Tichys Einblick

Sachsen-Anhalt total verfilzt? Wieder neue Skandale um Lotto-Chefin

Was ist dran an einem Antrag der AfD für einen Untersuchungsausschuss, der stillschweigend durch Enthaltung der Abgeordneten der etablierten Parteien im Landtag von Sachsen-Anhalt gebilligt wurde? Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine ehemalige SAW-Moderatorin, der nicht zum ersten Mal üble Kungeleien vorgeworfen werden.

imago images / VIADATA

„Sechs Richtige im Lotto“ ist Synonym dafür, dass ein Geldsegen aus heiterem Himmel alle finanziellen Sorgen des Alltags löst. Nun wäre es prima, man könnte seinem Glück auf die Sprünge helfen. Welcher Lotto-Spieler hätte nicht schon einmal vom Blick in die Zukunft – also auf kommende Ziehungen – geträumt?

Nun muss man nicht in die Glaskugel schauen, will man sich in eine vorteilhafte Lage bringen. In Sachsen-Anhalt beispielsweise wurde der Verdacht laut, es reiche, wenn man aus einer guten Position heraus ein paar Strippen zieht, wie jetzt ein Skandal rund um einen privaten Radiosender und die Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt belegen soll. Namentlich im Fokus steht eine Frau, die beiden Institutionen diente bzw. dient: Maren Sieb ist Geschäftsführerin der Lotto GmbH des Landes und sie war Moderatorin der ersten Stunde des Radiosender SAW (Sachsen-Anhalt-Welle).

Auf einer Fan-Seite des Senders teilt Sieb ihr Lebensmotto mit ihren Fans: „Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Und der MDR zeigt auf einer Website ein Bild der Moderatorin, die sich lächelnd über eine überdimensionale Lotto-Kugel mit der Zahl 13 beugt. Der TV-Sender schreibt dazu: „Dunkelhaarige Frau steht neben einer Lotto-Kugel.“ 

Was sich gerade so locker dahinplaudert, steht jetzt unter Verdacht, nur die glattgebügelte Oberflächenbeschreibung eines Sumpfes zu sein, wenn besagte Maren Sieb einmal mehr im Mittelpunkt eines unappetitlichen Skandals rund um Vorteilsnahmen und Begünstigung steht. So jedenfalls wird es von der AfD-Fraktion des Landes in einem Antrag zu einem Untersuchungsausschuss behauptet. Aber nicht nur von denen, wenn die ansonsten gegenüber der AfD um Abgrenzung bemühten Parteien den Vorstoß der AfD per Stimmenenthaltung klammheimlich billigen – wohl das Maximum dessen, was man sich zähneknirschend abringen konnte.

Die Vorwürfe der Vorteilsnahme gegen die Lotto-Chefin des Landes sind tatsächlich gravierend. Schon einmal war Sieb Thema einer Debatte im Landtag von Sachsen-Anhalt, wo es um gekaufte Radiosendungen für Regierungspolitiker ging. Aber auch schon früher titelte die Magdeburger Volksstimme über sie: „Die Journalistin, die keine war.“ Kurz erzählt ging es hier darum, dass Radio SAW in 2011 den Mitteldeutschen Radiopreis für das Radio-Spezial „Diagnose behindert“ bekommen hatte. Später sollte sich allerdings herausstellen, dass der Preis unrechtmäßig angenommen wurde, weil Maren Sieb und ihre Kollegin Astrid Wessler (heute Pressesprecherin bei Lotto-Sachsen-Anhalt) einen verdeckten Auftraggeber für die preisausgezeichnete Moderation gehabt haben sollen.

Und vor allem, weil Sieb überhaupt nicht mehr im Sender SAW beschäftigt war, was den Juroren nicht aufgefallen war. Sieb war zu dem Zeitpunkt Inhaberin einer Werbeagentur, ihr Kunde war der Paritätische Wohlfahrtsverband, dessen gute Arbeit in der Preis ausgezeichneten Sendung hervorgehoben wurde. 68.000 Euro zahlte der Verband an die Agentur der ehemaligen Moderatorin für ein „Rundumangebot bei Radio SAW“. Der heutige Chef der Werbeagentur soll mittlerweile der Lebensgefährte von Maren Sieb sein. Als sie 40 Jahre wird und er seinen 50. Geburtstag begeht, werden pressewirksam Erlöse aus der gemeinsamen Geburtstagsfeier dem Wohlfahrtsverband gespendet: 1.000 Euro für die „Rappelkiste-Spendenbox“. Denn man hätte schon genug Toaster und Kaffeemaschinen und hätte sich also Geld gewünscht von den Freunden. Geld von Freunden für gute Freunde also. Oder: Magdeburg intim.

2015 stand Maren Sieb erneut in der Kritik: Dieses Mal feuerte die Linke gemeinsam mit den Grünen aus allen Rohren, wenn hier ein mächtiger Magdeburger Klüngel erzählt wurde, in dessen Mitte wiederum die vielbeschäftigte Frau Sieb stand.

Für die Magdeburger Volksstimme Grund genug, einen grünen Abgeordneten dahingehend zu zitieren, die SAW-Moderatorin hätte Sachsen-Anhalts Finanzminister Bullerjahn „den Wahlkampf organisiert und sei anschließend zur Lotto-Chefin aufgestiegen – ohne kaufmännische Erfahrung.“ Für den Grünen war damals schon „dieser Filz“ rund um Sieb „Gift für die politische Kultur im Land.“

Aber zurück zum aktuellen Fall. Im genannten Antrag zur Einsetzung einer Untersuchungskommission vom 21. August 2019 heißt es unter anderem:

„Vor ihrer Tätigkeit bei der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt war Sieb Moderatorin bei Radio SAW. Nach dem Wechsel zur Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt im August 2012 folgten anschließend einige weitere Mitarbeiter von Radio SAW und der ISA_i_motion GmbH. Auffällig ist, dass nach rund 20 Vertragsjahren die Partnerschaft mit dem selbständigen Lotto-Bezirksleiter in Magdeburg beendet worden ist. Die Nachfolgerin wurde Siebs ehemalige Radio SAW-Kollegin Andrea Krause-Ingelbach.“

Die Liste der Anwürfe/ Vorwürfe ist sogar noch länger: So soll die dunkelhaarige Frau von der Lotto-Kugel gemeinsam mit ihrem Lebenspartner ( er ist heute Geschäftsführer der ISA_i_motion GmbH) einem Golfsportverein beigetreten sein, dem im Folgejahr wundersam Fördermittel durch Lotto zugedacht wurden. So jedenfalls steht es im Antrag zum Untersuchungsausschuss, der weiter von Sportwetten über eine Million Euro berichtet durch einen einzigen Spieler im Bereich des CDU-Bezirksleiters, was obendrauf den Verdacht mindestens der Spielsucht, wenn nicht der Geldwäsche nahe legen würde.

Tatsächlich sind Skandale um Lotto-Gesellschaften keine Seltenheit, so gab es sie schon in den 1990er Jahren welche in Niedersachsen, einige weitere folgten quer durchs Bundesgebiet und es gibt sie noch, wie aktuell neben dem aus Sachsen-Anhalt, einer im Saarland beweist.

Bezogen auf Sachsen-Anhalt spricht die AfD von einer „Lotto-Filz-Affäre“. Lotto Sachsen-Anhalt kontert ungewöhnlich direkt und scharf, wenn auf der Seite der semi-staatlichen Glücksspiel-GmbH eine Mitteilung erscheint mit der Überschrift: „Vermutungen der AfD beschädigen Marke Lotto“. Dort heißt es weiter: Die Behauptungen der AfD seien haltlos und unbegründet und sie würden das Ansehen der GmbH, das von Maren Sieb und das der Empfänger von Fördermittel beschädigen. Hat hier die Freundin aus SAW Tagen, hat hier die ehemalige Moderatorin und heutige Lotto-Pressesprecherin Wessler unterstützend aufgeschrieben?

Davon unbeeindruckt stellt sich mittlerweile auch die FDP hinter den Antrag der AfD, der, wie hier schon erzählt, von weiteren Fraktionen im Landtag durch Enthaltung stillschweigend gebilligt wurde.

Aber was passiert nun konkret mit Überschüssen aus dem Lotto-Geschäft, deren Verwendung sich einer parlamentarischen Kontrolle weitestgehend entzieht? Sie werden beispielsweise für die Sportförderung und den Denkmalschutz ausgegeben. Das jeweilige Bundesland ist alleiniger Anteilseigner oder Mehrheitseigner zusammen mit Landessportverbänden.

Weitere Mittel in Millionenhöhe stehen auf Antrag für fördewürdige Projekte zur Verfügung.

Von jedem Euro, der für ein Produkt von Lotto Sachsen-Anhalt ausgegeben wird, so heißt es auf der Website, kommen rund 20 Cent den Menschen im Land zugute. Das seien, so der Artikel, „jeden Tag rund 17.400 Lotto-Euro für das Gemeinwohl in Sachsen-Anhalt.“ Die GmbH unterstützte in 2018 insgesamt 374 Projekte mit insgesamt 6,346 Millionen Euro. Die Fördersummen müssen beantragt werden.

Förderungen über 15.000 Euro werden von einem Lotto-Beirat aus 15 Mitgliedern entschieden. Zu ihnen gehören Vertreter des Landssportbundes, der Wohlfahrtspflege, der Kirchen und aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Alle Projekte unter 15.000 Euro werden – ebenfalls laut Informationen auf lottosachsenanhalt.de – allerdings von den Geschäftsführern selbst entschieden, also von Maren Sieb.

Die Lotto-Chefin von Sachsen-Anhalt hat also dem persönlichen Glück anderer auf die Sprünge geholfen. Aber das macht sie noch lange nicht zur guten Fee Magdeburgs. In wie weit sie mit dem von ihr verantworteten Lotto-Füllhorn zu weit gegangen ist – auch das will ein Untersuchungsausschuss nun klären.

Aber ganz gleich, was dabei heraus kommt, auf jeden Fall ist es jetzt höchste Zeit, einmal die Praxis der Verteilung der Lotto-Einnahmen neun zu überdenken, beispielsweise die Verteilung der Lotto-Millionen unter Parlamentskontrolle zu stellen. So lässt sich möglicherweise verhindern, dass es in Zukunft zu Transaktionen und Zusammenarbeiten kommt, die den Ruch von Gefälligkeiten haben könnten. Die es so aussehen lassen, als könne man auch dem eigenen dem Glück auf die Sprünge helfen – auch ganz ohne Glaskugel, wenn man nur in der richtigen beruflichen Position ist.

(Eine Anfrage bei der Lotto-Pressesprecherin und ehemaligen SAW Co-Moderatorin von Maren Sieb blieb bisher unbeantwortet, wird ggf. nachgereicht.)

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