Tichys Einblick
Hosen runter!

EU-Vermögensregister: Der gläserne Bürger

Angeblich geht es um die Bekämpfung der Geldwäsche. Doch welcher Mafioso wird freiwillig die Goldmünzen, die er zu Hause aufbewahrt, in das angekündigte EU-Vermögensregister eintragen lassen? Worum geht es also wirklich, wenn unbescholtene Bürger die Hosen runterlassen sollen?

IMAGO/Rolf Poss

Wie würden Sie reagieren, wenn jemand in Ihr Portemonnaie blicken will, um nachzusehen, wie viel Geld Sie darin haben? Oder sich Ihre Wohnung anschauen will, um zu protokollieren, welche Bilder dort hängen, ob Sie Schmuck besitzen oder wertvolles Porzellan, antiquarische Bücher oder eine Briefmarkensammlung oder ob in der Garage ein Oldtimer steht?

Das ist genau das, was die EU-Kommission künftig beabsichtigt. Sie will detailliert wissen, was beim Bürger alles so vorhanden ist – außer dem, was über Liegenschaftsregister und die Steuererklärung sowieso bereits bekannt ist. Der gläserne Bürger sozusagen.

Über die Einrichtung eines zentralen EU-Vermögensregisters herrscht mittlerweile Einigkeit in den EU-Ausschüssen; die entsprechende Vorlage einer Richtlinie soll demnächst Parlament, Kommission und Rat passieren. Erstaunlich wenig ist bisher von diesem weitreichenden Angriff auf die Privatsphäre des Bürgers die Rede.

Die Haustür war bislang die Grenze, die auch der Staat respektierte. Das würde sich mit der Schaffung des Vermögensregisters ändern. Auf Knopfdruck soll die Finanz- und Vermögenssituation jedes Bürgers für eine Zentralbehörde abrufbar sein. Die bisher existierende Wunschliste, was in dem Vermögensregister erfasst werden soll, ist ziemlich umfangreich: Kunstwerke, Autos, Jachten, Bargeld, Gold, Kryptowährungen, alle Luxusgegenstände. Der Autohändler muss Informationen zum Käufer zwar einholen, diese Daten aber bisher nicht an ein zentrales Register weitermelden. Das soll er bei teuren Autos nun tun.

Vor der Sommerpause 2021 hatte die Kommission zwei Verordnungen öffentlich gemacht: die sechste Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und eine überarbeitete Fassung der Geldtransfer-Verordnung. Darin mehr oder weniger gut versteckt das eigentliche Ansinnen: die komplette Vermögensüberwachung der Bürger.

Dicke Berateraufträge

Da bei der EU üblicherweise nichts ohne externe Gutachten abgeht, haben auch hier drei Beratungsfirmen schön kassiert. Sie hatten die Aufgabe, sich zu überlegen, in welchem Format die
Daten gesammelt werden und – natürlich – welche Dinge in einem Vermögensregister erfasst werden sollen, sowie über die für Bürokraten wichtige Frage nachzudenken, wo das neue Register angesiedelt werden soll. Denn zuallererst muss natürlich eine weitere Behörde geschaffen werden.

Die geplante EU Anti-Money-Laundering Authority (AMLA) soll die nationalen Geldwäschebehörden beaufsichtigen. Brüssel wird damit noch mehr Macht an sich reißen. Die AMLA, um deren Sitz mittlerweile Städte wie Frankfurt/Main, Paris und Vilnius buhlen, soll die neue Superdatenbank verwalten. Ende März stimmten die Abgeordneten der Ausschüsse für Wirtschaft und Währung sowie für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres der Einrichtung der neuen Behörde zu.

Die Ausschussmitglieder wollen außerdem, dass die Mitgliedstaaten alle Informationen über das wirtschaftliche Eigentum an Jachten, Flugzeugen und Autos im Wert von über 200000 Euro oder an Gegenständen, die in Zollfreilagern gelagert werden, konsolidieren und melden. Die EU-Abgeordneten haben sich darauf verständigt, dass „wirtschaftliches Eigentum“ im Sinne der Meldepflicht Folgendes bedeutet: den Besitz von 15 Prozent plus einer Aktie oder ein Stimmrecht oder ein anderes direktes oder indirektes Eigentumsrecht an einem Vermögensgegenstand beziehungsweise fünf Prozent plus eine Aktie in der mineralgewinnenden Industrie oder einem Unternehmen, das einem höheren Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung ausgesetzt ist. Das lässt jede Menge Interpretationen zu, und man wird trefflich darüber streiten können.

Daten auch für Medien zugänglich?

Im Gegensatz zu der Frage, was in das Vermögensregister aufgenommen werden soll, ist noch nicht abschließend geklärt, wer denn alles in die Daten hineinschauen darf. Die EU-Abgeordneten in den Ausschüssen beschlossen, dass neben den Geldwäscheverhinderungs-, Finanz- und Strafverfolgungsbehörden alle Personen mit „berechtigtem Interesse wie Journalisten und Organisationen der Zivilgesellschaft und Hochschuleinrichtungen Zugang zu den
Registern, einschließlich der vernetzten Zentralregister“ haben sollen.

Dies bedeutet letztlich, dass NGOs und Journalisten in sämtlichen privaten Daten unbehelligt herumwühlen könnten. In einer Gesellschaft, die den Datenschutz so hoch bewertet wie die deutsche, ist das eigentlich schwer vorstellbar. Davon abgesehen stehen auch in anderen Ländern viele Bürger immer noch auf dem Standpunkt, dass ihre Vermögenssituation und Hobbys niemanden etwas angehen.

Viele Bürger stehen immer noch auf dem Standpunkt,
dass ihre Vermögenssituation und Hobbys
niemanden etwas angehen

Begründet wird das neue Überwachungsmonster – wie üblich – mit dem Kampf gegen Kriminalität und Terrorfinanzierung. Terrorismus und Geldwäsche seien beides „eine ernsthafte Bedrohung, nicht nur für die Integrität der EU-Wirtschaft und des EU-Finanzsystems, sondern auch für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger“, heißt es in der Begründung der Richtlinie.

Fragt sich, wie groß diese Bedrohung tatsächlich ist. Schätzungen von Europol zufolge liegt der Anteil verdächtiger Finanztätigkeiten am jährlichen Bruttoinlandsprodukt der EU bei einem Prozent. Das wäre eigentlich nicht besonders viel, und man fragt sich, ob der ganze Aufwand gerechtfertigt ist, zumal es wenig wahrscheinlich ist, dass sich Geldwäscher und Mafiosi künftig an die Vorgaben der EU halten und angeben werden, was sie alles an Wertgegenständen zu Hause aufbewahren.

„Die kommen vor Lachen gar nicht mehr aus dem Keller“, kommentiert der frühere Chef der Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH, Markus Krall, die Begründung des Vorhabens. Nicht gegen Kriminelle richteten sich derartige Gesetze, sondern gegen den normalen Bürger. „Kriminelle bewegen sich bereits außerhalb des Gesetzes. Wenn die jetzt eine weitere Übertretung begehen, spielt das für die gar keine Rolle mehr.“

Ein Vermögensregister, so Krall, habe nicht den Zweck, irgendwelche Geldwäsche zu verhindern oder Gerechtigkeit walten zu lassen, sondern es gehe um etwas ganz anderes: „Wenn jemand ein Geld- und ein Vermögensregister anlegt, dann ist der ultimative Zweck, mir diese Werte irgendwann wegzunehmen. Man will es einkassieren. Es geht ums Wegnehmen, sonst braucht kein Mensch so ein Register.“

Meldepflichten in der Familie

Ein Beispiel: Wer mehr als 10000 Euro von seinem Konto auf das Konto seines Ehepartners überweise, müsse das künftig melden. Warum das unter die Geldwäschemeldepflichten fällt, verstehe, wer will. Krall konstatiert: „Der kleine Bürger wird gegängelt. Und das hat auf die Geldwäsche überhaupt keinen Einfluss, weil der kleine Bürger gar keine Geldwäsche betreibt.“

Ein weiteres Ärgernis: Die neuen Vorschriften kommen in einer Zeit, in der man noch nicht einmal sicher ist, ob die bisherigen Maßnahmen zur Verhinderung der Geldwäsche überhaupt Wirkung zeigen. So heißt es in einer „Eignungsprüfung bestehender Rechtsvorschriften“: „Eine vollständige Ex-post-Bewertung des derzeitigen EU-Systems zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat vor dem Hintergrund einer Reihe neuer Ent-wicklungen in der Gesetzgebung noch nicht stattgefunden.“

Immer neue Richtlinien zu erlassen, ohne zu wissen, ob die bereits existierenden Verordnungen wirken, mutet schon fast wie ein Schildbürgerstreich an. Oder geht es, wie Krall vermutet, doch um etwas anderes? Sowohl eine besondere steuerliche Belastung (Luxus!) als auch einen enteignungsgleichen Zugriff auf Vermögenswerte, die im Register gespeichert sind, mag Krall nicht ausschließen. Angesichts des hohen staatlichen Geldbedarfs scheint das gar nicht so unwahrscheinlich.

Sind erst einmal alle Daten der Bürger erfasst, ist zudem der Schritt zu einem Social Scoring nach chinesischem Modell nur noch klein. Für Unternehmen gibt es das bereits in Form eines Nachhaltigkeitsratings, „und etwas Ähnliches wird über kurz oder lang auf alle Bürger ausgedehnt“, glaubt Krall.

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