb zu verleihen. Durch seine Politik kurbelt er das Geschäft der privaten Gefängnisse – gewollt oder ungewollt – an und verschafft damit seinen Wahlkampfspendern ein finanzielles Geschenk. Auch der Ausruf des Notstands für den Mauerbau an der Grenze hat zumindest für Gefängnisaktionäre durchaus erwünschte Folgen. Denn bei solch einem Aufruf ist absehbar, dass kurzfristig massenhaft Migranten ihre Chance nutzen wollen, über die Grenze zu gelangen, bevor ihnen diese mit Beton verbaut wird – und die, die dabei geschnappt werden, landen in Gefängnissen. Illegale Einwanderer müssen vorübergehend untergebracht oder eingesperrt werden, was wiederum der Abschreckung dient. Laut Fox News zahlt die Regierung den privaten Gefängnisbetreibern pro Insasse circa 23.000 Dollar im Jahr. Der „New York Times“ zufolge erzielte die Geo Group 2017 einen Umsatz von 2,3 Milliarden Dollar und Core-Civic 1,8 Milliarden.

Der Konflikt um das MoMA

Viele der Gefängnisse liegen in abgelegenen Regionen, wo die Bodenpreise niedrig sind und das Personal preiswert. Doch der Konflikt entzündet sich politisch in New York. Dort sitzt, wie erwähnt, Larry Fink im Vorstand des MoMa. Zudem wird die Pensionskasse der Museumsangestellten von Fidelity Investments verwaltet, die ebenfalls in Core-Civic und Geo Group investiert sind.

Mit dem Widerstand gegen Blackrock, Fidelity und die Bank of America gerät nun plötzlich die Finanzierung des MoMa ins Rutschen, das wie die meisten amerikanischen Kultureinrichtungen kaum mit öffentlichen, dafür aber aus zahlreichen privaten Spenden unterstützt wird. Allein durch „Corporate Membership“ beziehungsweise die Mitgliedschaftsspenden von Unternehmen wie der Bank of America, Blackrock, JP Morgan Chase und Morgan Stanley fließt jährlich pro Unternehmen ein fünfstelliger Betrag ins Museum.

Für „Benefit Events“ spendeten Blackrock sowie Larry Fink persönlich (und seine Frau Lori) von 2016 bis 2018 zusammengerechnet 450.000 Dollar. Morgan Stanley spendete für „Benefit Events“ im Zeitraum in den Jahren 2017 bis 2018 etwa 67.000 Dollar, und auch JP Morgan Chase und die Bank of America legten für „Benefit Events“ noch einmal fünfstellige Summen zusätzlich auf den Tisch.

„Befreiung vom schmutzigen Geld“

Das MoMa ist nicht der einzige Kulturtempel, der sich nach Ansicht der Aktivisten von angeblich „schmutzigem Geld“ befreien soll. Die Liste der Finanzinvestoren in Core-Civic und Geo Group ist lang, und sie alle sind Sponsoren einer Vielzahl von kulturellen Einrichtungen. Die Frage ist, ob der Druck der Aktivisten zur „Säuberung“ der Museumsbilanzen erfolgreich sein kann. Das Metropolitan Museum of Art und das Solomon R. Guggenheim Museum standen wegen der Zuwendungen der Sackler-Familie in der Kritik. Den Sacklers gehört der Pharmakonzern Purdue, dessen erfolgreichstes Produkt, das Schmerzmittel Oxycontin, als Hauptverursacher der amerikanischen Opioid-Epidemie gilt. Seit das Medikament 1995 auf den Markt kam, hat sich die Zahl der Opioidopfer jedenfalls versechsfacht. Schon 2007 musste das Unternehmen wegen zu aggressiver Werbung über 600 Millionen Dollar Strafe bezahlen. In diesem Jahr nun wurden die Sacklers erstmals persönlich verklagt.

Manche Museumsdirektoren bekommen deshalb nun Bauchschmerzen, wenn sie an die Plaketten denken, die an die großzügigen Mäzene erinnern: Das Metropolitan Museum hat einen „Sackler-Flügel“, das Guggenheim Museum ein „Sackler-Zentrum“, auch den Louvre ziert ein „Sackler-Flügel“. Da spielt auch keine Rolle, dass zum Beispiel das Metropolitan Museum seine Zuwendung rund 30 Jahre vor der Markteinführung von Oxycontin erhielt.

Nach der Anklageerhebung nimmt nicht nur das Guggenheim keine Sackler-Unterstützungszahlungen mehr an, sondern auch die National Portrait Gallery sowie die Tate Gallery in London und das Jüdische Museum in Berlin. Damit tobt jetzt ein Kampf nicht mehr um Spendengelder, sondern es ist eine Suche der Mäzene nach Institutionen geworden, die die Millionen noch annehmen. Das MoMA beispielsweise hat auf die Forderung der Museumsbesetzer gar nicht erst reagiert, steht philantropischem Engagement unabhängig von der Quelle offensichtlich also noch aufgeschlossen gegenüber.

Abou Farman, Assistenzprofessor an der New School und Initiator der Museumsbesetzer-Initiative „Art Space Sanctuary“, bestätigt das indirekt, wenn er berichtet, dass weder das MoMA noch Blackrock zu einer Stellungnahme zu bewegen waren. Farman: „Unsere kulturellen Einrichtungen verhalten sich unterwürfig gegenüber den Oligarchen und nehmen gern jedes noch so schmutzige Geld.“

Das Ganze steuert auf ein Dilemma zu: Die Kulturinstitutionen sind auf reiche Spender angewiesen, da es kaum öffentliche Zuwendungen gibt. Museen und Konzertsäle können es sich deshalb nicht leisten, zu neuen Moralkampfgebieten zu werden, auf denen der Widerstand gegen Donald Trump ausgetragen, das Big Business moralisch hinterfragt und über den Umgang mit Kriminalität gestritten wird.

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