Tichys Einblick
Journalisten zittern

Rezo vs. die alten Medien

Blanke Panik nicht nur bei der CDU, sondern auch bei den “alten” Medien. Youtuber wie Rezo nehmen ihnen das Informationsmonopol weg. Für uns als Gesellschaft ist das etwas Positives.

Rezo’s CDU-Bashing hat mittlerweile über 9 Millionen Views. Ich habe mir das einstündige Video angesehen. Kurz zusammengefasst und im Slang von Rezo: Die CDU ist scheisse, die SPD auch. Man macht einfallslose Politik, die vor allem an jungen Menschen vorbei zielt. Auf die Sorgen der Jugend geht man nicht ein, und sowieso macht diese Politiker alles falsch, in so ziemlich jeden Bereich. Bei seiner Argumentation bezieht sich Rezo auf unzählige Quellen und benützt die Sprache seiner Community.

Nun kann man von seinem Fazit halten, was man will, darum geht’s hier in dem Beitrag nicht. Auch nicht darum, wie hilflos jetzt die CDU dasteht und sich mit fragwürdigen Aktionen als Antwort auf das Video noch den letzten Rest ihrer Würde verspielt. Rezo’s Video offenbart vor allem eins: Die Mainstreammedien haben das Informationsmonopol verloren. Und das ist gar nicht mal so schlecht.

Interessantes Beispiel bei der FAZ, da haben sich gleich vier gestandene Journalisten Rezo’s Video angenommen, haben es analysiert und einem Faktencheck unterzogen, zu Hauptthemen wie Wohlstand, Klima und Krieg. Ihre Konklusion: Einige Dinge stellt er richtigerweise fest, bei anderen lässt er relevante Fakten aus, oder gibt sogar falsche Sachlagen wieder.

Nun, sie haben Recht. Rezo’s Video ist teilweise polemisch, er übersimplifiziert viele komplexe Themenbereiche und Probleme, er lässt relevante Fakten aus. Er tut eigentlich das, was viele Leute aus dem Linken und linksliberalen Milieu ständig den Rechtspopulisten vorwerfen: Er prangert Probleme an, schiesst scharf gegen eine Partei, malt teilweise ein simples schwarz/weiss-Bild, obwohl die Themen komplex und verflochten sind und eine einfache Lösung überhaupt nicht möglich ist. Und eine Antwort auf die Probleme hat er auch nicht wirklich (muss er natürlich als Youtuber auch nicht). Damit haben Populisten grossen Erfolg – und Rezo auch. Er ist jetzt wohl so etwas wie der neue Posterboy der linksliberal gestimmten Jugend – zumindest für jene, denen er bisher nicht schon aus seinen Musikvideos bekannt war. Denn eigentlich ist er ja ein talentierter Musiker, ich wurde durch seine Songs vor einiger Zeit auf ihn aufmerksam; seine Musikvideos sind genial.

Ich mag auch sein CDU-Zerstörungs-Video. Aber ich mag nicht alles daran, genau wegen zuvor genannten Punkten: Ungenauigkeiten, einseitige Argumentation, Weglassen wichtiger Fakten.

Und ja, das ist ein bisschen die „Schattenseite“, wenn man so will, am Internet und an den sozialen Medien. Reichweitenstarke Youtuber können einseitige oder auch irreführende Behauptungen verbreiten und damit innert Kürze viele, viele Menschen beeinflussen. Unter Umständen beeinflussen sie eine ganze Generation.

Journalisten der klassischen Medien zittern schon lange ob dieser neuen Bedrohung aus dem Netz – auch Jordan Peterson, Psychologieprofessor und äusserst erfolgreicher Youtuber, wirft man gerne irreführende oder einseitige Argumentation vor. Bei Joe Rogan (Podcast: „The Joe Rogan Experience“) beklagt man sich über Interviews mit den „falschen“ Leuten. Attacken gegen Pewdiepie, den erfolgreichsten Youtuber der Welt, kommen von Mainstream-Journalisten beinahe wöchentlich.

Nur: Wenn man Youtubern mangelnde Qualität oder Einseitigkeit vorwirft, sollte man bedenken: Das läuft bei den klassischen Mainstream-Medien teilweise nicht anders. Sogar in Newsartikeln dringt oft eine Meinung klar durch, Beiträge sind ideologisch gefärbt, dem Zweck nicht dienliche Informationen werden ausgeklammert, es wird einseitig berichtet. Das Publikum wird manipuliert. Weil das Publikum aber nicht dumm ist, durchschaut es die Beeinflussung – und wendet sich dann eben alternativen Plattformen zu.

Ich sage nicht, dass Journalisten aus böser Absicht handeln, überhaupt nicht. Aber es ist eben manchmal schwierig, bei einem Beitrag die eigene Weltanschauung zu 100% außen vor zu lassen, gerade bei emotionalen Themen. Auch können Statistiken oder Ereignisse unterschiedlich interpretiert werden – und ein Journalist interpretiert dann eben von seinem ideologischen Blickwinkel aus. Wenn Redakteure jetzt bei Rezo’s Video – zu Recht – ungenaue Tatsachen-Widergabe oder Einseitigkeit kritisieren, dann müssten sie das auch vermehrt in ihrer eigenen Branche kritisieren und bei vielgeklickten Artikeln Faktenchecks durchführen – Beanstandungen gibt es zwar hie und da, aber meist nur bei anderen politischen Ansichten. Ansonsten loben sie sich gerne selbst; kaum eine Branche vergibt so gerne und so viele Preise an sich selbst wie die Journalismusbranche.

Kommt hinzu, Rezo deklariert seinen Beitrag ja gar nicht als journalistisches Machwerk, der 26-jährige tut einfach seine Meinung kund. Lustigerweise kommt die Qualitätskeule der Mainstream-Medien aber immer dann, wenn jemand relevant geworden ist, in ihr Gärtchen eindringt und eine Bedrohung darstellt. Tatsache ist halt: Die meisten Journalisten erreichen schon lange nicht mehr ein so grosses Publikum wie gewisse Youtuber. Der Unterschied aber ist, dass diese sich ihr Publikum selbst erarbeitet und nicht von einem grossen Verlag geerbt haben.

Einer der Gründe, warum Youtube-Kommentatoren überhaupt erst relevant geworden sind, ist ja, dass viele Leute mangelnde Qualität in den Mainstream-Medien, aber auch mangelnde Meinungsvielfalt beklagen. Klassischer Journalismus vermag viele Menschen nicht mehr zu erreichen – und der Erfolg von gesellschaftspolitischen Youtubern wie Dave Rubin (Talkshow ‚The Rubin Report‘: über eine Million Abonnenten) oder Joe Rogan (5,4 Millionen Abonnenten) beweist das eindrücklich.

Und das ist der Punkt: Die grosse Chance an Medienangeboten wie Youtube ist, dass es zur Medien- und Meinungsvielfalt beiträgt. Egal auf welcher politischen Seite man steht, zwecks Informationsbeschaffung ist man nicht mehr auf Mainstreammedien angewiesen wie früher, sondern kann sich für ein umfassenderes Bild auf alternativen Portalen informieren – oder auch, um sich in seiner Meinung bestätigt zu wissen. Und hier, ich betone es immer wieder, ist es eben zentral, dass man sich nicht auf eine einzige Quelle verlässt, dass man stets selbst recherchiert, sich bei unterschiedlichen Quellen informiert – für die meisten Menschen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Entsprechend wichtig ist es heute, dass man jungen Menschen an Schulen frühzeitig Medienkompetenz, Recherche und Datenanalyse lehrt.

War es früher, vor dem Internet, besser? Sind Youtube-Videos mit einseitigen Beiträgen eine Gefahr? Nein, keineswegs. Einseitige Argumentation wird es immer geben, falsche Informationen auch. Aber dann gibt es auch immer Leute, die richtigstellen und aufklären.