Tichys Einblick
Elly Schlein

Italien: Die Linke präsentiert eine neue Gegnerin für Giorgia Meloni

Der Chef der italienischen Sozialdemokraten Enrico Letta hat eine weitgehend unbekannte Kandidatin ins Wahlkampf-Rampenlicht gestellt. Elly Schlein repräsentiert alles, was dem Radical Chic der neuen Linken und Grünen gefällt. Die Feministin und Obama-Wahlkämpferin fordert Giorgia Meloni heraus.

Elly Schlein bei einer Diskussionsveranstaltung in Rom, 01.07.2022

IMAGO / ZUMA Wire

War das nun eine Art Befreiungsschlag für Enrico Lotto, den Chef der italienischen Sozialdemokraten, der Partito Democratico (PD), oder eher ein Eigentor im Wahlkampf, eine unbekannte Größe losgelassen zu haben gegen das Mitte-Rechts-Bündnis und Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia (FdI), das, so scheint es, fast uneinholbar vorn liegt? Enrico Lettas Versuch, quasi ein Kaninchen aus dem Zylinder zu zaubern, sorgte immerhin für einen kurzzeitigen Aha-Effekt.

Da war sie plötzlich bei einer Pressekonferenz auf dem Podium, Elly Schlein. Elly, wer? Außerhalb Bolognas, und erst recht nicht in Europa, dürfte die Gemeinderätin und Vizepräsidentin der Region Emilia-Romagna Elena Ethel ‚Elly‘ Schlein kaum bekannt sein. In Insiderkreisen des linken Radical Chic dagegen schon. Sie erscheint wie eine Mischung aus Annalena Baerbock und Carola Rackete.

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Schlein, als Tochter eines amerikanischen Professors 1985 in Lugano im schweizerischen Tessin geboren und aufgewachsen, war von 2014 bis 2019 Abgeordnete im Europäischen Parlament, wurde dann abgewählt, kam dafür aber später auf der linken „Liste der Mutigen“ (Lista coraggiosa) für die Emilia-Romagna ins Kommunalparlament.

Die Agenda der Elly Schlein, die in den USA einst Wahlkampfhelferin von Barack Obama war, beinhaltet alles, was links und grün ideologisch gefärbt ist: Die PD müsse mehr junge und linke Mitglieder anwerben und an relevanten Positionen platzieren, riet sie einst Matteo Renzi, dann natürlich Umweltschutz und Klima, genauso der Antifaschismus und die LGBTQ-Agenda, die Migration für Europa und der militante Feminismus.

Stichwort Feminismus und Quoten – auf diesem Feld eröffnete Schlein sofort das Feuer gegen Giorgia Meloni. Mit einer Regierungschefin wie ihr, auch wenn sie eine Frau ist, könne man nichts anfangen und auch nichts erwarten. Es gäbe eben einen großen Unterschied zwischen einer „weiblichen Regierungschefin und einer feministischen Anführerin …“. Meloni vertrete die meisten Frauen und transgender Personen nicht. Sie verteidige nicht das Recht der Frauen (auf Selbstbestimmung und Gleichberechtigung?). Elly Schlein unterstellt, Meloni sähe die Frauen nur im alten System, in der Familie, gefangen, quasi als Wohlfahrtsinstrument für den Staat.

Schlein forderte Giorgia Meloni quasi öffentlich heraus: „Ein Treffen mit Meloni? Jederzeit bin ich dazu bereit, gleich morgen früh …“ Der Fratelli-Chefin warf sie Hass und Hetze vor, da sich Meloni bereits mehrmals gegen eine LGBTQ-Agenda ausgesprochen habe.

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Geradezu abgekupfert vom Programm des Mitte-Rechts-Bündnisses erscheint dagegen ihre Forderung, Jugendliche und Kinder staatlich mehr zu unterstützen. Die Maßnahmen der Pandemie hätten die Jüngsten krank werden und teils verwahrlosen lassen. Damit kritisiert sie indirekt ausgerechnet den Gesundheitsminister, Roberto Speranza, ebenfalls ein linker Hardliner.

Angesichts der Fälle von „Bibbiano“, also von Kindeswohlgefährdung durch Institutionen und PD-Funktionäre, die noch nicht sehr weit zurückliegen und noch aufgearbeitet werden, ist es durchaus gewagt, dass ausgerechnet eine PD-Kandidatin verspricht, für die mentale Gesundheit der Kinder zu sorgen und die Zahl der Therapeuten zu erhöhen.

Elly Schlein hat es nicht nur auf Giorgia Meloni, sondern auch auf Matteo Salvini und die Lega abgesehen. Der Lombarde sei besessen vom Thema Migration und ignoriere die zahlreichen jungen Leute, die auswanderten. Salvini und die Lega halten das Thema der angemessenen Gehälter seit Jahren am Köcheln, im Bewusstsein, dass viele kompetente junge Leute Italien verließen, aber dafür unter den illegalen Migranten fast gar keine Fachkräfte seien.