Tichys Einblick
Ein Gespräch

Alice Weidel und Götz Kubitschek: Kommt hier zusammen was zusammen gehört?

Alexander Wallasch spricht mit Höcke-Freund Götz Kubitschek über Alice Weidels Annäherung an den Vordenker der neuen Rechten. Die Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag habe seine Nähe gesucht – auch als Vermittler zu Björn Höcke.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Alexander Wallasch (AW): Sie sind bisher nicht gerade mit öffentlicher Kritik an ihrem Freund – darf man politischer Weggefährte sagen? – Björn Höcke aufgefallen, ihr aktueller Text auf Sezession liest sich nun allerdings so, wie kam es zu dieser Zäsur?

Götz Kubitschek (GK): Das ist keine Zäsur, sondern eine notwendige, offene Kritik an einer bestimmten Form der Inszenierung, die mir persönlich fremd ist und die ich für politisch nicht vermittelbar halte. Sie sehen, die Sache hat gleich mehrere Ebenen: Dass ich persönlich diese auf Pathos und Gefühl abgestellten Inszenierungen nicht mag, spielt politisch keine Rolle; dass ich derlei nicht für vermittelbar halte, ist hingegen eminent politisch, und das Ergebnis liegt ja nun vor. Parteiintern gab es den Gegnern der Höcke-Richtung den Anlass, über Formfragen auf inhaltliche Kampfansagen zu sprechen zu kommen, und den Gegnern der Gesamtpartei zeigte es, wo man den Keil ansetzen müsse, um den Laden zu spalten. Meine Stellungnahme ist also der Versuch, diese Vorgänge transparent zu machen und in jede Richtung zur Mäßigung und zum Zusammenhalt aufzurufen.

AW: Aber wäre die AfD ohne Björn Höcke nicht generell besser dran? Es gibt Stimmen, die sagen, die AfD sei in Thüringen nicht wegen, sondern trotz Höcke so stark.

GK: Die einen sagen so, die anderen so, wer will das wissen? Ich nehme überfüllte Säle in Kleinststädten und auf Dörfern wahr, wenn Höcke spricht, und ich nehme den Unmut von Leuten wahr, die sich an Wahlkampfständen und im Freundeskreis für Höcke rechtfertigen müssen. Wie viel davon ist Höcke, wie viel davon ist mediale Zuschreibung? Schauen Sie sich mal die Baerbock-Habeck-Show der Grünen an, und lassen sie mal die Arroganz der Klima-Heiligen unserer Tage Revue passieren. Wäre der Mainstream eher rechts, wären die Journalisten nicht mehrheitlich auf der grünen Seite – was meinen Sie, wie man sich plötzlich rechtfertigen müsste für Typen, die weiterhin um die halbe Welt jetten wollen und trotzdem ein Braunkohleloch stürmen.

AW: Höcke hat in seiner Rede beim Kyffhäuser-Flügeltreffen einen Abschnitt lang über Freundschaft gesprochen nach dem Motto, dass sich nun die Spreu vom Weizen trenne, waren da auch Sie gemeint? Haben Sie sich mit Höcke überworfen / entfreundet?

GK: Nein. Wenn eine Freundschaft mit politischem Erfolg oder politischen Fehlern stünde oder fiele, wäre sie keine Freundschaft.

AW: Der Moderator Reinhold Beckmann hat gegenüber Matthias Matussek auf drastische Weise öffentlich abgeschworen, wann wäre bei Ihnen das Ende der Fahnenstange erreicht, was Höcke angeht? Oder ist es eine Nibelungentreue?

GK: Weder Höcke noch ich sind Gesellschaftstypen, Partytypen, zynisch, lässig oder mittendrin. Wir werden einander nicht auf Feten führen, deren Mischung explosiv ist.

AW: Der neue Präsident des Bundesverfassungsschutzes hat Sie und Ihren Verlag explizit erwähnt, was wissen Sie darüber, worauf sich das stützt, und was wissen Sie darüber, welche Folgen das für Sie hat? Werden Sie beobachtet? Ausspioniert? Abgehört? Was passiert in so einem Falle und wie haben Sie bisher auf diesen Anwurf reagiert?

GK: Worauf sich das stützen soll? Vermutlich sind wir der Popanz, den solche Leute brauchen, um ihr trauriges Dasein zu rechtfertigen. Meine Frau und ich reagieren mittlerweile wie Zuschauer. Wir nehmen eine übergeordnete Beobachterposition ein und verfolgen die Entwicklung. Wir sind uns dabei nicht sicher, ob wir einem absurden Theater, einem Stück aus der Anstalt, einem spontanen Dada-Abend oder einer Netflix-Serie über den „tiefen Staat“ zuschauen. Insgesamt: Spektakel, Ablenkung vom Wesentlichen, Fahrlässigkeit, Aushöhlung, drittklassiger Plot, Geschichten für später, für die Enkel.

AW: Noch Ende 2018 schrieben Sie, die AfD sei angetreten, einer Herrschaft des Unrechts „ein Ende zu bereiten und das Recht wieder ins Recht zu setzen.“ Könnten solche Ansagen ein Grund für das gesteigerte Interesse sein oder berufen Sie sich hier etwa auf Horst Seehofer? Spekulieren Sie doch bitte einmal, gehen Sie Ihr Verlagsprogramm durch und ihre eigenen Publikationen der letzten Jahre, Ihr Engagement für die Identitären, Ihre Beziehung zum Flügel der AfD usw. – was könnte Ihnen da implodiert sein, dass man Sie nach Maaßens Abgang als so etwas wie einen Anwärter auf den Thron des Staatsfeindes sehen möchte?

GK: Unrecht anzuprangern, den Staatsstreich von oben gegen das Volk als solchen zu benennen, die Frage zu stellen, ob das Recht eine Macht an sich ist oder ob die Macht des Rechts stets von der Entscheidung der Mächtigen abhängt, also zu fragen, wer eigentlich die Ohnmächtigen vor der Rechtsbeugung durch die Macht schützt und wer uns vor der parteipolitischen Instrumentalisierung des Inlandsgeheimdienstes bewahrt – das alles reicht wohl aus. Es gibt eben Zeiten, in denen aus einem Offizier ein Käfer wird, den man mit der Nadel jagt. In meinem Sektglas schwimmen Erdbeeren, während ich mir und meiner Frau dabei zuschaue, was uns nun widerfährt.

AW: Nun hat die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion und Oppositionsführerin Alice Weidel sich als Gastrednerin für Ihre Sommerakademie angemeldet. Was ist das? Eine Solidaritätserklärung? Wie kam es zustande und wie stehen Sie zu Alice Weidel, kommunizieren Sie öfter zusammen? Worüber tauscht man sich da aus?

GK: Das ist keine Solidaritätserklärung, sondern das Ergebnis der Professionalität einer Frau, die Verantwortung für eine Partei übernommen hat. Da sie erkannte, welche Bedeutung unsere Arbeit für das Vorfeld und für Teile ihrer Partei hat, suchte sie das Gespräch. Und es kam, wie es fast immer kommt: Im persönlichen Austausch löst sich das schlechte Bild, das die Berichterstattung des Mainstreams von jedem von uns zeichnete, in Luft auf. Man hat sich viel zu erzählen, spricht über Lektüre, politische Herkunft, Notwendigkeiten. Was ist notwendig? Dass sich die inhaltlichen Gegensätze und persönlichen Animositäten in dieser Partei vermitteln und aussöhnen lassen – so gut es eben geht. Weidels Referat bei uns ist ein erstes offenes Zeichen dafür, dass „in der Sicherheit des Schweigens“ schon viel und gut gesprochen wurde.

AW: Worüber haben Sie sich da ausgetauscht, was war es, das Sie Frau Weidel mit auf den Weg gegeben konnten, das diese beeindruckt hat und was umgekehrt?

GK: Woher kommt man, was las man, was liest man, woher kommt der Mut, woher die Zuversicht, welche Konsequenzen hat eine solche Lebensentscheidung, und vor allem: Kann man etwas bewirken, verändern, aufhalten, verbessern – und zwar nicht für sich, sondern für diejenigen, für deren Wohl Politik gemacht werden muss? Das ist abendfüllend.

AW: Nun ist es allerdings eine Sache, ob Sie Frau Weidel von sich überzeugen konnten. Die viel schwerere Aufgabe erscheint mir, diese nun „öffentlichen Gespräche“ dem Wähler zu verkaufen. Und so wie Sie es erzählen, klingt es fast so, als wären Sie zusätzlich noch in die Rolle des Mediators zwischen Parteivorstand und Björn Höcke geschlüpft.

GK: Ich habe – das vorweg – gar kein Interesse daran, jemanden von mir zu überzeugen. Ist ein Gespräch, ist eine Begegnung so wichtig und interessant, dass es sich lohnt, dafür etwas von der wenigen Lebenszeit dranzugeben, über die wir verfügen? Es gibt sehr wichtige Leute, mit denen mich eine Begegnung noch nie reizte, es gibt solche, die nach einer halben Stunde merkten, dass mich das Gespräch nicht mehr interessiert – ich will’s mal so sagen: Lege ich ein gutes Buch aus der Hand, um jemanden zu treffen? Das wäre ein Kriterium. Bei Frau Weidel war das der Fall, und wenn Sie den praktischen Wert der Gespräche nun in einer Vermittlerrolle sehen, dann liegen Sie nicht falsch.

AW: Noch einmal: Warum sollte sich die AfD nicht einfach von Höcke trennen?

GK: Warum hacken Sie sich nicht ein Bein ab?

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