Tichys Einblick
Ungeregelte Migration geht weiter

Jetzt wieder die Balkanroute – nun Bosnien

Ewige Fragen, ewig ohne Antworten. Die Frage allerdings, wie die anhaltende ungeregelte Massenzuwanderung nach Europa zu stoppen ist, steht jetzt schon seit einem halben Jahrzehnt auf dem Aufgabenzettel etablierter Politik an erster Stelle.

Migrants leave Lipa refugee camp, which burnt last week and is being evacuated, located at border with Croatia in Bihac, Bosnia and Herzegovina to reach Sarajevo on December 29, 2020

picture alliance / AA | Amar Mehic

Fünf Jahre nach Beginn der Massenzuwanderung nach Europa und der Einladungspolitik der deutschen Bundeskanzlerin bleibt offenbar alles wie es ist. Auch 2021 werden neue Brennpunkte und Zuwanderungsknotenpunkte weiter künstlich am Leben erhalten. Politik, Medien und öffentlich-rechtliches Fernsehen tragen in Deutschland jeweils ihren Teil dazu bei, das Elend zu erhalten, anstatt endlich faktenbasiert zu berichten und echte und langfristige Lösungen einzufordern bzw. politisch durchzusetzen.

Ein Gemengelage aus Unfähigkeit, trügerischer wie selbstverliebter sogenannter humanitärer Gesten, solcher, die am Ende wieder noch mehr Leute unter medialem Trommelfeuer in noch schlimmer prekäre Situationen bringt, von wo aus sie dann doch bitte nach Deutschland geholt werden sollen: Den ersten Hotspot dieser bigotten Empörung kann man 2021 erneut auf der Balkanroute, genauer in Bosnien und Herzegowina, festmachen.

Das Jahr 2020 endete mit einer Etablierung der lebensgefährlichen Schlepperbewegungen vor der nordafrikanischen Küste durch neue sogenannte Seenotrettungsboote und greift 2021 wiederum auf den Landweg, auf die Balkanroute über. Diese beiden Hauptrouten der anhaltenden Zuwanderung nach Deutschland – neben einem viel weniger beachteten regen Flugverkehr – sind auch nach fünf Jahren und einer Reihe dramatisch-theatralischer politischer Lippenbekenntnisse vorsätzlich nicht geschlossen bzw. wiedereröffnet worden.

Wer ab Herbst 2021 mit den Grünen koalieren will, wird sich hüten, hier Lösungen voranzutreiben, also bleibt es, wie es ist.

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Einen Tag nach Neujahr beispielsweise hatte der Bewerber um den CDU-Parteivorsitz Friedrich Merz, ohne mit der Wimper zu zucken, die Ära Angela Merkel als „16 erfolgreiche Jahre“ umschrieben. Zum Thema Migration sagte Merz weiter: „Ich sehe es genauso, wie die Bundeskanzlerin: Was 2015/16 geschehen ist, darf sich nicht wiederholen.“ Die anhaltende Beförderung illegaler Zuwanderung durch die Bundesregierung wird also von ihm als Verhinderungspolitik illegaler Zuwanderung verkauft. Da nutzt es auch nichts, dass Merz wie schon etliche Politiker vor ihm darauf hinweist, dass Abschiebungen konsequenter durchgeführt werden müssen. Wo der aktuelle Koalitionspartner (SPD) und der zukünftige (Grüne) diese Abschiebungen kategorisch ablehnen und dem eigentlich mit Abschiebungen gesetzlich beauftragten Bundesinnenminister seit Jahr und Tag Knüppel in den Weg schmeißen, sind solche Aussagen wertlos, wenn Merz und andere nicht gleichzeitig auf diesen Boykott von Abschiebungen und die Verweigerung wirkmächtiger Begrenzungen illegaler Massenzuwanderung hinweisen.

Friedrich Merz hatte beim ersten Durchgang seiner damals gescheiterten Bewerbung (2018) um den Parteivorsitz die SPD und die Grünen noch als politische Gegner bezeichnet, Ende 2020 plädierte er für eine Koalition mit den Grünen auf Bundesebene. Damit stehen aber auch seine jüngsten Äußerungen zur illegalen Zuwanderung unter Vorbehalt.

Merz hat sich zu besagter Situation in Bosnien und Herzegowina geäußert. Den Menschen solle an Ort und Stelle geholfen werden. Im Prinzip hat er richtig festgestellt, was dort aktuell passiert, aber er hat diese Fakten nicht adressiert und gleichzeitig diejenigen umgarnt, die diese Fakten verweigern. Merz hat richtig festgestellt, dass sich die auf dem Balkan gestrandeten Zuwanderer (Merz nennt sie im Übrigen wie die Grüne und SPD weiter „Flüchtlinge“) geweigert hätten, neue feste Unterkünfte für den Winter zu beziehen. Nicht darauf hingewiesen hat er, dass diese Menschen ihre Zeltunterkünfte in Brand gesetzt hatten, um mitten im Winter die Not zu vergrößern bzw. den Druck auf aufnahmewillige EU-Länder zu erhöhen und die Bilder davon noch wirkmächtiger zu machen (Foto des Jahres wurde ein Bild der Brandstiftungen auf Lesbos). Warum? Weil es für viele Menschen unter jenen Zuwanderern nicht darum geht, vor Verfolgung in einen sicheren Hafen zu flüchten, sondern sie wollen nach Deutschland. Und um das zu erreichen, ist einigen leider offensichtlich auch fast jedes Mittel recht.

Die Tagesschau beispielsweise erzählte online noch an Neujahr von der gescheiterten Verlegung der wenigen hundert illegalen Migranten, vergaß aber zu berichten, dass dieses Scheitern darauf basierte, dass den Menschen durchaus klar war, dass, wenn sie in Bosnien und Herzegowina einigermaßen lebenswerte Umstände bekommen, die Chance nach Deutschland zu gelangen deutlich geringer sein wird. Die Tagesschau spricht vom „Elendslager Lipa“, das vor einer Woche abgebrannt sei. Davon, dass es die Bewohner selbst angesteckt hatten nach Vorbild der Brände in den Lagern auf den griechischen Inseln: kein Wort. Und die Verlegung in feste Unterkünfte ist laut Tagesschau auch nicht an den Bewohnern des Lagers gescheitert, sondern einheimische Anwohner sollen nun schuld sein. Sicherlich hatten auch die Bedenken, aber die Verweigerung der illegalen Migranten war ausschlaggebender.

Das aber war noch nicht der letzte Akt in diesem bigotten Theater politischer Willensbekundungen, machttaktischer Erwägungen und der Verzerrung dessen, was tatsächlich passiert: Nach 85,5 Millionen Euro für Bosnien und Herzegowina seit 2018 für die Versorgung der illegalen Zuwanderer vor Ort, kommen im neuen Jahr erneut ein paar Millionen aus der EU-Kasse dazu. Also zu einem großen Teil vom deutschen Steuerzahler. Diese Zahlung ist beschlossene Sache. Währenddessen wetteifern etliche deutsche Nichtregierungsorganisationen (NGO) darum, das Elend weiter zu beschreien, anstatt sich dafür einzusetzen, dass die Lage vor Ort stabilisiert und den Menschen klargemacht wird: Schutz gibt es nur hier und nicht weiter. Selbstredend leben auch die NGO davon, dass das Elend sichtbar bleibt. Nur so halten sie den üppigen Spendenfluss der Wohlstandsdeutschen am Laufen, denen erst ein schlechtes Gewissen gemacht wurde, von dem sie sich dann freispenden können. Der moderne Ablass funktioniert längst auch, ohne das Kreuz der Christen vorneweg zu tragen. Aber die Christen mischen selbstredend auch hier fleißig mit.

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Auch der österreichische Standard bläst ins selbe falsche Horn wie die deutsche Tagesschau: Unter der Überschrift „EU-Sondergesandter nennt Lage für Flüchtlinge in Bosnien „inakzeptabel““ wird ein Bild von sich im Freien an einem Feuer aus Sperrholz wärmenden Afghanen in dicken Jacken gezeigt. Von Grundrechten spricht der Gesandte, die in Gefahr seien. Aber fehlende bzw. die selbsterzeugte Abwesenheit von Grundrechten darf doch kein Argument dafür sein, diesen Menschen den Weg nach Deutschland zu gewähren. Denn schon in Kürze werden weitere nachrücken, NGO, Medien und andere werden schon dafür sorgen, dass die Arbeit der kroatischen Grenzschützer maximal erschwert bzw. in einem denkbar schlechtem Licht dargestellt werden, die illegale Migration anhalten und besser nachrücken kann.

Die europäische Grenzsicherung Frontex könnte hier eventuell helfen? Auch das stimmt nicht. Auf Lesbos ist längst klar geworden, dass Frontex nicht Lösung, sondern Teil des Problems ist. Hier sind die europäischen Grenzer längst zu Asylantragannahmestellen geworden. Ironie der Geschichte: Trotzdem werden sie von den NGO und Medien obendrauf noch als mit illegalen Mitteln operierende Kräfte dargestellt, die Illegale illegal zurückschicken würden – was für eine Groteske.

An Neujahr 2021 also jetzt der nächste Showdown im von seinen Bewohnern zuvor teilweise abgefackelten Lager Lipa in Bosnien und Herzegowina: Als das Militär neue größere und stabilere Zelte aufstellen wollte, protestierten die illegalen Migranten gegen diese Verbesserung, dieselben Migranten, die sich zuvor schon geweigert hatten, die festen Unterkünfte in der ehemaligen Militärkaserne zu beziehen.

Warum? Weil sie nach Deutschland wollen. Warum? Weil es hier eine für sie üppige Sozialhilfe, Wohnraum und vieles mehr gibt, das es in den Herkunftsländern dieser Menschen nicht gibt. Und das übrigens nicht nur deshalb, weil ihnen dieser Komfort vom IS oder gar von amerikanischen Bombern zerstört wurde. Es ist keine Neuigkeit der 2020er Jahre: Es gibt auf der Welt ein Wohlstandsgefälle.

Und das auszusprechen fällt heute insbesondere jenen schwer, die bereits in diesen prädestinierten Wohlstand hineingeboren wurden. Ist die Welt gerecht? Wie entsteht dieser Wohlstand? Gedeiht er besonders gut in einer sozialen Marktwirtschaft und unter freiheitlich-demokratischen Bedingungen? Und haben Afghanen oder Afrikaner ein Recht auf den Wohlstand, den Deutsche, Dänen oder Schweden, oder deren Vorfahren erarbeitet haben?

Ewige Fragen, ewig ohne Antworten. Die Frage allerdings, wie die anhaltende illegale Massenzuwanderung nach Europa zu stoppen ist, steht jetzt schon seit einem halben Jahrzehnt auf dem Aufgabenzettel etablierter Politik an erster Stelle. Friedrich Merz, Armin Laschet und wie sie alle heißen, Politiker die aktuell um die Machtpositionen von morgen rangeln, haben an nachhaltigen Lösungen allerdings kein Interesse. Denn dafür müssten sie Farbe bekennen, müssten Positionen beziehen, die ihnen in ihrem Pokerspiel um die Macht im Wege stehen.

Nein, sie schaffen es ja nicht einmal, die verheerende Politik ihrer Vorgänger zu kritisieren, auch Merz möchte offenbar weitgehend so weiter machen wie die Kanzlerin – auf ihre bizarren Umfragewerte schielend und dabei um die Grünen buhlend, die von den Medien und den Öffentlich-Rechtlichen kontinuierlich aufgeblasen wurden wie ein Souflé bis zur Bundestagswahl im Herbst.

Derweil weigern sich ein paar hundert illegale Migranten, vorwiegend wohl Afghanen, im entfernten Bosnien und Herzegowina in feste Unterkünfte zu ziehen, sie möchten lieber nach Deutschland. Und sie bekommen aus Deutschland hoffnungsvolle Signale, dass es sich weiter lohnt, mit allen Mitteln darauf zu bestehen, nach Deutschland kommen zu dürfen.

Schon eine kurze Google-Recherche mit dem Suchbegriff „Geld nach Afghanistan senden“ reicht übrigens, um festzustellen, was ebenfalls noch hinter dem Begehren steckt, nach Deutschland zu kommen. Jedes weitere Herkunftsland kann bei dieser Recherche „Afghanistan“ ersetzen. Den Deutschen kann ihren Wohlstand allerdings niemand ersetzen, kein Merz, kein Laschet und kein Bedford-Strohm.

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