Tichys Einblick
Deutschphobisches

Familienministerium finanziert Studie: Ostdeutsche und Migranten sitzen im selben Boot

Das Gegenteil ist wahr: Immer mehr Bundesbürger schauen mit großem Respekt und dann mit einem emsigen Kopfnicken hinüber zu ihren Landsleuten in die neuen Bundesländer.

imago/Müller-Stauffenberg

Ein altes Sprichwort sagt, der Zweck heilige die Mittel. Und die Bibel schreibt, der Glaube könne Berge versetzen, beides ist aber leider Unfug. Jedenfalls dann, wenn sich eine Reihe von Leuten mit Migrationshintergrund gemeinsam mit ein paar unverdrossenen deutschen Refugees-Welcome-Adepten wie Verdurstende in der Oase aufs Wasser stürzen, wenn sie sich an eine Studie heranwanzen, die nun allen Ernstes herausgefunden haben will, dass Ostdeutsche auf vergleichbare Weise benachteiligt, ausgegrenzt oder sonst wie unter der Knute des Westdeutschen ständen wie angeblich Migranten in Deutschland.

Zur Studie: Wir machen es dieses Mal anders, lassen die Details links liegen und nutzen etwas, das immer öfter vernachlässigt und verächtlich gemacht wird, wenn wir einmal nur auf die Intention hinter dieser Studie schauen: den gesunden Menschenverstand und das Gespräch über den Gartenzaun mit Bürgern, mit denen wir mehr als nur unsere Sprache gemeinsam haben.

Dabei heraus kommt ein Blick auf diese Studie als unseligen Versuch, die fehlende Integrationswilligkeit vornehmlich muslimischer Migranten als Spaltkeil ausgerechnet an jene Narbe zu setzen, wo in aller individueller Ausprägung längst zusammengewachsen ist, was zusammengehört. Wie abenteuerlich, wie geradezu tollkühn ist hier der Versuch, die Dresdnerin, den Magdeburger und die Chemnitzerin gegen den Bielefelder, die Hamburgerin und den Würzburger aufbringen zu wollen?

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Wenn Ideologie Wissenschaft frisst und Muslime und Ostdeutsche in einer „Studie“ gemeinsam diskriminiert werden
Das Gegenteil ist wahr: Immer mehr Bundesbürger schauen mit großem Respekt und dann mit einem emsigen Kopfnicken hinüber zu ihren Landsleuten in die neuen Bundesländer. Dorthin, wo ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat Teil der DNA geworden ist, dorthin, wo epidemische Ideologien mit aller gebotenen Skepsis beäugt werden. Wer sich auf Spurensuche begibt, wer sich beispielsweise das Debakel der Grünen in den neuen Bundesländern anschaut, der bekommt interessante Hinweise, die auf alles andere verweisen als etwa auf eine ostdeutsche Unart. Wenn die Sensoren dieser Bürger dafür, was nicht gut für sie und ihr Land ist, zum Vorbildcharakter für die Einschätzungen der Leute in den neuen Bundesländern wird.

Ganz gleich, wie man im Einzelnen dazu stehen mag, die Wiege vieler der wichtigen Debatten der Gegenwart findet sich im ostdeutschen Vordenken. Von einer fulminanten Zuwanderungskritik bis hin zu massiven Störungen des Berliner Politapparats, wenn der im Osten auf Werbetour geht – die Kanzlerin musste es mehrfach am eigenen Leib spüren, wie sich das anfühlt, wenn man gnadenlos ausgepfiffen, ausgebuht und am liebsten gleich wieder über die Stadtgrenze hinaus komplementiert wird. Doch, der Seismograph für die gesamtdeutschen Befindlichkeiten steht längst in den neuen Bundesländern.

Und die Bypässe hinüber in die alten Bundesländer werden immer stabiler verlegt: Nein, man muss kein Freund von Sigmar Gabriel sein, aber wenn er nur eine einzige Sache verstanden haben sollte, dann die, wo die Volksbewegtheit eventuell ihren Antrieb haben könnte, wo die Debatten der Zukunft entstehen, als er viel früher als andere nach Dresden kam und bei den Zuwanderungskritikern von Pegida Mäuschen spielte. Ein Sakrileg für einige. Eine notwendige Neugier für andere.

Wie kann also bitteschön jemand auf die unsinnige Idee kommen, es wäre möglich, einen dauerhaften Keil zu treiben zwischen Ost- und Westdeutsche, um damit die Position integrationsunwilliger Migranten zu stärken? Den Vogel abgeschossen hat hier sicherlich die deutschphobische Journalistin Ferda Ataman, als sie ihre Spiegel-Online Kolumne dazu nutzen wollte, an prominenter Stelle auf eine nicht vorhandene Spaltung zwischen Ost- und Westdeutsche zu drängen, wenn dieses neudeutsche Pflänzchen allen Ernstes behauptet, auch Ostdeutsche hätten unterm Strich nur einen Migrantenstatus. Ist das schon Hetze? Sicher etwas ähnliches, wenn es bei Ataman weiter heißt, Ostdeutsche und Muslime würden ähnliche Diskriminierung erleben.

Wo war die Frau, als die Mauer fiel und sich die Deutschen in den Armen lagen? Wie waren die Gespräche im Hause Ataman, als sie zehn Jahre alt war? Oder war das junge Mädchen mit etwas anderem beschäftigt? Vielleicht damit, ihre Emanzipation von einem türkischstämmigen Elternhaus voranzutreiben? Aber um was zu erreichen? Um Heimat zu fühlen, die nichts mehr zu tun hat mit den Heimatgefühlen der Eltern, die ihre Heimat verlassen mussten, um in einer ihnen völlig unbekannten wenigstens das Glück für die Tochter zu finden? Fast ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall bittet uns Ataman per Buchtitel darum: „Ich bin von hier. Hört auf zu fragen!“

Aber genau diesen Gefallen werden wir ihr nicht tun, solange die Journalistin der Meinung ist, dass es für die Einordnung von Heimatgefühlen in Deutschland wichtig ist, zu erfahren, ob jemand aus dem Ost- oder Westteil des Landes kommt, wenn sie schreibt: „Dieses ganze Blabla, dass manche Minderheiten (also Muslime) ‚kulturell bedingt’ nicht integrationsfähig sind, ist Quatsch. Der Desintegrationsvorwurf trifft schließlich auch areligiöse oder christliche Deutsche.“

Nein, hier werden nicht Äpfel mit Birnen verglichen, hier geht es um zwei fundamentale Gegensätze: Um einen selbstverständlichen Identifikationswillen und – wunsch auf der einen Seite und um die zwanghafte Verweigerung, Teil dieses Landes zu sein, dann nämlich, wenn es nicht gelingt, die vorherrschenden Regeln und Gepflogenheiten zu brechen, zu biegen und nach eigenem Gusto zu verändern – wenn man also ein ausgewachsenes Anpassungs- bzw. Integrationsproblem hat. Unabhängig davon übrigens, wo man geboren ist. Auch in Berlin, Hamburg und Stuttgart kann man heute nämlich ganz weit weg von Deutschland unterwegs sein.

Tatsächlich gibt es mindestens einen fundamentalen Unterschied zwischen Ostdeutschen und Migranten: Der Ostdeutsche und der Westdeutsche teilen in großer Mehrheit eine gemeinsame Geschichte. Sie teilen die Erzählungen der Eltern und Großeltern. Und sie teilen sich seit über einem Vierteljahrhundert auch die Freude, nach vier Jahrzehnten der Teilung durch Mauer und Stacheldraht und oft quer durch die Familien wieder in einem geeinten Land der Deutschen zusammenleben zu dürfen.

Für Millionen Menschen diesseits und jenseits der ehemaligen Todesstreifen ist der Mauerfall das prägende Ereignis ihres Lebens. Ein freudiges Ereignis, wo die Erzählungen der Eltern und Großeltern noch von Krieg, Vernichtung, Vertreibung und nicht zuletzt von der Erinnerung an den Holocaust bestimmt waren/sind.

Ja, Ost- und Westdeutsche sind in der Mehrzahl auf tatsächlich verwandtschaftliche Art und Weise Brüder und Schwestern. Sie sind tatsächlich Teil einer Familie. Früher nannte man es: Volk. Aber das Allerschönste an dieser Erzählung: ganz besonders dieses Volk, diese Deutschen, haben das Potenzial und die Kraft zur Umarmung auch von Menschen, die neu hinzugekommen sind. Die noch nicht Teil dieser Erzählung sind, aber die es morgen schon sein könnten und möglicherweise sein sollten. Dann nämlich, wenn sie es wirklich sein wollen. Schön, wenn das dann gemeinsame Geschichten werden, auf die dieses Land stolz sein darf. Ein Selbstläufer allerdings ist und wird das ganz sicher nicht.