Tichys Einblick
Terrorgefahr

Jihadisten haben es auf Spanien abgesehen

Die Iberische Halbinsel befindet sich seit jeher im Fokus der arabischen Extremisten. Jetzt wurde erstmals eine Isis-Terrorzelle in 17 spanischen Gefängnissen aufgedeckt.

© Getty Images

Spanien ist gerade wie Deutschland mit sich selbst beschäftigt. In diesem allgemeinen Chaos, das genährt wird durch politische Instabilität, lodern noch ganz andere Gefahren. Die spanische Polizei hat gerade einen Ring von Jihadisten aufgedeckt. In 17 spanischen Gefängnissen wurden 25 verschiedene Insassen in der Operation „Escribano“ erfasst. Ob sie konkrete Anschläge geplant haben, ist noch nicht klar. Die meisten von ihnen waren im Sicherheitsbereich A untergebracht. Sie unterstanden damit der höchsten Kontrollstufe.

Der Kopf des Netzwerkes sind Kriminelle mit marokkanischem Hintergrund. Aufgedeckt wurde das Netzwerk gemäβ spanischer Zeitungsberichte durch eingeschleuste Agenten des nationalen Geheimdienstes CNI. Nach Aussagen des spanischen Innenministeriums ist es jetzt das erste Mal, das ein Isis- Netzwerk solchen Umfangs in einem europäischen Gefängnis aufgedeckt wird.

Die Verdächtigten haben wie alle anderen Gefangenen keinen Zugang zu Handys und Internet. Ihre Kommunikation lief über die Gefängis-Post und auch über die Weitergabe von sprachlichen Mitteilungen durch andere Gefangene. Gespräche zwischen Insassen dürfen nur auf richterliche Anordnung abgehört werden und auch nicht aller Schriftverkehr wird kontrolliert: „Die persönlichen in der spanischen Verfassung verankerten Rechte des Gefangenen stehen im Vordergrund“, sagt Sicherheitsexperte Fernando Cocho, an der Madrider Autonomen Universität lehrend. Erschwerend käme hinzu, dass die Konversationen auf Papier oft in einer Art Geheimsprache erfolgen oder in einem arabischen Dialekt, für den es keinen Übersetzer gäbe.

Spanien hat mit die meisten einsitzenden Isis-Terroristen in Europa

Unter den Beteiligten an diesem Isis-Rekrutierungs-Netzwerk ist auch Jamal Zougam, einer der wenigen überlebenden Attentäter des Anschlags vom 11. März 2004 in Madrid, bei dem über 200 Personen ihr Leben verloren, sowie Abderraman Tahiri, der im gleichen Jahr unter anderem einen Lastwagenanschlag gegen den spanischen Gerichtshof plante. Unter den Verdächtigen ist auch Hassan El Haski, ebenfalls einer der Attentäter vom 11. März. Nach Ablauf seiner Strafe soll der Marokkaner wieder in sein Land abgeschoben werden. Dieser Prozess könnte durch die neusten Erkenntnisse beschleunigt werden, da die vielen inhaftierten Terroristen eine Zeitbombe für Spanien darstellen – insgesamt sind es nach Angaben des spanischen Innenministeriums 270. 2014 waren es gerade mal rund 50, fast alle gehörten der Al Qaeda an.

In einem Jahr stieg die Zahl um 25 Prozent an. Es handelt sich vor allem um Männer zwischen 20 und 52 Jahren, wie aus dem Innenministerium zu erfahren ist. Es erklärt sich aus dem Kontext, dass Spanien seit 2014 das Sicherheitsprotokoll erneut ausgeweitet hat, auch aufgrund der Nähe der iberischen Halbinsel zum Maghreb, von wo derzeit die meisten Isis-Terroristen kommen. Carola García-Calvo, Sicherheitsexpertin beim Madrider Think Tank Real Instiuto Elcano besteht aber darauf, dass Untersuchungen zeigten, dass die illegale Einwanderung von Marokko, welche derzeit massiv über die Meeresenge von Gibraltar erfolgt, mit der hohen Zahl der inhaftierten Terroristen nichts zu tun habe: „In Spanien wie auch anderswo sind die Drahtzieher fast immer Ausländer, die bereits seit langem in dem Land leben, wo sie ein Attentat planen“. Der letzte Anschlag auf Spanien fand erst vor mehr als einem Jahr in Barcelona statt: „Wir stehen ohne Zweifel im Fokus“; sagt García-Calvo.

Die Hassliebe der Araber zu Spanien

Was genau von dem Netzwerk geplant war, ist noch nicht bekannt. Sicher ist aber, dass Spaniens Beziehung zu den arabischen Ländern aus geschichtlichen Gründen offener ist als das anderer europäischer Nachbarn und damit auch der Kampf gegen den Terror für die Spanier eigentlich einfacher sein sollte. Der im Jahr 2015 abgedankte König Juan Carlos pflegte gute Beziehungen zu Marokko und auch zu Saudi Arabien. „Aber es war immer eine Hassliebe. Sie respektieren uns, weil wir fast 800 Jahre zusammengelebt haben und unsere Kultur arabisch geprägt ist. Die Hoffnung auf die Rückeroberung der Halbinsel schwirrt in den Köpfen dieser global agierenden Terroristen durchaus herum“, sagt Cocho.

Die Beziehung Spaniens zum Maghreb ist aufgrund vieler wirtschaftlicher Interessen und auch militärischer Gefahren kompliziert. Marokko, das vor einem Jahr seinen ersten Spion-Satelitten zur Sammlung militärischer Informationen ins All geschossen hat, spielt immer wieder seine strategische Macht gegenüber der spanischen Regierung aus. Der marokkanische König kämpft offiziell aufs Härteste gegen Jihadisten. Dass diese aber dennoch in spanischen Gefängnissen eine Zeitbombe darstellen und bei ihrer Freilassung damit zu rechnen ist, dass sie weitermachen, glaubt auch García-Calvo: „Es laufen Programme der Entradikalisierung, aber bisher sind diese nicht sehr erfolgreich und nur solche, die keinen spanischen Pass haben, können nach Ablauf oder während des Vollzugs ausgewiesen werden“.