Tichys Einblick
Prozess in Athen

Brandstifter von Moria zu fünf Jahren Haft verurteilt

Ein halbes Jahr nach der Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos hat die griechische Justiz zwei junge Migranten wegen Brandstiftung zu langen Haftstrafen verurteilt. Doch die politische Antwort auf die dahinter stehende Erpressung war genau die falsche.

imago images / ANE Edition

Wenn Kriminelle den Staat erpressen, dann trifft das nicht zuerst die Regierenden, sondern die Bevölkerung. Denn sie muss das Lösegeld aufbringen. So geschehen, als illegale Einwanderer auf Lesbos das Camp Moria anzündeten, um so die EU und die deutsche Regierung zu nötigen, sie und ihre Familien und alle weiterhin illegal nach Lesbos Einreisenden in die Sozialsysteme aufzunehmen. Aufgenommen und unterstützt wurden die Forderungen der Brandstifter von einer Reihe auch deutscher Nichtregierungsorganisationen (NGO).

Aber auch Gerald Knaus (Gründer des Think Tank ESI und Türkei-Deal-Konstrukteur) forderte, das Insellager zu räumen. Knaus‘ Worte nannte der Standard „pathetisch“. Knaus hatte so etwas wie Heldentum eingefordert, indem man Brandstiftern helfe: „In einem solchen Moment wird heroische Geschichte geschrieben. Oder ereignen sich Katastrophen.“ Was für eine bizarr verschobene Betrachtung samt implizierter Drohung!

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Jetzt wurden die Brandstifter von Lesbos zu empfindlichen Haftstrafen verurteilt. Zwei der verdächtigten illegalen Migranten sollen ein halbes Jahr nach der Brandkatastrophe für fünf Jahre in Haft. Sechs mutmaßliche afghanische Brandstifter waren festgenommen worden, vier befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft. Die Anwälte der Verurteilten haben bereits Revision eingelegt. Viele Europäer werden nun genau hinschauen, wie es in Athen weitergeht. Erstaunlich ist das Alter der beiden verurteilten Afghanen, beziehungsweise ihre Jugend. Die Siebzehnjährigen wurden vorerst in ein Jugendgefängnis nahe der griechischen Hauptstadt Athen verbracht. Ob Anstifter dahinter standen, hat der Prozess nicht geklärt. Beim Brand waren 13.000 Bewohner des Camps Moria obdachlos geworden – wenn das Lager denn als Obdach bezeichnen mag.

Zweifelsohne sind diese Lager teilweise menschenunwürdig, aber ohnehin wollte keiner der dort Lebenden dort bleiben. Es ging immer darum – auf welche legale oder illegale Weise auch immer – nach Deutschland oder ein weiteres nördliches EU-Land mit vergleichbar attraktiven Sozialleistungen zu kommen. Die Migranten kamen auch nie direkt aus Krisenregionen, sie kamen aus der relativen Sicherheit der Türkei nach Griechenland, um von dort aus nach Deutschland zu gelangen. Bezeichnenderweise hatte ein deutsches Gericht im Januar 2021 Griechenland faktisch zu so etwas wie einem nicht sicheren Herkunftsland erklärt – absurd angesichts des EU-Mitgliedschaft Griechenlands. Die Folge: Wer es jetzt illegal nach Deutschland schafft, kann nicht dorthin zurückgeschoben worden, wo er erstmals EU-Boden betreten und einen Asylantrag gestellt hat.

Wie unbedingt die meisten Migranten nach Deutschland wollen und wie sie dieser Forderung Nachdruck verleihen, zeigt auch der tragische Fall einer Selbstanzündung einer 27-Jährigen schwangeren Afghanin im Ersatzlager Kara Tepe, die nur durch den couragierten Einsatz von Nachbarn, der Feuerwehr und der Polizei mit dem Leben davon kam. Ihr droht jetzt ebenfalls eine Haftstrafe. Die Frau von Kara Tepe jedenfalls erlitt schwerste Verbrennungen, sie liegt auf Lesbos im Krankenhaus und erwartet ihr Kind. Besonders tragisch: Die Afghanin gehörte bereits zu denjenigen, denen von der Bundesregierung offiziell Schutz zugesagt wurde, als man sich in Berlin bereit erklärte, 1600 „anerkannte Flüchtlinge“ von den griechischen Inseln aufzunehmen.

Prozess in Athen
Es fällt schwer, diese letztlich humane Geste der deutschen Regierung mit Erpressung in Zusammenhang zu bringen. Und doch ist es offensichtlich: Mit jeder Räumung der Lager werden wieder neue Hoffnungsvolle – noch Hoffnungsvollere – nachrücken. Und das Spiel beginnt dann von vorne. Und da es einmal erfolgreich war, dürfte es vielleicht wieder zu Brandstiftungen kommen, wenn die Weiterfahrt nach Deutschland nicht gesichert ist.

Lesbos ist nur ein Nadelöhr von vielen. Gerade wird berichtet, dass es in wenigen Wochen zu einer Welle massiver illegaler Einwanderungsbemühungen aus Nordafrika kommen wird, dort suchen schon hunderttausende junge Männer ihren Weg nach Deutschland. Und was macht die Bundesregierung dagegen? Sie möchte, wie auf dem jüngsten Integrationsgipfel thematisiert, schon „vor der Zuwanderung“ die „Vorbereitung der Integration“ betreiben. Und wer wird dann diese Vorab-Integration durchzuführen helfen? Natürlich diverse Nichtregierungsorganisationen, so schließt sich dann der Kreis.

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