Tichys Einblick
Interview zur Corona-Lage

Der Kollaps ist da: Aber Berliner Polizei ist gerüstet vom letzten Lockdown

In Berlin stellt sich die Polizei auf einen Zweischichtbetrieb um. Auch damit im Falle der Infektion weniger Polizisten in Quarantäne geschickt werden müssen, wie ein Sprecher im Gespräch mit TE erklärt.

imago images / ZUMA Wire

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) kündigt den Berlinern „weitere Schritte“ an: Sie müssten sich angesichts der rasanten Entwicklung der Corona-Infektionszahlen in der Hauptstadt auf Beschränkungen entlang eines Stufenplans einrichten. Nähere Details wurden von Kalayci dazu noch nicht genannt.

Der Merkur eröffnet heute morgen mit der Überschrift: „Corona-Kollaps: Berlin meldet Rekordwert an Neuinfektionen – alle Bezirke jetzt Risikogebiet.“ Laut Gesundheitssenatorin sind die Neuansteckungen nicht mehr nachverfolgbar. Alle zwölf Berliner Bezirke sind jetzt zum Risikogebiet geworden. Einige Viertel bleiben weiter Spitzenreiter in der Anzahl der Neuinfektionen.

Die Berliner Polizei ist alarmiert. Von der Bundespolizei unterstützt wurden über das Wochenende, vornehmlich in den Abendstunden, 300 Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit den Corona-Beschränkungen und der Einhaltung der Covid-19-Bestimmungen festgestellt, 4000 Personen wurden alleine am Samstagabend kontrolliert. Die Polizei bedankt sich später per Twitter bei der Bundespolizei und spricht dabei von einer „historischen Lage“.

TE spricht mit einem Sprecher der Polizei, fragt, welche Sondermaßnahmen die Polizei ergreift und ob gar auf Polizeiebene eine Zusammenarbeit mit Kräften der Bundeswehr geplant sei.

TE: Trifft es zu, dass die Polizei Berlin bzw. die Bereitschaft der Polizei Berlin mittlerweile aus gegebenen Anlass auf Zweischichtbetrieb umgestellt hat? Was für ein Anlass wäre das und was bedeutet dieser Zweischichtbetrieb für die Arbeit der Polizei?

Polizeisprecher (PS): Im März 2020 wurden innerbetrieblich verschiedene Regelungen getroffen, um das Ansteckungsrisiko der Dienstkräfte durch die Verringerung von Kontakten zu vermindern. Zu diesen Maßnahmen gehörten Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit oder der Ermöglichung der Arbeit aus dem Home-Office. Mit steigenden Infektionszahlen wurden diese Regelungen vor kurzem wieder in Kraft gesetzt. Wir haben dabei genauso reagiert, wie im März dieses Jahres. Dieses Mal sogar noch früher.

TE: Die Maßnahmen wurden also nicht eingeführt um mögliche Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft im Zusammenhang mit neuen Corona-Abwehrmaßnahmen schneller polizeilich lösen zu können? Sachen wie der Zweischichtbetrieb sind also vorrangig zum Selbstschutz der Beamten?

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
PS: Insgesamt, um den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten, um die Kontakte zu verhindern, zu verringern, deswegen. Es geht doch darum: Wenn ein Bereich A in den Zweischichtbetrieb geht, und in einer dieser Schichten würde jemand erkranken, gehen ja möglicherweise alle in Quarantäne. Und so haben wir dann einen zweiten Bereich, nämlich Bereich B, der könnte die Arbeit dann komplett übernehmen. Das ist der Hintergrund dabei.

TE: Es geht also in erster Linie nicht um Mehranforderungen von außen, um eine höhere zu erwartende Aufgabenlast? Sondern in erster Linie um die Gesundheit der Beamten?

PS: Der Zweischichtbetrieb wurde eingeführt zur Verringerung von Kontakten.

TE: Zwischen?

PS: Den Mitarbeitern der Polizei Berlin.

TE: Und den Klienten, also denen, mit denen sie zu tun haben auf der Straße?

PS: Nein, das ist dabei nicht gemeint. Es geht wirklich darum, dass die Arbeitskraft erhalten bleibt. Wir können nicht sagen, wir arbeiten auf der Straße nicht mehr, um Kontakte zu vermeiden. So ist es nicht gemeint. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Betrieb und in diesem Betreib muss man sich irgendwann einmal darüber Gedanken machen, wenn einer von den Angestellten von ihnen sich infiziert, dann müssen sie im Zweifel nach den Regelungen alle in Quarantäne schicken. Damit würden sie Pleite gehen. Um das zu vermeiden, muss man sich eine Strategie ausdenken. Und man würde dann sagen, okay, ich habe vier Einzelbereiche, jeder Einzelbereich ist wichtig für den Ablauf meines Geschäftes, und deswegen muss ich in jedem dieser vier Einzelbereiche sagen, ich muss ein Zweischichtsystem einführen, damit, wenn in einem dieser Bereiche irgendeiner infiziert ist, nur der eine Schichtbetrieb davon betroffen ist. Die gesamte Polizeibehörde hat unterschiedlichste Schichtmodelle, um unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht zu werden. Die sollen ja grundsätzlich nicht verändert werden, sondern man will ja den Servicegedanken optimal ausfüllen. (…) Dennoch muss man sehen, dass man den Betrieb aufrecht erhält. Und deswegen wurden dann diese Regelungen getroffen.

TE: Sie haben sich also an den Erfahrungen vom März mit dem ersten Lockdown orientiert?

PS: Genau.

TE: Wie sind da die Entscheidungswege?

PS: Wir haben eine Krisenstab Covid-19, der sich Gedanken darüber macht, wie sehen die aktuellen Zahlen der Infektionsketten aus und wie wird darauf reagiert, um eben handlungsfähig zu bleiben. Und dann wird entsprechend reagiert. Die Maßnahmen müssen natürlich immer an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Die Polizei Berlin prüft fortwährend die Notwendigkeit der Anpassung der getroffenen Regelungen und stellt diese im Bedarfsfall natürlich um.

TE: Wer sitzt da von außen mit in dem Einsatzstab?

PS: Das ist nur die Polizei selber im Krisenstab Covid-19.

TE: Gibt es eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit Kräften der Bundeswehr oder Planungen dahingehend? Oder einen Informationsaustausch mit der Bundeswehr im Zusammenhang mit Corona?

PS: Eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr findet aktuell nicht statt.

TE: Aktuell heißt?

PS: Jetzt wo ich ihnen antworte gibt es aktuell keine Zusammenarbeit.

TE: Gab es das vorher oder ist so eine Zusammenarbeit zukünftig geplant? Ist das in ihrem Covid-19-Stab mal durchdacht, durchgespielt worden?

PS: Kann ich Ihnen gar nicht sagen. Nur dass aktuell eine Zusammenarbeit nicht stattfindet. Ich kann nicht in die Zukunft gucken, was da auf uns zukommen wird, wie wir auf gewisse Dinge reagieren müssen.

Anzeige