Tichys Einblick
Migration ist nicht die Lösung gegen Armut

An Spaniens Küsten kamen 2018 fast 53.000 Einwanderer illegal an

ILO warnt vor dem Ausbluten der arbeitsfähigen Bevölkerung in Dritte-Welt-Ländern. Spanien ist in Europa derzeit die erste Anlaufstelle für junge Immigranten aus Afrika und Lateinamerika.

Migrants are transferred upon their arrival aboard a coast guard boat at Malaga's harbour on September 23, 2018, after an inflatable boat carrying 117 immigrants, 34 of them women and 4 children, was rescued by the Spanish coast guard off the Spanish coast.

JORGE GUERRERO/AFP/Getty Images

Für Spanien endet 2018 mit vielen Fragen und Herausforderungen. Fast 60.000 Migranten kamen in den vergangenen zwölf Monaten illegal ins Land. 53.000 wählten den gefährlichen Weg über die Meeresenge von Gibraltar. Spanien ist jedoch nicht der richtige Ort für die Suche nach einem Job. Hier haben 15 Prozent der aktiven Bevölkerung selbst keinen Job. Aber die Iberische Halbinsel ist im vergangenen Jahr zu einem sicheren Sprungbrett von Marokko nach Europa geworden, was die spanische Regierung in Bedrängnis bringt. Weil es sich vor allem um junge Männer, schwangere Frauen und auch zunehmend Minderjährige handelt, warnt die internationale Arbeitsorganisation (ILO) vor dem “Brain drain”, der durch die massive Migration in den Herkunftsländern entsteht.

Rund 277 Millionen Migranten lebten nach Schätzungen der ILO bereits im Jahr 2017 in anderen Ländern. Die Zahl dürfte 2018 weiter gestiegen sein und bisher sieht es nicht so aus, als würde sich der Trend 2019 nicht fortsetzen. 164 dieser 277 Millionen Ausländer gingen gemäβ der ILO in ihrem neuen Heimatland einer legalen Beschäftigung nach, 96 Millionen davon sind Männer, 68 Millionen Frauen. Mehr als 60 Prozent arbeiten in drei Regionen: Nordamerika, Europa (außer Osteuropa) und den arabischen Ländern. Die höchste Konzentration von Einwandern im Verhältnis zu den Einwohnern erleben derzeit Golfstaaten wie Katar, wo seit Jahren eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften im Bau besteht. Die fragwürdigen Bedingungen, unter denen die Wirtschaftsflüchtlinge in ihre neue “Heimat” gelangen und wie sie dort beschäftigt werden, haben in den vergangenen Monaten wie im Fall Katar und Spanien immer wieder zu hitzigen Debatten geführt.

Spanien spürt den Immigrationsdruck derzeit am meisten

Obwohl in Spanien derzeit die meisten Flüchtlinge ankommen, bleiben hier bisher die wenigsten hängen, da es auβer Schwarzarbeit in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in der Gastronomie wenig Chancen für sie gibt und auch kaum Sozialleistungen. Sie werden seit Beginn der Einwanderungswelle im Jahr 2000 in Spanien geduldet, aber nicht wirklich integriert, egal welche Farbe die Regierung hat. Politisch motivierte Hilfesuchende kommen derzeit nicht aus Syrien nach Spanien, soddern vor allem aus Venezuela. Diese reisen jedoch meist normal als Touristen ein und beantragen neben Asyl auch nach einigen Jahren die spanische Staatsbürgerschaft, wie auch viele andere lateinamerikanische Immigranten. Wegen der kulturellen Nähe und vereinzelter spanischer Vorfahren ist dieser Weg relativ einfach für sie.

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Gemäβ der spanischen Beobachtungsbehörde (Observatorio Permanente de la Inmigración) haben zwischen 1995 und 2015 rund 1,2 Millionen Ausländer im Land einen spanischen Pass bekommen. Damit ist Spanien nach Groβbritannien und Frankreich das Land, wo am meisten Einbürgerungen in Europa stattfanden. Das gefällt jedoch nicht allen. Der Gründer der neuen Partei VOX, Santiago Abascal, will diesen Trend stoppen. Seine Ideen sind radikal, aber sie rütteln das Land wach. Abascal will Feminismus bekämpfen, ruft zu einer Auflösung der 17 spanischen Autonomien auf, will Gibralter wieder zurückholen und die 2018 erlebte massive illegale Einwanderung nach Spanien mit harten Methoden bremsen.
VOX fordert Massen-Abschiebungen

Wie das genau geschehen soll, ist nicht klar. Abascal spricht in seinen Reden von Sofort-Deportationen von Illegalen, die sich derzeit im Land befinden und solchen, die zwar eine Aufenthaltsgenehmigung haben, sich aber mehrfach strafbar gemacht haben. Wie er das mit den internationalen Abkommen in Einklang bringen will, ist einer der vielen Fragen, die bei seinen Schlachtrufen offen bleiben. Aber seine Forderungen wie die Auflösung des Schengen-Abkommens, die Unterbindung der islamischen Lehre in Spanien und die Mauern, die er in Ceuta und Melilla errichten will, sind derzeit Gegenstand der gesellschaftlichen Debatte. Premier Pedro Sánchez versucht gegenzusteuern. Das Fischerboot mit Migranten, die über Libyen kamen, konnte im letzten Moment nach Malta umgeleitet werden. Seine Partei PSOE hat bei den Wahlen in Andalusien – der Region, die am meisten unter der illegalen Einwanderung leidet – eine schwere Schlappe hinnehmen müssen. Sie hat nach Analysen auch Stimmen an VOX verloren.

Spanien wird überrannt, hat aber nichts zu bieten

De facto bleiben derzeit wegen der schlechten Arbeitssituation nur die wenigsten der Migranten, die übers Meer kommen, wirklich in Spanien. Nur solche, die Schwarzarbeit in der Landwirtschaft finden können, zum Beispiel in Almeria, versuchen nicht, irgendwie weiter nach Norden aufzubrechen. Migranten, welche in Spanien bleiben, kommen meist über den Luftweg aus Venezuela, Kolumbien, Argentinien und der Ukraine. Sie treffen im Land bereits auf ein Netz von Einheimischen, die aushelfen mit Arbeit und Wohnung. Sie werden zu geringeren Löhnen in der Gastronomie und im Einzelhandel eingestellt. Immer mehr Spanier regt das auf. VOX gewinnt genau deswegen rasant an Stimmen.

Betreutes Denken, gelenktes Meinen
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Abascals Partei hat bei den gerade abgehaltenen Regionalwahlen erstmals mit 12 Sitzen den Sprung ins andalusische Parlament geschafft, das erste, wo die radikale Partei jetzt Einfluss nehmen kann. Diese Tatsache hat das Thema Einwanderung noch mehr in den Fokus von Premier Sánchez gerückt. Er will jetzt in die Grenzregionen Ceuta und Melilla investieren, wo es immer wieder jährlich Tausende illegal über den Zaun schaffen, Die Regierung will zudem mit Marokko engere Bande knüpfen, um zu garantieren, dass die Boote auf der anderen Seite des Stroms von Gibraltar gar nicht erst starten.
Spanien muss aus deutschen Fehlern lernen

Sánchez, der immer wieder als Verteidiger der Menschenrechte auftritt, muss 2019 sehr viel politisches Geschick zeigen, damit Spanien nicht wie Deutschland von dem Thema Einwanderung blockiert wird. Auch wenn es in Spanien bisher wenig rassistische Ausschreitungen gab, selbst nicht nach den von Arabern organisierten Anschlägen auf die Nahverkehrszüge in Madrid 2004 oder wegen des Todesfahrers in Barcelona im vergangenen Jahr, haben gemäβ Umfragen mehr Bürger Sorgen, dass diese illegale Einwanderung irgendwann auch für sie persönlich negativ sein könnte.

Derzeit leben in dem 46 Millionen-Einwohner-Land rund 5 Millionen Ausländer. Die Konzentration ist besonders hoch in El Ejido in Almeria, wo Landwirtschaftsbetriebe viele Schwarze für die Ernetzeit beschäftigen. Statt diese Betriebe zu bestrafen, die illegal Personal beschäftigen, ist die Priorität von Abascal, dass diese Ausländer keinen Zugang zum spanischen Gesundheitssystem haben, wie es derzeit der Fall ist. Genau dort in El Ejido, wo Trostlosigkeit und Trockenheit das Leben bestimmen und Skandale wegen Menschenrechtsverletzungen immer wieder durch die Presse gingen, hat VOX fast 30% seiner Stimmen bei den Wahlen in Andalusien errungen.