Tichys Einblick
WhatsApp von der Front

Matussek in Syrien

Matussek verspricht, weitere Fotos zu schicken, dann bricht das Gespräch ab. Irgendein Checkpoint in der Wüste. Da wäre telefonieren nicht so gut, sagt Matussek und „Bis Später!“.

© Matthias Matussek

„Matthias Matussek zieht in den Krieg“ ist sicher irgendwann schon mal von irgendwem als Schlagzeile behauptet worden. Nun macht es der 64-Jährige tatsächlich: mit dem Flieger Hamburg-Beirut und dann mit wackeligem Bus Richtung Damaskus und irgendwie an die Frontlinie durchschlagen oder was davon übrig ist.

Was dann allerdings per WhatsApp an Fotomaterial kommt, ist verstörend: lange Tische, die sich von der Fülle an erlesenen Speisen schon biegen, hochprozentiger Raki eimerweise und sommerlich bekleidete fröhliche junge Mädchen neben Männern, die Hamburger Journalisten von einem Raki zum anderen einladen wollen. Erste Frage hier: Hat Assad WhatsApp und Co nicht abgestellt oder sind die Sendemasten der Nachbarstaaten so übermächtig?

Matthias Matussek wagt sich mit dem Instinkt des Reporters an den Rand des Kraters, wohl ahnend, dass es in Kürze eine Entscheidung geben wird rund um die letzte Enklave der Rebellen in Idlib. Cineastisch und von ganz weit weg betrachtet, wirkt das alles wie eine Umkehrung des Hollywood-Blockbusters Havanna, wo Robert Redfort als Pokerspieler Jack Weil den Untergang der Stadt und den Einzug der Revolutionäre erlebt, oder wie in The Deer Hunter, wo der Vietkong schon vor der Tür steht, als die Kolonialfranzosen ihre letzte große Sause in Indochina feiern, bevor dann auch Saigon fällt. Havanna, Saigon – und mit anderen Vorzeichen: Idlib.

Zu Hause in diesem Deutschland, wo hunderttausende Syrer angekommen sind, sperrt sich die SPD gerade gegenüber militärischer Interventionen der Bundeswehr in diesem letzten Gefecht gegen Assad. Zynisch möchte man anmerken, die Sozialdemokraten wollen keinen Mehrfrontenkrieg, denn aktuell bekriegen sie Merkel, Seehofer und sich selbst.

Matussek schickt immer mehr Fotos. Eine Muslima ist zu sehen, die ihm auf dem Smartphone diese gruseligen IS-Kämpfer aus Idlib zeigt. Anrufe aus dem fahrenden Auto. Die Nacht zuvor hätte man in einem Kloster geschlafen, dass noch vor kurzem nur fünfhundert Meter von der Front entfernt lag. Geschützdonner in der Nacht. Dann die Einladung eines Unternehmers in dessen komfortables Haus. Später eine Fahrt dorthin, wo Giftgas viele Menschen tötete und die USA zur Vergeltung ihre Raketen hinschossen. Ausgebrannte Panzer am Straßenrand. Die Kuppeln der Moscheen angefressen von tiefen Einschusslöchern.

Aber das eigentliche Ziel liegt noch vor Matthias Matussek, berichtet er am Telefon – übrigens bei bester Verbindung über WhatApp-Telefonie – „Es geht an die Wiege der Christenheit!“ Ein Ort, der gerade noch heftig umkämpft gewesen wäre. Matussek verspricht weitere Fotos zu schicken, dann bricht das Gespräch ab. Irgendein Checkpoint in der Wüste. Da wäre telefonieren nicht so gut, sagt Matussek und „Bis Später!“.