Tichys Einblick
Corona-Krise

Staatsversagen: Es fehlt an Schutzkleidung für Krankenhäuser, Krankenwagen, Pflegepersonal, Feuerwehr und Polizei

Nach der Krise sollten eine ganze Reihe Versager so schnell wie möglich ihre Sachen packen.

imago Images

Die Bundeskanzlerin lobte in ihrer Rede das „exzellente Gesundheitssystem“ des Landes und dankte den Ärzten und weiteren Helfern beispielsweise im Pflegedienst, diese ständen in diesem Kampf in vorderster Linie: „Was sie leisten, ist gewaltig, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen.“

Nun hält so ein Dank in Fernsehkameras keine Viren auf. Allenfalls schaffen das Schutzkleidung, Atemmasken, Handschuhe, Desinfektionsmittel. Aber wo sind diese so dringend benötigten Materialien, welche die Helfer schützen, damit diese Patienten und eine nun stetig zunehmende Zahl an Coronaerkrankten versorgen können.

Zuletzt bei Maischberger berichtete eine Leiterin der deutschen Gesundheitsämter davon, dass es für ihre Einrichtungen schon jetzt keine Schutzmasken und –kleidung mehr gäbe, und der Chef einer Klinik, der ebenfalls in der Talkshow saß, meinte, seine Vorräte würden allenfalls noch ein paar Tage reichen, andere Kliniken – das wüsste er – hätten schon kein Material mehr. Augenärzte kaufen für für ihre Praxismitarbeiter und sich Schutzmasken und Desinfektionsmittel mancherorts zu überhöhten Kursen bei Ebay, so lange sie das wirtschaftlich können. Immer öfter bitten Ärzte wie hier die Bevölkerung darum, dass man Schutzmasken teilen möge:

Jetzt mehren sich die Stimmen, die daran erinnerten, schon vor etlichen Wochen im Gesundheitsministerium gemahnt zu haben, in Sachen Schutzkleidung endlich Vorsorge zu treffen. So berichtete beispielsweise der Spiegel von einem Hersteller von Schutzbekleidung, der mehrfach gemahnt hatte und nicht gehört wurde. Für ihn ist das Verhalten der Bundesregierung „grob fahrlässig und verschärft die Krise unnötig.“

Unterstützt wird der Unternehmer vom Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, der Anfang der Woche Alarm schlug, das es keine Schutzkleidung mehr gäbe – nirgends. Schon vor Wochen hätte die Regierung versprochen zu helfen, aber nichts sei passiert: „Da ist nichts gekommen. Nicht eine einzige Maske haben wir gekriegt.“

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Klar ist: Damit steigt das Risiko der Helfer, selbst zu erkranken ins Bodenlose, ebenso, wie diese infizierten Helfer dann zu Gefährdern ausgerechnet für jene werden, denen sie doch helfen sollen. In der Provinz sieht das dieser Tage dann so aus, dass, wer zum Arzt geht, einem gegenübersteht, der sich auf individuelle Weise irgendwie versucht zu schützen mit einer Taucherbrille aus dem letzten Sommerurlaub, Handschuhen und einem selbstgebasteltem Mundschutz (Meldung einer Leserin).

Bild sprach mit dem Ehemann einer Ärztin, einem ehemaligem Journalisten und Unternehmensberater, der Angst um seine Frau hat. Für ihn ist Merkels Rede nicht mehr gewesen als heiße Luft. Der Ärztin fehlen bis heute Schutzmaske und Schutzkleidung. In seiner Verzweiflung wandte sich der Ehemann per Twitter an die Bundeskanzlerin und berichtete dieser von seiner Angst. Aber nicht, um Mitgefühl zu ernten, sondern um endlich die dringend benötigten Materialien zu bekommen.

Das gleiche gilt übrigens auch in gleichem Maß für Desinfektionsmittel, wenn in Bayern schon örtliche Schnapsbrennereien Krankenhäuser Hilfsangebote machen und in Braunschweig auf Kinderkrebsstationen die Desinfektionsmittel gestohlen werden – wer macht so etwas, wenn dort sowieso nur die engsten Angehörigen Zutritt haben/hatten und das Personal?

Der Staat hat trotz unübersehbarem kommendem Bedarf nicht rechtzeitig gehandelt. Der Bundesgesundheitsminister hat die Unwahrheit gesagt, als er noch am Vorabend der Krise großspurig verkündete: „Wir sind gut vorbereitet.“ Alles wäre unter Kontrolle und wenn die Epidemie käme, gäbe es ausreichend Isolierstationen und – zimmer und die Ausstattungen, die man eben bräuchte. Unfähigkeit oder gelogen, um Panik zu vermeiden bzw. Unfähigkeit zu vertuschen?

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Doch, die Regierung will mittlerweile ganz sicher diese Dinge beschaffen. Aber sie kann auf kurze Distanz zur kommenden Epidemie nicht zaubern. Der Erlass der EU und auch Deutschlands, Schutzmasken und Schutzbekleidung mit einem Ausfuhrstopp zu belegen, kam ebenfalls viel zu spät.

Die ganze Welt braucht jetzt diese Materialien. Der Spaß, die obszönste Geld-Forderung für Schutzmasken in den privaten Kleinanzeigen zu finden, ist längst zur bitteren Begleiterscheinung eines weltweiten Problems geworden.

Die Süddeutsche nennt Zahlen am Beispiel Italiens, dort würden pro Monat alleine ca. 90 Millionen Gesichtsmasken gebraucht. Die Chinesen hatten sich sogar schon erbarmt und per Flugzeug 31 Tonnen Hilfsgüter geliefert samt einem knappen dutzend Ärzten. Als die Franzosen ahnten, dass es Engpässe geben würde, soll Schutzkleidung aus den Lagern der Hersteller sogar beschlagnahmt worden sein.

Nein, man muss jetzt nicht als erstes überlegen, Infizierte per App zu überwachen, wenn nicht einmal die Ärzte entsprechend ausgerüstet sind. Viele mögen es vergessen haben, aber in China erkrankten in den ersten Wochen des Ausbruchs mehr als 4.000 Ärzte und Pfleger, weil die Ausrüstung fehlte.

China muss übrigens gar kein Ausfuhrverbot erlassen, denn der immer noch anhaltende Bedarf im eigenen Land saugt die Lager der Produzenten fast automatisch leer. Zudem haben die Unternehmen eine Garantie bekommen, dass auch eine eventuelle Überproduktion vom Staat aufgekauft werden würde.

Mittlerweile produzieren weltweit etliche teils auch branchenfremde Unternehmen Schutzkleidung. Ein chinesischer Autobauer ist ebenso dabei, wie der Apple-Zulieferer Foxconn und auch der deutsche Bekleidungshersteller Trigema, der seine Produktion teilweise auf Mund- und Nasenschutzmasken umgestellt hat. Unternehmenschef Wolfgang Grupp meldete gegenüber dem Tagesspiegel stolz steigende Produktionszahlen. Der Dank der Bundeskanzlerin hätte also auch diesen findigen Unternehmern gelten müssen, sind sie es doch alleine, die dieses weitere eklatante Staatsversagen möglicherweise noch abwenden können.

So lange die Krise anhält, soll die Regierung also ihre Arbeit machen, ein Wechsel der Köpfe wäre jetzt sogar kontraproduktiv – anschließend aber sollten eine ganze Reihe dieser Versager so schnell wie möglich ihre Sachen packen. Merkel und Spahn stehen auf der Liste jedenfalls ganz oben. Ein paar Gründe dafür waren hier eben zu lesen. Und es gibt etliche weitere.

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