Tichys Einblick
Warum der Untersuchungsausschuss nicht kam

Die Selbstuntersuchung des BAMF ist unglaubhaft

Ob der zurückgehaltene Selbstprüfungsbericht des BAMF oder die angeblich geglückt beendete Griechenlandrettung: Überall schimmert einer der bekanntesten Sätze von Juncker durch: "Wenn es ernst wird, muss man lügen."

© Sean Gallup/GettyImages

Nein, Aufklärung geht anders. Das weiß offenbar auch das Bundesinnenministerium, wenn es um Ergebnisse der internen Prüfungen zum BAMF-Skandal geht und nun die Abgeordnete Ulla Jelpke der Linkspartei, einmal mehr mittels kleiner Anfrage Fakten auf den Tisch zerren musste, weil von alleine nichts kommen wollte. Nun agiert hier das Büro Jelpke nicht ganz uneigennützig, aber das soll uns hier nur am Rande interessieren.

Hieß es ursprünglich einmal, die über tausend unter Betrugsverdacht stehenden Asylbewilligungsfälle in Bremen seien nur die Spitze des Eisbergs und weitere Standorte der Behörde mit weiteren Fällen seien auf dem Prüfstand, konzentrierten sich die Meldungen schon kurze Zeit später fast ausschließlich auf Bremen, selbst dann noch, als vom Bundesdurchschnitt abweichende Zahlen aus mehreren anderen Bundesländern vorlagen, also eine flächendeckende Prüfung gegeben schien.

Mit Händen und Füßen wehrten sich die Protagonisten des Desasters gegen einen Untersuchungsausschuss – häufig mit dem vorgeschobenen Argument, so etwas würde doch nur der AfD zuarbeiten.

Nun also nach Monaten der Aufarbeitungsarbeiten die Gegenoffensive, die allerdings schon daran scheitert, dass die Ergebnisse intern ermittelt wurden, also einer wirklich objektiven Beurteilung von außen entzogen sind. Hier zeigt sich dann einmal mehr, wie dringend notwendig ein Untersuchungsausschuss gewesen wäre, dessen Resultate jedenfalls ein größeres Maß an Glaubwürdigkeit vermittelt hätte, als das, was nun vorliegt und von der Süddeutschen aus exklusiv erteilter Kenntnis der Antwort auf die Kleine Anfrage erzählt wird.

Demnach hätten weit weniger „Flüchtlinge“ ein Bleiberecht erschlichen als ursprünglich befürchtet. Nun muss hier eindringlich erinnert werden, dass sowieso nur der geringste Teil der Bleiberechtler überhaupt als anerkannte Asylbewerber aus dem BAMF-Verfahren kommen. Alle anderen erhalten lediglich beispielsweise subsidiären Schutz, also Bleiberechte, die u.a. nicht automatisch Familiennachzug erhalten. Es sei denn, sie dürfen sich zu den eintausend Auserwählten seit August 2018 zählen, die Monat für Monat gemäß Koalitionsvertrag doch noch Familie nachkommen lassen dürfen bzw. weitere Personen, die sich auf eine Härtefallreglung berufen dürfen.

Die Süddeutsche schreibt: „Eine interne Überprüfung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zeigt: 99 Prozent der Migranten genießen zu Recht Schutz in Deutschland.“ Hier müsste es zunächst einmal heißen: genießen laut aktueller Rechtsauslegung und unter Einbeziehung der Arbeitsweise des BAMF „Schutz in Deutschland“. Soviel sprachliche Genauigkeit allerdings würde zu weiteren Irritationen führen.

Aber wie negiert man nun dringenden Handlungs- und Reformationsbedarf? Indem man erleichtert verkündet, aktuelle Prüfzahlen würden die Befürchtungen nicht bestätigen. Nach den per kleiner Anfrage quasi erzwungenen Antworten des Bundesamtes wären 43.000 Prüfverfahren abgeschlossen, von denen es nur in 307 Fällen zu einem Entzug des bereits gewährten Schutzstatus kam. Man darf hier zunächst gespannt sein, wie viele dieser 307 Personen überhaupt und wann tatsächlich abgeschoben werden. Denn würde das nicht sofort geschehen, könnte auch hier erneut ein Bleiberecht erwirkt werden, wenn denn nur ein bestimmtes Zeitfenster überschritten wird.

Also dann, wenn es nicht bereits überschritten wurde, was zur nächsten Frage führt. Nämlich dazu, wie viele der überprüften und für korrekt befundene Fälle alleine deshalb ein Bleiberecht zugestanden wurde, weil sie von einer unrechtmäßigen Bewilligung bis zur besagten Prüfung bereits mit der Dauer ihres Aufenthaltes automatisch ein Bleiberecht erwirkt haben.

Nur in 0,7 Prozent der untersuchten Fälle, so die Süddeutsche, widerrief das Amt den Schutzbescheid. 99,3 Prozent der überprüften Flüchtlinge behielten das Recht, bleiben zu dürfen. Das ginge aus der Bilanz hervor, mit der das Bundesinnenministerium eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke beantwortete. Alleine die Tatsache, dass wiederum das fleißige Büro Jelpke den Stein ins Rollen bringen muss, ist für das Büro eine Auszeichnung, aber ein Armutszeugnis für das Ministerium und die Behörde. Es ist also nicht nur so, dass der Untersuchungsausschuss verhindert wurde (auch unter Zutun der Linkspartei), auch die Kommunikation von sowieso nur internen, also kaum neutral überprüfbaren Ergebnissen muss quasi via kleiner Anfrage dem Ministerium regelrecht abgetrotzt werden. Horst Seehofer muss nach dem gescheiterten Masterplan nun aufpassen, nicht noch weiter an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Nun kann es natürlich tatsächlich so sein, wie das Ministerium berichtet. Wenn nun aber die dem Ministerium unterstehende Behörde nach intransparenter interner Prüfung den Eindruck erwecken will, alles sei gar nicht so schlimm, dann darf man sich erinnern, wie der Skandal ins Rollen kam, wie er auch von Horst Seehofer gegenüber Angela Merkel instrumentalisiert wurde, der so etwas wie bedingungslose Aufklärung nicht nur versprach, sondern selbst forderte.

Nun die Gegenoffensive, der Versuch, den Skandal zu einem aufgebauschten „von politisch interessierter Seite“ zu machen, wie sich die Abgeordnete Jelpke von der Linkspartei ausdrückte. Demnach gibt es nun kaum relevante Sicherheitsmängel. Sogar das Gegenteil sei der Fall, wenn Ulla Jelpke jetzt auf Basis der Antworten des Ministeriums von einer „hohen Zahl fehlerhafter Ablehnungen“ spricht.

Nicht wahr sei es weiter, dass zahlreiche Asylsuchende über ihre Identität täuschen oder zu Unrecht anerkannt werden. Wir sind hier also, wie bei der Frage zunehmender oder abnehmender Kriminalität, wieder einmal bei der Einzelfall-Debatte angekommen und bei der Frage, ab wann man nicht mehr von Einzelfällen sprechen darf, soll, kann, muss. Offensichtlich liefert das Innenministerium nun Zahlen, die maximal Einzelfälle belegen sollen, wo man auf dem Höhepunkt des BAMF-Skandals bei voller Akteneinsicht durchaus einen Skandal erkannte, der das Gegenteil erzählt.

Einen, der nun weggewischt werden soll? Unabhängig von den tatsächlichen Betrugsfällen über Bremen hinaus sagt das alles nichts. Nichts, weil an einem Untersuchungsausschuss vorbei ermittelt und vor allem nichts, weil das Asylverfahren mit seinen vielfältigen regulären alternativen Bleibemöglichkeiten hier wohl Problem Nummer eins ist und weniger die vom Bundesinnenministerium ursprünglich einmal selbst aufs Schärfste kritisierte Schlechtleistung der Behörde.

Abschließend zur Erinnerung auch an die Adresse des Ministeriums: Horst Seehofer hatte sich Ende Mai 2018 für den Skandal entschuldigt. Er hatte volle Transparenz bei der Aufklärung der Unregelmäßigkeiten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zugesichert: „Alles, was mir bekannt wird, wird auch dem Parlament zur Verfügung gestellt.“ Nun musste die Linkspartei über das Büro Jelpke diese Zurverfügungstellung per kleiner Anfrage erwirken.

Seehofer entschuldigte sich damals bei der Bevölkerung für die Fehler, insbesondere beim BAMF in Bremen. „Der Vorgang in Bremen ist ein handfester, schlimmer Skandal.“ Klar bestätigt wurden damals die Manipulationen, die heute also quasi nur noch idiotischer Natur gewesen sein sollen, denn sie wären kaum nötig gewesen, weil sowieso fast jeder das Bleiberecht bekommen hätte. Was für ein Nichtergebnis aber ist das eigentlich?