Tichys Einblick
Gegen deutsche Vormacht

EU-Wahl: Prag, Bratislava – schwächere Hälfte der V-4 Gruppe, gegen Berlin und Brüssel

Die deutsche Diplomatie pocht in Prag und in Bratislava seit ungefähr 2015, 2016 darauf, von Warschau und Budapest Abstand zu halten. Nun die Quittung.

Treffen Visegrad in Budapest 24. Juni 2018: (L-R) Andrej Babis, Sebastian Kurz, Viktor Orban, Peter Pellegrini und Mateusz Morawiecki

FERENC ISZA/AFP/Getty Images

Ergebnisse in Polen (42 Punkte für Kaczyński´s Partei Pis) und Ungarn (56 Prozent für Orbán) bestätigen, dass die Visegrád-Gruppe in der EU ein starker Systemfaktor ist. Beim näheren Blick merkt man, dass demgegenüber Tschechien und die Slowakei in der V-4 die schwächeren Glieder darstellen. Was ja auch die Strategie der deutschen Diplomatie belohnt, die in Prag und in Bratislava seit ungefähr 2015, 2016 darauf pocht, von Warschau und Budapest Abstand zu halten. Aber diese nominale Ergebnisse gehen an der Realität dennoch vorbei.

Slowakei: Es gewinnt zwar die progressive Linke mit 20 Punkten, die zweite Partei, Smer, Mitglied der EU-Sozialisten, hat 15 Prozent. Aber Smer war hinsichtlich der Quoten-Flüchtlinge hart gegen Deutschland und die EU-Komission. Die dritte, vierte und fünfte Partei kritisieren und sind eurokritisch – vom nationalen, vom konservativen und schließlich vom klassisch-liberalen Standpunkt. Insgesamt 30 Prozent.

Tschechien, ähnliche Geschichte: ANO, die Bewegung des Ministerpräsidenten Andrej Babiš, gewinnt mit 21 Prozent. ANO ist Mitglied in ALDE, der fanatischschten Pro-EU-Fraktion (Guy Verhofstadt). Daheim warb Babiš mit der Losung „Hart und kompromisslos für tschechische Interessen“. Die meisten Wähler stimmten für ANO ohnehin, um daheim ein Zeichen zu setzen gegen die immer noch in Verantwortung für die Zeit nach 1989 gezogenen „Altparteien“. Es war keinswegs ein Votum für den EU-Superstaat, wie ihn Verhofstadt verfolgt. Und die 20 Prozent wären nicht möglich, wenn Babiš weiterhin am Programm Jahrgang 2014 festhielte: in die Eurozone rein, mehr EU generell. Inzwischen gab es die Migrationskrise, die zusammen mit der Eurozonen-Krise alles hinsichtlich EU in Tschechien auf den Kopf gestellt hatte. Also sogar „EU-freundliche“ Parteien wie ANO werben manchmal für weniger EU.

Die zweite Partei, ODS (14,6 Prozent) gehört zusammen mit den Tories in GB und PiS in Polen der Fraktion „Europäische Konservative und Refomer“ (ECR), ist seit jeher gegen das Prinzip der „ever closer union“. ECR sind durch Brexit und Ausscheiden Großbritanniens stark geschwächt, andererseits kann es wegen des schwächeren Abschneidens von EVP und Sozialisten doch noch den Kingmaker spielen. Schon die Möglichkeit ist neu, bisher war die ECR im EU-Parlament notorischer Außenseiter. ODS schickte gestern ins EU-Parlament u.a. Alexandr „Sasa“ Vondra, er ist als ehemaliger Charta-77-Sprecher, rechte Hand von Václav Havel, Diplomat und Außenminister und trotzdem EU-kritisch und politisch sehr unkorrekt das ersehnte frische Blut. Oder müsste es sein, wenn es in Brüssel Durst nach unkonvetionellen Querköpfen gäbe. Was ich bezweifle.

Die weiteren Parteien (Piraten mit fast 14 Prozent, europhiles Konglomerat T0P 09 mit 11 Prozent, europhobe SPD mit 9 Prozent) bilden einen kleinen Mischmasch.

Man will die EU nicht zerschlagen, aber der Wille zu einer weiteren Integration ist einfach nicht vorhanden.

Anzeige