Tichys Einblick
Irritation für Politiker und Einheitsmedien

Viele Grünen-Wähler unter den Querdenkern

Werden die Querdenker jetzt von Markus Söders Grünen-Freunden unterwandert oder umgekehrt? Jedenfalls sollte der Ministerpräsident nicht nur hinüber zur AfD schauen, wenn er die Querdenker verunglimpfen will. Seine neuen grünen Freunde mischen via Querfront bereits kräftig mit, wie gerade eine Studie herausgefunden hat.

imago Images/E. Contini

Der neuerdings so grünlich haltungsdoppelte bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat ja vollkommen Recht, wo er die Querdenker in die selbe angeblich gefährliche Ecke stellt wie die AfD, nur aus ganz anderen Beweggründen. Der Münchner Regent will, so schreibt es beispielsweise das zwangsgebührenfinanzierte ZDF online in der gewohnten Kritiklosigkeit des Regierungsfernsehens: „Söder will Verbindungen zwischen der AfD und der „Querdenker“-Bewegung untersuchen. Bei Corona-Skeptikern und Extremisten höre die Toleranz auf.“

Die Sorge allerdings, die Söder umtreibt, ist wohl eine ganz andere: Auch immer mehr Bürger nämlich haben ihre Toleranzgrenze so weit verschoben, dass Politiker wie Markus Söder nicht mehr zu ihrer Teilmenge des Erträglichen gehören – dazu ganz konkret gleich mehr.

Mit dem bizarren Ergebnis jedenfalls, dass auch die CSU in Bayern aus reinem Machterhalt mutmaßlich zukünftig mit den Grünen zusammengeht. Eine Schlagzeile dazu lautete vor wenigen Tagen: „Bei der Jungen Union beschwört Söder den Geist von Schwarz-Grün.“

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Diese eigentlich unmögliche Polit-Ehe dem Bürger zu verkaufen, ist Söder angetreten und degradiert seine Partei damit zu einem reinen Nostalgieverein neben dem grünen Shootingstar. Was für ein Niedergang aus rein machttaktischen Erwägungen nach dem Motto: Nach mir die Sintflut, Hauptsache noch ein paar Jahre länger mit beiden Händen im heißbegehrten Honigtopf der Steuerzahler. Und die schönen bayrischen Bio-Landschaften werden grünes Kernland.

Aber Markus Söder fährt mehrgleisig: Gerade ist er besonders darum bemüht, die Corona-Maßnahmen-Kritiker in einen Topf mit der AfD zu stecken. Weil ihm und der Union bewusst ist, dass die Gefahr von dieser Seite besonders größer ist, unglaubwürdig zu erscheinen und nur noch machtbesessen: Die Querdenker müssen schon deshalb diffamiert und diskredidiert werden, weil hier eine Art Querfront entstanden ist, die sich den üblichen Schubladen entzieht. Ja, diese Bewegung ist bedrohlich. Aber nicht zuerst für das Land und seine Leute, sondern viel unmittelbarer für die Regierungsparteien selbst und ihren Machtapparat. Für das so genannte Establishment. Das hat Söder sehr gut erkannt. Aber dann fehlt ihm leider schlicht die Intelligenz.

Vielleicht ist er auch einfach schockiert und fühlt sich als Getriebener. Angela Merkel hat dieses Gefühl des getrieben werden zu ihrem Markenkern gemacht, sie gewinnt damit allein die Gunst der Wähler. Bei Söder wirkt es nur verstörend, unklar, ängstlich. Und am Ende bald peinlich.

Noch verängstigter dürfte der bayerische Ministerpräsident jetzt insbesondere von einer Studie über Querdenker sein, die eine Soziologengruppe veröffentlicht hat und die herausfand: „21 Prozent der Querdenker wählen grün.“

Untersucht haben das Fachleute der Universität Basel. Sie fragten nach dem Wahlverhalten unter Anhängern von Querdenkergruppen. Und sie fragten das nicht etwa auf Demonstrationen, wo die Zustimmung für die Grünen noch deutlich höher sein dürfte, sondern via Telegram, wo die Studie ihre Umfrage vornahm. Telegram ist ein spezielles Medium mit bestimmten Schwerpunkten. Schon die Teilnahme bei Telegram ist ja Ausdruck einer bestimmten Haltung. Telegram ist auch bei der AfD und ihren Anhängern ein beliebtes soziales Medium bzw. das beliebte Kommunikationsmittel. Umso schwerer wiegt das Ergebnis der Studie.

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Die Universität wertete 1.150 Retoure-Fragebögen aus, die sie an Mitglieder solcher Telegram-Gruppen geschickt hatte, wie Welt und FAZ berichteten. Besondere Aufmerksamkeit gebührt hier einem Satz des Studienmachers Oliver Nachtwey, der schrieb, charakteristisch für die neue Bewegung sei die „Entfremdung von den Institutionen des politische Systems, den etablierten Medien und den alten Volksparteien.“ Das ist die Achillesferse von Regierungspolitikern wie Markus Söder. Von einem Ministerpräsidenten, der im Amt bleiben will mit Hilfe jener, die politisch eigentlich auf der anderen Seite der Galaxie unterwegs sind – würde man beispielsweise die CSU-Programmatik von 1975 zum Vergleich heranziehen.

Die nicht repräsentative Studie aus Basel ergab, das die Befragten im Durchschnitt 47 Jahre alt sind, Abitur hätten 31 Prozent, 34 Prozent einen Studienabschluss, der Anteil der Selbstständigen sei, so berichtet die Welt, deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Mindestens dieses Studienergebnis kann man allerdings auch ohne Abitur und Studium herleiten: Die Selbstständigen wollen ihre Geschäfte wieder öffnen, wollen Geld verdienen, dürfen aber nicht.

Nein, einer wie Söder ist nicht modern, er ist alles andere als ein Modernisierer, er ist am meisten machtversessen und oppositionsfern. Und deshalb muss er alles wegtreten und diffamieren, was ihm dabei im Wege stehen könnte. Dass die Querdenker es ihm dabei mitunter recht leicht machen, ist keine neue Nachricht. Auch das ist eine Nachricht von gestern. So wie Söder ein Politiker von gestern ist. Die neue Nachricht ist, dass unter den von ihm so hofierten Grünen auch viele Anhänger der Querdenker unterwegs sind, wie jetzt eine Studie belegt hat. Viel Spaß nach München kann man Markus Söder da nur wünschen.

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