Tichys Einblick
Der Vatikan finanziert die NGOs

„Die Katholische Kirche wird zu unserem Soros“

Italien erschüttert derzeit eine ganz besondere Affäre: Erneut stehen NGOs im Verdacht, nicht aus humanitären, sondern wirtschaftlichen Gründen Migranten über das Mittelmeer zu transportieren. Und es gibt einen delikaten Finanzier: den Vatikan.

IMAGO - Collage: TE

Wozu braucht man Carola Rackete, wenn man Luca Casarini hat? Casarini hat sich nicht nur in der Vergangenheit immer wieder mit den Behörden angelegt, wenn es um die private Seenotrettung ging; Auch die Floskel, dass kein Mensch illegal sei, kommt ihm immer noch über die Lippen. Casarini ist aber nicht nur wegen solcher Aktionen bekannt, sondern erlangte vor kurzer Zeit deswegen öffentliche Aufmerksamkeit, weil er von Papst Franziskus zur Weltsynode eingeladen worden war.

Das hatte überrascht, denn Casarini gehört keiner kirchlichen Organisation an, sondern leitet „Mediterranea Saving Humans“. Umso mehr setzte der Pontifex damit das demonstrative Zeichen der Verbrüderung der Kurie mit einer umstrittenen Persönlichkeit, gerade in der krisenhaften Zeit, als Lampedusa zur Chaos-Insel wurde. Franziskus hatte Casarini, der früher in der Hausbesetzer-Szene aktiv war, zu seinem „Besonderen Abgesandten“ berufen; und Casarini hatte die Bühne genutzt, um zu betonen, dass er das, was er früher getan hätte, wieder tun würde, obwohl die Behörden ihm Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorwarfen.

Doch nun könnte die sonderbare Allianz zwischen Franziskus und dem NGO-Häuptling ein bitteres Nachspiel für den Vatikan haben. Denn offenbar gab es von kirchlicher Seite nicht nur moralische Unterstützung. Sie wird noch heikler dadurch, dass Casarini wohl nicht der einzige Empfänger vatikanischer Zuwendungen ist, sondern es diese auch für „Open Arms“ gegeben hat, jene NGO, wegen welcher der ehemalige Innenminister und heutige Infrastrukturminister Matteo Salvini vor den Kadi gezogen werden sollte – in seiner Amtszeit 2019 galt Salvini als einer der Hauptgegner von Franziskus. Zu dieser Verkettung von unangenehmen Zufällen gehört es auch, dass in Italien der Innenminister für die Beziehungen zum Heiligen Stuhl zuständig ist und man auf der anderen Seite des Tibers offenbar Sorge hatte, Salvini könnte zu viel über die Geheimnisse hinter den Leoninischen Mauern erfahren.

Die Verkettung der Migrationspolitik mit dem Papst ist daher aus mehrfacher Perspektive Zündstoff, der weit über die Spende eines NGO-Bootes hinausgeht. Um das zuerst festzuhalten: Casarini hat gegenüber dem zentristischen Corriere della Sera alle Anschuldigungen abgestritten und Gegenmaßnahmen und Gegenbeweise angekündigt. Doch einige Tatsachen, welche die Zeitung La Verità aufgedeckt hat, sprechen für sich selbst. In einem aufgezeichneten Chatprotokoll kommt Don Mattia Ferrari zu Wort, der erklärt: „Denken Sie daran: Als der Papst Open Arms bezahlte, waren die Gelder nicht über Krajewskij gegangen, sondern direkt vom Papst gekommen.“ Don Mattia ist der Schiffskaplan der „Mare Jonio“ von Casarini.

Noch einmal: Der Papst hat, sollte diese Behauptung wahr sein, nicht nur einen direkten Konflikt mit dem italienischen Innenminister gesucht und die illegale Migration gefördert, sondern er hat auch Konrad Kardinal Krajewski übergangen, den Päpstlichen Almosiner, der für die Armen- und Bedürftigenfürsorge zuständig ist. In einer anderen Chatnachricht vom 9. Januar 2020 sagt Don Mattia: „Open Arms hat viel Geld erhalten, das nicht durch die Hände von Krajewskij gegangen ist.“ Das bedeutet jedoch nicht, dass Krajewskij nicht ebenfalls für die Finanzierung der NGO-Aktivitäten zu gewinnen gewesen wäre. Man müsse nur die richtigen Knöpfe drücken, die richtigen Namen nennen und die aussichtslose Situation schildern und der polnische Kardinal gebe Geld. Was umso mehr unterstreicht, dass der Papst trotz allem zusätzlichen, persönlichen Handlungsbedarf sah.

Doch es geht noch weiter: „Offenbar hat der Vatikan Open Arms in den vier Jahren, seit Oscar Camps (der Gründer der NGO) begann, den Papst zu besuchen, insgesamt 2 Millionen Euro gespendet.“ Auch der Erzbischof von Siena, Augusto Paolo Lojudice, sei ein guter Ansprechpartner bei Geldproblemen. Pikant: Lojudice ist in der italienischen Bischofskonferenz für den Bereich Migration verantwortlich.

Am 22. April 2017 traf Camps den Papst. Die beiden verbrachten etwa 40 Minuten im Apostolischen Palast, wobei Camps den Papst daran erinnerte, dass er ihm die Schwimmweste eines Flüchtlingskindes gegeben hatte, das auf Lesbos auf See ums Leben gekommen war. Beim Verlassen erklärt Camps: „Der Papst ist der einzige Weltführer, der sich mit dem Problem befasst.“ Auch hier weiß Don Mattia: Danach sei sehr viel Geld geflossen.

In einem Fall, als die NGO von Casarini das Problem hatte, ein neues Schiff zu bekommen, habe Krajewskij der Aktion zwar nicht feindlich gegenübergestanden, sich aber irritiert darüber gezeigt, warum man dieses Schiff finanzieren müsse – schließlich habe Casarini ja bereits für vier weitere Missionen Geld (insgesamt 800.000 Euro) erhalten, von denen Mediterranea ein eigenes Schiff bezahlen könnte. Don Mattia: „Es muss auch daran erinnert werden, dass Papst Franziskus in der Privataudienz bei Mediterranea am 6. Dezember letzten Jahres (2019) offen gesagt hatte, dass er Mediterranea sowohl bei der Möglichkeit des direkten Kaufs des neuen Schiffes als auch bei der Möglichkeit der Finanzierung des Schiffes bei den ersten vier Missionen unterstütze.“

Aus den Untersuchungsunterlagen der Staatsanwaltschaft Ragusa, die gegen Casarini und fünf weitere Personen wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Bruch des Navigationskodex ermittelt, gehen neue Details hervor. So habe Casarini monatlich 6.000 Euro vonseiten der katholischen Kirche erhalten. Er habe zugegeben, dass dieses Geld ihm geholfen habe, die Miete zu bezahlen und nicht in einer Bar arbeiten zu müssen. Alles „erfundene Phrasen“ behauptet Casarini. Eine Aussage von Giuseppe Caccia, einem Freund Casarinis, wurde dagegen festgehalten: „Unsere bergoglianischen Bischofsfreunde sind ein bisschen idiotisch … die Beziehung zu uns nicht öffentlich zu machen.“

Die Abhörungen offenbaren eine so enge Beziehung zu den Bischöfen, dass Casarinis Kollegen nach einer Predigt des Papstes von „Casarini als dem Ghostwriter von Franziskus“ sprachen. Aus einem Antwortbrief von Papst Franziskus an Casarini, der sich über die Schwierigkeiten der Seenotrettung beklagt, geht auch hervor, dass Matteo Zuppi als der wichtigste Mann gilt, um Unterstützung bei „NGO-Problemen“ zu erhalten. Aus einer anderen Aufnahme geht hevror, wie die Crew sich bespricht, was sie tun könne, damit Kardinal Zuppi mehr Einfluss gewinnt. Heute ist Zuppi der Präsident der Italienischen Bischofskonferenz.

Die Staatsanwaltschaft wirft Casarini außerdem vor, 125.000 Euro von der dänischen Firma Maersk erhalten zu haben, dem Eigentümer des Schiffes. Maersk weist die Zahlung als Spende aus, die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass die Firma die „Mare Jonio“ dafür bezahlt habe, dass 27 Migranten an Bord genommen wurden. Die Hypothese ist, dass der Transfer von Migranten aus wirtschaftlichen und nicht aus humanitären Gründen erfolgte. „Wir können es kaum erwarten, beweisen zu können, dass alles falsch ist“, sagt Casarini. Und er bekräftigt: „Es tut mir leid, das Instrument für einen offensichtlichen Angriff auf Papst Franziskus zu sein.“

Dabei ist es vor allem ein Satz, der einem Kollegen Casarinis aus dem Mund fällt, und den Papst wirklich in die Bredouille bringen könnte: „Die katholische Kirche wird zu unserem Soros.“ Nicht die Zeitungen, sondern Casarini und seine NGO-Crew sehen den Papst als Bankomat an, um die illegale Massenmigration voranzutreiben.

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