Tichys Einblick
Wegen angeblicher Vorerkrankung

Wie eine Gesundheitsministerin eine junge Frau mit einem Impftermin schockiert

Eine junge Frau bekommt einen Corona-Impftermin wegen einer angeblichen "speziellen Vorerkrankung", die gar nicht diagnostiziert ist. Was solch eine Mitteilung im Namen der Gesundheitsministerin bei Menschen auslöst, kann sich die Absenderin anscheinend nicht vorstellen.

Daniela Behrens, Ministerin für Gesundheit und Soziales in Niedersachsen

IMAGO / Joachim Sielski

Der Umgang des Staates mit seinen Bürgern wird in der Corona-Pandemie nicht nur grotesker, sondern offenbar auch empathieloser. Der Vorfall ist schnell erzählt: Eine junge Dame, kaum über zwanzig, geht zum Frauenarzt zur Routine-Untersuchung. Dort wird routinemäßig auch die Brust und die Umgebung abgetastet. Und wie das vielfach so ist jeden Tag in Deutschland, entscheidet sich der Arzt auf Nummer sicher zu gehen und überweist sie zum Radiologen.

Gleichzeitig beruhigt der Gynäkologe seine Patientin, das wäre wirklich nur zur Sicherheit. Ein Abtastbefund halt. Wer sich in die Psyche einer jungen Frau hineinversetzen mag, kann sich die Beunruhigung trotzdem vorstellen. Also wird mit Überweisung vom Frauenarzt telefonisch ein Termin bei der Radiologie gemacht.

Der Termin ist noch ein paar Tage hin, die Frau bleibt verunsichert, die Eltern natürlich auch ein wenig, aber sie können die Tochter beruhigen – wissend um den Routinecharakter solcher Untersuchungen. So weit so gut und Alltag in Deutschland. Nun aber flattert noch VOR Wahrnehmung des Termins beim Radiologen ein Schreiben der Niedersächsischen Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in den Briefkasten:

Die „Berechtigung zur Schutzimpfung gegen das Covid-19-Virus“ Wie das? Eine gesunde junge Frau, kaum älter als Zwanzig, dürfte doch noch gar nicht an der Reihe sein. An ihrem Wohnort sind laut Covid-19-Impfhinweisen der Stadt aktuell gerade mal die über 70-Jährigen an der Reihe – und auch die nur in bestimmten Fällen.

Aber Ministerin Daniela Behrens erklärt der jungen Dame in besagtem Schreiben persönlich, warum diese nun schon vorgezogen an der Reihe wäre: „Dieses Anschreiben dient als Nachweis für die bevorzugte Impfberchtigung wegen einer speziellen Vorerkrankung auf Basis des §6 Abs.7 der Coronavirus-Impfverordnung. Es ersetzt ein ärztliches Attest.“

Jeder Mensch, der einigermaßen empathiefähig ist, kann sich vorstellen, was in diesem Moment in der jungen Frau vorgeht – und auch bei Eltern, Geschwistern und anderen, die ihr herzlich verbunden sind: Die gesunde Frau bekommt von der Gesundheitsministerin ein Attest (!), dass sie so schwer erkrankt sei, dass sie, kaum älter als Zwanzig, jetzt bereits mit den über 70-Jährigen die Impfung erhalten kann. „Sie erhalten dieses Schreiben als Nachweis ihrer Impfberechtigung.“ Und die zusätzliche Information gleich eingangs des Schreibens: „Das Coronavirus ist für Menschen mit bestimmten Erkrankungen und Behinderungen besonders gefährlich.“

Ministerin Behrens (SPD) schreibt weiter: „Daher freue ich mich, dass nun auch Personen mit bestimmten Vorerkrankungen einen Impftermin erhalten können.“ Aber welche Vorerkrankung sollte das im Falle der vollkommen gesunden (ohne Diagnose/ ohne Untersuchung) jungen Frau eigentlich sein? Den Schock kann sich jeder vorstellen.

Eine weiterführende Frage hier auch, warum eigentlich dass Gesundheitsministerium namentlich die Ministerin über Daten verfügt, die so eine Vor- beziehungsweise Orakeldiagnose zulassen! Ein Pressesprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums meint telefonisch, eine gute Erklärung dafür zu haben: Der Brief wäre ja gar nicht aus dem Gesundheitsministerium. Das allerdings verwirrt, ist doch der Briefkopf der des Ministeriums samt weißem Niedersachsenroß im roten Wappen. Der Text ist in Ich-Form formuliert und am Ende steht: „Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute, vor allem Gesundheit … und grüße Sie herzlich, Ihre Daniela Behrens“. Viel persönlicher geht es nicht.

Ja das wäre so, aber das würden die Krankenkassen im Auftrag machen, weil das Ministerium die Krankendaten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einsehen darf. Der Brief bestätigt es ja auch im weiterführenden Text: „Das Land Niedersachsen hat weder Kenntnis über die Daten noch über eine Vorerkrankung. Aber sie erdreisten sich trotzdem, „noch“ gesunde Frauen und Männer via Krankenkasse zu schwer erkrankten jungen Frauen und Männern zu erklären. Und wie ist das rechtlich, wenn unter dem Brief doch der Name der Gesundheitsministerin und nicht die Krankenkasse steht? Was sollen denn die Zukunftswünsche und herzlichen Grüße, wenn sie nicht von der Ministerin kommen, die unter dem Brief steht?

Also selbst wenn man hier maximal großzügig wäre, es kann hier nur einen Auftrag höchster Dringlichkeit an das Ministerium geben und zwar: dass die Algorithmen oder was oder wer auch immer bei den Krankenkassen die Adressaten auswählt, hier dringend nachgebessert werden, damit nicht gesunde Menschen von der Gesundheitsministerin ohne Diagnose zu Erkrankten erklärt werden. Und zwar sofort. Der Schock bei der jungen Dame und ihren Eltern sitzt tief, wir wünschen daher alles Gute beim anstehenden Termin – und die Statistiken spreche auch fast hundertprozentig für die junge Dame, dass es nichts Schlimmeres ist!

Schlimm gemacht wurde es allerdings von einer sozialdemokratischen Ministerin Daniela Behrens, die ihren Namen für so eine üble Verunsicherung und Panikmache hergegeben hat.

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