Tichys Einblick
Betrug in Corona-Schnellteststellen

Die krummen Geschäfte mit den schnellen Tests

Corona-Schnellteststellen für kostenlose Bürgertests, die dann über die Krankenkassen abgerechnet werden, laden offenbar zu Betrügereien ein. Eine NDR-Recherche beförderte das zutage.

Corona-Test, Symbolbild

IMAGO / Jochen Eckel

Eine Reihe von Unionsabgeordneten hat es mit krummen Deals um Corona-Schutzmasken vorgemacht. Warum also soll es auf der Straße anders laufen, wo es darum geht, aus der Pandemie-Notlage Kapital zu schlagen?

Trainieren übrigens konnten die Corona-Kriegsgewinnler schon mit Beginn der Massenzuwanderung, als unternehmerische Raubritter ein Geschäftsgebaren an den Tag legten, das unter den Schlagworten „Asylindustrie“ oder „Anti-Abschiebe-Industrie“ bekannt wurde: Wer hier blieb, musste versorgt werden, die Interimsunterbringungen mussten eingerichtet werden, es gab viele Monate der besonderen Knappheit bei Containern, Zelten und Einrichtungen – bezahlt wurde lange nicht nach Preis, sondern schlicht nach Verfügbarkeit.

Nächste Krise, neue Betrugsmöglichkeiten: Jedenfalls sind die Spitzbuben in der Corona-Pandemie nicht bei der illegalen Bereicherung im Rahmen der Bereitstellung einer ausreichenden Menge Masken stehengeblieben. Und es passiert nicht nur von den Unionsbänken des Bundestags aus, auch kriminelle Strukturen in Deutschland haben laut aktueller Medienrecherche „Geschäftsideen“ beizusteuern: Die massenhafte Abrechnung von Corona-Schnelltests mit den Krankenkassen, ohne dass eine große Zahl dieser Tests je durchgeführt wurde.

Die privat betriebenen Bürgertestzentren vermehrten sich in den vergangenen drei Monaten unübersehbar explosionsartig: Waren beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (NRW) Mitte März 1.862 Teststellen registriert, waren es Mitte Mai bereits 8.735, wie das Gesundheitsministerium von NRW mitteilte. Die in diesen Corona-Schnellteststellen möglichen kostenlosen Bürgertests werden dann über die Krankenkassen abgerechnet.

Wie NDR und weitere Medien wie die Süddeutsche Zeitung berichteten, gab es bisher eine offene Lücke für Betrug: Es genügte, heißt es da, wenn den kassenärztlichen Vereinigungen die nackte Zahl der Getesteten genannt wurde, schon floss das Geld. Eine Namensliste etwa der angeblich Getesteten: Aus Datenschutzgründen nach §7 Absatz 4 der Testverordnung nicht möglich: „Die zu übermittelnden Angaben dürfen keinen Bezug zu der getesteten Person aufweisen.“

Ein Abgleich etwa mit den Einkaufszahlen der Testmengen war ungenau oder wurde versäumt. Es muss daher noch nicht einmal nachgewiesen werden, „dass sie überhaupt Antigentests eingekauft haben“, wie Tagesschau-Online schreibt. Wer aber pro Test 18 Euro abrechnen darf mit den Kassen, dem winken schon auf legale Weise enorme Einnahmen. 18 Euro, die sich zusammensetzen aus 12 Euro für den Schnelltest und 6 Euro für die Testung selbst.

Die Länder melden teilweise dreistellige Millionenbeträge, die schon für solche Bürgertests geflossen sind. Die aus Steuermitteln finanzierte Kassenärztliche Vereinigung zahlt flott aus. Das Gesundheitsministerium weiß von Betrügereien allerdings noch nichts, man gibt sich gelassen, die Testunterlagen müssten ja aufbewahrt und könnten also nachgeprüft werden.

Testzentren wie Imbisse vor Baumärkten: Ein Online-Kurs genügt zum Antrag beim Gesundheitsamt, diese Tests durchführen zu dürfen. Und bisher haben lediglich in NRW die Behörden immerhin noch wissen wollen, wieviel Tests insgesamt im Land täglich gemacht wurden. Die Süddeutsche Zeitung – wieder im Rechercheverbund mit öffentlich-rechtlichen Anstalten – hat Informationen zugespielt bekommen, woraufhin mehrere Standorte des großen Teststellenanbieters MediCan genauer untersucht wurden.

Inhaber ist Oguzhan Can, Namensgeber des neu gegründeten Unternehmens MediCan. 54 Testzentren bundesweit konnte Can in Rekordzeit aus dem Boden stampfen vorwiegend in NRW auf Parkplätzen von Baumärkten oder IKEA-Filialen, heißt es. Positiv betrachtet also eine blitzschnelle Serviceleistung aus privater Hand, die flink zur Verfügung gestellt wurde. Nicht ganz so toll: Reporter wollen festgestellt haben, dass das Zigfache an Testungen zur Abrechnungen gemeldet wurde.

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Woher das die Reporter wissen wollen? Sie haben sich einfach tagelang ins Auto gesetzt und nachgezählt und zusätzlich nachgefragt, wieviele Testungen abgerechnet wurden. Vierfache Meldungen bis hin zu zehnfachen Testmengen will man so ermittelt haben. Und um zu verhindern, dass es sich hier eventuell um Ausreißer handelt, zählen die Kollegen einfach noch ein paar Tage weiter und es änderte sich … nichts: Immer mehr nicht stattgefundene Testungen seien abgerechnet worden.

Aber ist das wirklich so? Oder ist den Recherche-Journalisten ein Fehler unterlaufen beim späteren Abgleich der Zahlen? Die Gesundheitsämter in Münster, Essen und Köln beispielsweise bestreiten diese Unstimmigkeiten laut Tagesschau.de sogar, es wären keine Sammelzählungen eingegangen, wie die Reporter zuvor festgestellt haben wollten.

Verdächtig waren diesen auch die fehlenden positiven Tests: So hätten drei Standorte mit insgesamt weit über 20.000 Tests keinen einzigen positiven Test ergeben. Can erklärt das auf Nachfrage damit, dass es seit Anfang Mai einfach kaum mehr positive Tests gab. Der Unternehmer kommentiert das gegenüber Tagesschau.de so: „Wir sollten alle froh sein, dass die Inzidenzwerte in Deutschland zurück gehen.“ Laut NRW-Gesundheitsministerium ist jeder 350. Bürgertest aktuell positiv, drei Can-Teststellen fanden bei zusammen weit mehr als 20.000 Testungen keinen einzigen positiven Test.

Nun sollen eventuell Prüfungen der aufbewahrten Testbögen ergeben, ob geschummelt wurde. Ein hochrangiger Funktionär der Kassenärztlichen Vereinigung ist allerdings gegenüber dem Nachrichtenmagazin zuversichtlich: Schon im Sommer würde das Geschäft zusammenbrechen, dann bräuchte man keine Tests mehr.

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