Tichys Einblick
Der lange Arm des Terrors

Terror vom 7. Oktober: Woher Agenturen und Medien die Bilder aus Tätersicht bezogen

Zum Terrorangriff der Hamas gehörte auch die Verbreitung seiner Bilder. Sechs Photographen aus Gaza waren live dabei, als die Terroristen den Grenzzaun durchbrachen und in Israel auf Mordtour gingen. Doch wie erfuhren sie davon? Und was wussten ihre Agenturen, AP und Reuters?

Screenprint: via X

Es ist ein unglaublicher Vorwurf, der aber durchaus glaubhaft ist, dadurch nicht weniger monströs. Vier namentlich bekannte Photographen aus dem Gazastreifen hatten anscheinend Gelegenheit, den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober direkt mitzuerleben, Bilder davon zu machen und sie an international tätige Agenturen wie Associated Press und Reuters zu verkaufen. Die Photographen sind durch die Urheberangaben namentlich bekannt: Es geht um Hassan Eslaiah, Yousef Masoud, Ali Mahmud und Hatem Ali für AP, außerdem Mohammed Fayq Abu Mostafa and Yasser Qudih für Reuters, wie die unabhängige Organisation HonestReporting berichtet. HonestReporting entstand ursprünglich als kritischer Newsletter in Großbritannien, wurde 2003 in Kanada als „unabhängige, gemeinnützige (non-profit) Organisation“ umgewandelt und gilt seit 2006 als „unabhängige wohltätige Organisation“ in Israel. Die Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, unausgewogene Presseberichte über Israel aufzudecken. Und darum soll es auch in diesem Fall letztlich gehen.

Erfahrene Medienpraktiker wissen es seit Jahren: Sucht man nach einem Bild zu einem Text, der vielleicht gerade nicht von vornherein Israel kritisiert, wird es häufig schwer. Denn die überwältigende Masse der Pressephotos zeigen und bebildern meist vorgebliche israelische Verbrechen an palästinensischen Kindern, Frauen oder Zivilisten. Die Gegenseite wird weitaus seltener gezeigt oder zum Kauf angeboten. Die nun aufgedeckten Zusammenhänge zeigen, warum das teilweise so ist.

Denn im Fall des Angriffs vom 7. Oktober befanden sich die sechs arabischen Photojournalisten wirklich in allernächster Nähe der Hamas-Operation, agierten fast wie „eingebettete“ Photographen im Sinne des „embedded journalism“, indem sie nicht von der Seite der palästinensischen Terroristen wichen, was immer die auch taten. Diese Art des Journalismus kann fraglos Einblicke bieten, die man sonst nicht erhielte. So auch in diesem Fall. Aber die Nähe zu den handelnden Akteuren, die in diesem Fall gerade einen hasserfüllten, brutalen Terrorkrieg gegen Israel begannen, darf man als durchaus problematisch empfinden.

Photographen waren dabei, als die Hamas Israel überfiel

Zunächst schien es so, dass vor allem die Terroristen selbst für die Aufnahmen und Bilder gesorgt hätten, die seit dem ersten Tag des Angriffs im Netz waren, während andere weniger präsentable im israelischen Parlament gezeigt wurden. Auch die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) veröffentlichten Bilder von den Körperkameras der Terroristen, um das Geschehen fassbar zu machen, nicht zuletzt um es vor den Augen der Welt zu belegen. Zuvor hatten Bilder von den Social-Media-Profilen der angegriffenen Israelis die Runde gemacht. Die Hamas-Angreifer hatten sich teils die Smartphones gegriffen und ihre grausamen Taten live gestreamt. Auch dies erscheint wie ein vorab geplanter Schritt – ein integraler Tat des Terror-Angriffs, denn der kann nur wirken, wenn der Terror möglich weit verbreitet wird.

Inzwischen fielen aber die Namen der vier Photographen auf den Pressebildern der Agenturen AP und Reuters auf, bei denen es sich keineswegs um Laien und Dilettanten handelte, sondern um professionelle Freelancer, die auch für CNN und andere westliche Medien gearbeitet haben. Die vier Männer – durch ihre Namen als Araber ausgewiesen – begleiteten die Terroristen auf ihren Mordzügen, machten die bekannten Bilder eines eroberten Panzers und verbreiteten sie. Sie dokumentierten, wie knapp zwei dutzend Hamas-Männer sich am 7. Oktober Zugang zum Kibbuz Kfar Azza verschafften, auf Fahrrädern; ihre Kampfausrüstung hatten sie offenbar in Rucksäcken dabei. Dieses Bild stammt von Hassan Eslaiah, der – wie noch zu sehen sein wird – ein intimer Freund der Hamas-Führung ist. Daneben gibt es Bilder, die zeigen, wie blutüberströmte Kibbuz-Bewohner von den Terroristen entführt werden.

Anderswo sieht man, wie Israelis auf Golfwagen entführt werden – diese Bilder stammen von Hatem Ali, auch einer der vier Photographen in AP-Diensten. Yousef Masoud konnte ablichten, wie Hamas-Kämpfer einen israelischen Panzer symbolisch besteigen. Masoud arbeitet auch für die New York Times, die ihr eigenes Hamas- und Hitler-Problem haben könnte, wie eine weitere Recherche von HonestReporting nahelegt.

Screenshot aus dem AP-Bericht vom 8. Oktober 2023: Israelis werden in Golfwagen entführt https://apnews.com/article/israel-palestinians-gaza-hamas-rockets-airstrikes-tel-aviv-11fb98655c256d54ecb5329284fc37d2

Screenshot aus dem AP-Bericht vom 8. Oktober 2023: Hamas-Kämpfer auf einem IDF-Panzer https://apnews.com/article/israel-palestinians-gaza-hamas-rockets-airstrikes-tel-aviv-11fb98655c256d54ecb5329284fc37d2

HonestReporting hat daneben den Screenshot eines X-Tweets veröffentlicht, auf dem auch Hassan Eslaiah vor dem nämlichen eroberten Panzer steht. Mindestens zwei der Photographen, die regelmäßig für AP, CNN oder die NY Times arbeiten, waren also offenbar dabei, als den Hamas-Kämpfern dieser Coup gelang.

Auch die Bilder von Shani Louk stammen von dieser Entourage

Ein weiteres emblematisches Bild des Terror-Angriffs schoss Ali Mahmud: die Entführung des vermutlich schon toten Körpers der Deutschen Shani Louk auf der Ladefläche eines weißen Pickups.

Auf einigen Bildern in der AP-Datenbank fehlen die Photographennamen – vielleicht um die Umstände ihrer Entstehung zu verklären. Doch AP steht keineswegs alleine da mit seinen exklusiven Bildern vom Terror gegen Israelis, die sicher zum Geschäft von Medien und Nachrichtenagenturen gehören. Auch die konkurrierende Agentur Reuters veröffentlichte Bilder zweier Photojournalisten, die wiederum zufällig zur genau richtigen Zeit am richtigen Ort waren, nämlich der Grenze zwischen Gazastreifen und Israel. Auch sie photographierten den brennenden Panzer der israelischen Verteidigungskräfte. Daneben gibt es das Bild zahlreicher Hamas-Kämpfer, die den Leichnam eines israelischen Soldaten aus einem Panzer zerren, sich brutal, wie über eine Beute über ihn hermachen. Reuters sah das als eines der „Bilder des Tages“ an.

Das ist skandalös genug. Doch der eigentliche Skandal liegt tiefer. Denn es mag, wie angedeutet, die Aufgabe von Nachrichtenagenturen sein, die Ereignisse eines solchen Tags aus allen möglichen Perspektiven zu beleuchten und auch im Bild zu zeigen. Aber genauso wie der Angriff selbst, war auch seine Veröffentlichung aus der Täterperspektive von der Hamas-Führung lange im Voraus geplant worden. Die freien Photographen wurden an dieser Stelle offenbar zum nützlichen Instrument in der Hand der Terroristen. Was aber noch schwerer wiegt: Sie waren offenbar vorab eingeweiht worden. Denn weshalb waren sie sonst zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Wie lange im Vorhinein sie von dem geplanten Angriff wussten, ist nicht klar. Aber in jedem Fall waren die Photographen damit Mitwisser der grauenvollen Taten in israelischen Kibbuzim und Dörfern entlang der Grenze geworden, die sie ja auch pflichtgemäß für die Nachwelt abbildeten.

Die nächste Frage, die sich stellt, ist, wann die Photographen mit den beteiligten Agenturen sprachen, um ihnen die Bilder anzubieten. Freilich unterhalten Agenturen wie AP ohnehin Büros im Gazastreifen, wo sich gelegentlich auch enge Berührungspunkte mit der Hamas ergaben, wie etwa die New York Post vor zwei Jahren herausfand.

Reuters dementiert das Vorabwissen – Problem Transparenz

Dass eine Agentur solche Bilder – selbst wenn sie das Tun von Terroristen zeigen – akzeptiert und veröffentlicht, ist wiederum aus der Marktlogik verständlich. Problematisch wäre ein Vorherrschen von Bildern aus der Täterperspektive, wie man es durchaus empfinden kann, wenn man verschiedene Berichte noch einmal Revue passieren lässt. Man muss sich nur vorstellen, welchen Aufruhr ein ähnliches Verhalten im Fall der Attentate auf das World Trade Center oder die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo gehabt hätten. Vermutlich hätte jeder amerikanische oder französische Redakteur große Manschetten gehabt, wenn er solche Bilder hätte veröffentlichen sollen. Das wäre nicht ohne vorgezogene Entschuldigungen und Abbitten beim Publikum geschehen. In diesem Fall war es anscheinend gelebte „Normalität“, und man kann das auch als Hinweis auf die geringe Empathie mit Israel werten, die anscheinend in vielen Medienhäusern und Agenturen herrscht.

Auch in Israel handelte es sich ja zunächst und vor allem um einen Terrorangriff, bei dem unschuldige Zivilisten zum Opfer eines blutigen Angriffs aus dem Hinterhalt wurden. Dass man darüber berichten musste, ist klar, aber die Quellen sollten deutlich offengelegt werden. Das geschah im Fall der gesehenen Berichte von AP und Reuters nicht, während es bei Veröffentlichungen der Israeli Defense Forces (IDF) – wie hier der „Israeli video compilation“ von Hamas-Untaten bei AP – natürlich der Fall war.

Noch gravierender wiegt freilich der Vorwurf, dass Photographen und vielleicht sogar westliche Agenturen im Voraus von dem Angriff wussten. Reuters hat das inzwischen verneint. Hätten sie solches Wissen gehabt, dann hätten sie ohne Zweifel die israelischen Behörden informieren müssen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Von den Photographen selbst war so etwas wohl nicht zu erwarten, wie ein Photo von Hassan Eslaiah mit dem zweiten Mann der Hamas, Yahya Sinwar. Inzwischen gibt es auch ein Video, dass Eslaiah auf einem Motorrad mit einer Handgranate zeigen soll. Allerdings zögern auch die beschuldigten Photographen nicht damit, sich nun selbst als Opfer darzustellen. Hassan Eslaiah spricht von einer „Kampagne“ und „Medien-Hetze“ gegen ihn. Es war klar, dass dies der nächste Akt in dieser Medien-Verstrickungsfarce rund um den Gazastreifen sein musste.

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