Tichys Einblick
Im Dunklen besser nicht

„Grünen- und Linken-Politiker sollten vier Wochen mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Berlin fahren“

Eine Untersuchung zeigt: Frauen fühlen sich in Großstädten nachts unsicher. Viele vermeiden es, in der Dunkelheit auszugehen. Im TE-Interview spricht Polizeigewerkschafts-Chef Rainer Wendt darüber, welche Konsequenzen aus diesem Befund folgen sollten – vor allem in der Hauptstadt.

IMAGO/Arnulf Hettrich

Tichys Einblick: Nach einer Untersuchung des Bundesinnenministeriums gibt es ein massives Unsicherheitsgefühl vor allem bei Frauen, die deshalb in Großstädten nachts die Öffentlichkeit meiden. Demnach fühlt sich nur eine Minderheit der Frauen nachts in öffentlichen Verkehrsmitteln sicher. Gut 40 Prozent der Frauen vermeiden es, nachts überhaupt das Haus zu verlassen. Sie sprechen dieses Thema schon seit mehreren Jahren an. Fühlen Sie sich bestätigt?

Rainer Wendt: Es handelt sich um eine Dunkelfeldstudie – also eine Untersuchung über ein Phänomen, das sich in der Kriminalstatistik nicht niederschlägt. Es ist erst einmal positiv zu bewerten, dass die Politik beginnt, sich für dieses Dunkelfeld zu interessieren. Die Ergebnisse der Untersuchung überraschen mich überhaupt nicht. Es gab auch in der Vergangenheit immer wieder Umfragen zum Sicherheitsgefühl, beispielsweise von Versicherungen, die zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen sind.

Wie bewerten Sie die Untersuchung aus Sicht der Polizei?

Ein Ergebnis der Untersuchung lautet: Deutschland ist im europäischen Vergleich ein relativ sicheres Land. Hier gehen 85 Prozent der Bürger davon aus, dass die Polizei rechtzeitig vor Ort ist, wenn sie Hilfe brauchen. Das ist ein großartiger Befund. Das Vertrauen in die Polizei befindet sich bei uns verglichen mit anderen Ländern auf einem sensationell hohen Stand. Deshalb ist es auch so lächerlich, wenn linke Parteien, die nur ein paar Prozentpunkte bei Wahlen holen, sich mit allen möglichen Unterstellungen gegen die Polizei beschäftigen. Wenn diese Politiker sich damit beschäftigen würden, ihr eigenes Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung in Ordnung zu bringen, hätten sie genug zu tun.

Nun zu dem Sicherheitsgefühl: Bisher wurde darüber öffentlich nur selten diskutiert. Warum?

Wenn fast die Hälfte der Frauen aus Kriminalitätsfurcht nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr allein aus dem Haus gehen, und eine noch größere Zahl nachts die öffentlichen Verkehrsmittel meidet, dann ist das ein kollektiver Verlust von Freiheit. Dieses Vermeidungsverhalten taucht allerdings wie gesagt in keiner Kriminalitätsstatistik auf. Deshalb sprechen wir ja von Dunkelfeld.

Ist diese Furcht berechtigt? Sie selbst leben und arbeiten in Berlin, der deutschen Großstadt mit der stärksten Kriminalitätsbelastung. Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen?

Berlin ist die Hauptstadt des Verbrechens. Die Furcht ist berechtigt, vor allem, was bestimmte stark kriminalitätsbelastete Gegenden angeht. Ich bin in Berlin regelmäßig mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs. Aber auch ich vermeide es nach Einbruch der Dunkelheit eher, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, sondern nehme lieber ein Taxi. Das Vermeidungsverhalten hat übrigens auch eine soziale Komponente. Ab einer bestimmten Einkommenshöhe ist eine Taxifahrt kein Problem. Wer wenig verdient, bleibt im Zweifel abends lieber zuhause.

Trotz der Kriminalitätsbelastung spricht sich die rot-rot-grüne Regierung in Berlin strikt gegen eine Videoüberwachung wenigstens an besonders gefährlichen Orten aus, etwa dem Alexanderplatz und der Gegend um die Warschauer Brücke. Glauben Sie, dass die Dunkelfeld-Studie des Bundesinnenministeriums dazu führt, dass auch in der Hauptstadt noch einmal neu über Kameras diskutiert wird?

Vorsicht, „Videoüberwachung“ ist ein Kampfbegriff. Er suggeriert, die Polizei würde die Bürger in der Öffentlichkeit überwachen. Das ist natürlich nicht der Fall. Ich spreche deshalb von Videobeobachtung oder Videobeweis. Im Fußball haben wir ja auch den Videobeweis. Niemand würde dort auf die Idee kommen, von einer Überwachung der Spieler zu sprechen. Und was Berlin angeht: Es ist tatsächlich das einzige Bundesland, in dem es der Polizei verboten ist, moderne Technik zur Bekämpfung der Kriminalität einzusetzen.

Auf dem Alexanderplatz gibt es eine Polizeiwache und mehrere Kameras. Die sind allerdings nicht etwa auf den Platz gerichtet, wo jede Menge Straftaten passieren, und wo auch schon Menschen totgeschlagen wurden. Sondern auf die Polizeiwache selbst. Wenn überhaupt Kameras in Berlin eingesetzt werden, dann also zur Beobachtung der Beamten, die versuchen, für Sicherheit zu sorgen.

Natürlich fordere ich eine Videobeobachtung für die Kriminalitätsschwerpunkte in Berlin. Die wird es aber nicht geben, solange Rot-Rot-Grün regiert. Die Regierende Bürgermeisterin und die Innensenatorin wären vielleicht dafür. Aber sie befinden sich in Geiselhaft der Grünen und der Linken.

Sollten sich die Berliner Politiker vielleicht einmal für eine bestimmte Zeit nur im öffentlichen Nahverkehr fortbewegen?

Sie sollten das vier Wochen lang tun! Aber ich bin mir sicher, dass sie diesen Versuch schon nach einer Woche wieder beenden würden.

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