Tichys Einblick
Separatisten klagen Deutschland an

Katalonien: Führt Puigdemont alle hinters Licht?

Die Festnahme von Carles Puigdemont danken die meisten Spanier den Deutschen. Warum der Separatist in die Falle lief, bleibt fraglich. Stefanie Claudia Müller, Madrid

© JOSEP LAGO/AFP/Getty Images

Montag. Wochenanfang. Kein Problem. Karl Jacobi geht es prima und das, obwohl der deutsche Unternehmer gestern gefeiert hat, was das Zeug hält. Im Park von Marsme, im südöstlichen Teil von Barcelona, hat er ordentlich die Korken knallen lassen. Es wurde sogar gesungen. Grund: Die Festnahme von Carles Puigdemont in Deutschland. Ein „katalanischer Nazi“ wie er findet. Für die Separatisten ist dieser „Nazi“ jedoch ein Held, deswegen wurde am Sonntagabend auf den Straβen von Barcelona von Tausenden gegen seine Festnahme protestiert. Einige Demo-Teilnehmer sahen eher in Merkel den Nazi und zeigten Plakate von ihr mit dem Hitler-Schnurrbart. „Wir fordern Deutschland auf, Präsident Puigdemont nicht für Verbrechen auszuliefern, die aus einem politischen Grund erfunden wurden“, erklärte die Separatistenorganisation ANC, die zu diesem Protest aufgerufen hatte.

Für viele kam die Nachricht der Verhaftung gestern überraschend: „Dabei schweben seit Wochen juristische Verfahren gegen Herrn Puigdemont. Dass er jetzt bei uns aufgegriffen wurde, bedeutet, dass Deutschland den europäischen Haftbefehl Ernst nimmt und sich zunächst jedenfalls den spanischen Straftatbestand der Rebellion zu eigen macht.”

Spaniens Zentralregierung begrüβt Festnahme Puigdemonts

Mariano Rajoy ist in jedem Fall erstmal froh, dass einer der Drahtzieher der katalanischen Separatisten-Bewegung von den Deutschen auf Hinweise des spanischen Geheimdienstes verhaftet wurde. Der Führer der spanischen Partei „Ciudadanos“ (Bürger), Albert Rivera geht noch weiter uner schreibt in seinem Twitter: “Die Flucht des Putschisten Puigdemont ist vorbei.“

Aber der in Madrid ansässige deutsche Rechtsanwalt Georg Abegg fragt sich, wie es möglich ist, dass Puigdemont in die Falle tappte und was wirklich hinter der Festnahme steckt: „Er hat eine Schar von Rechtsanwälten um sich herum. Es war klar, dass Deutschland ihn aufgrund unserer Gesetze festnehmen würde. Warum ist er dieses Risiko eingegangen?“ Was damit definitiv erreicht wurde: Der Konflikt ist jetzt auch in Deutschland, beim gröβten EU-Mitglied auf dem Tisch. Es könnte aber auch eine weitere Aktion der Separatisten sein, sich als Opfer der Madrider Regierung darzustellen und damit die Bewegung für eine katalanische Republik weiter voranzubringen. Was auch bekräftigt wird dadurch, dass Puigdemonts Partei Junts per Catalunya weiter an ihm als Kandidaten festhält, obwohl das jetzt noch absurder ist als vorher, glaubt der deutsche Ökonom Jürgen Donges: „Es wäre alles ganz einfach, wenn die Separatisten nicht in immer wieder in diese Opferrolle verfallen würden“.

Verhaftung treibt Regierungsbildung in Katalonien voran

In jedem Fall hat die Verhaftung dazu beigetragen, dass jetzt aktiv über neue Wege der katalanischen Regierungsbildung nachgedacht werden muss, vielleicht auch in Europa. Seit dem 21. Dezember 2017 warten die Katalanen darauf, dass endlich eine neue Regierung gebildet wird und damit auch der Artikel 155, die Aussetzung der Autonomie wieder ausgehebelt wird und Spaniens bedeutendste Wirtschaftsregion wieder voll funktionieren kann. Auch wenn derzeit die Aussagen von einer und der anderen Partei noch konfus sind, „es ist klar, dass wir so nicht weitermachen können“, sagt Miquel Iceta von den katalanischen Sozialisten PSC.

Er wäre nach ersten Äuβerungen bereit, eine Regierung zu bilden mit Esquerra Republicana, die zwar auch für die Unabhängigkeit sind, diese aber nicht als ihr primäres Ziel ansehen. An einer solchen Regierung würde auch Catalunya en comú – Podem teilnehmen, wie sie Tichys Einblick berichten. Da die separatistische Partei CUP nur Puigdemont als Kandidaten akzeptiert und es ohne sie im Parlament keine Mehrheit gibt, ist die andere Möglichkeit, dass die Separatisten einen anderen, nicht inhaftierten Kandidaten im Konsens mit den anderen Parteien nominieren. Aber für Jacobi reicht das nicht: „Ich will mit Rajoy persönlich sprechen und ihm eine andere Lösung vorschlagen, die sich mit dem ganzen Land und seiner Ordnung befasst. Denn der Fisch stinkt vom Kopf her.“