Tichys Einblick
Ende in Raten

Die vorbildliche Abstandsregelung für Windräder in Bayern wird aufgeweicht

Markus Söder zerstört den Schutz von Mensch und Natur, den sein Vorgänger Horst Seehofer noch durchgesetzt hat: Auch Bayern wird mit Windrädern zugestellt, obwohl der Beitrag zur Stromversorgung minimal ist. Ein Sieg für die Windrad-Lobby. Von Georg Etscheit

imago images / INSADCO

Nicht zuletzt infolge des Ukraine-Kriegs nimmt der Druck auf die bayerische Landespolitik zu, die bundesweit vorbildliche 10-H-Abstandsregelung für Windräder weiter abzuschwächen. Am Mittwoch beschloss die CSU-Regierungsfraktion in München, dass der Mindestabstand von Windrädern zu Wohngebieten in Vorranggebieten zur Nutzung erneuerbarer Energien halbiert werden soll.

Außerdem soll entlang von Autobahnen und anderen „bedeutenden“ Infrastruktureinrichtungen der Bau von Windrädern erleichtert werden. Damit sollen in Bayern zunächst mindestens weitere 800 Windgiganten gebaut werden dürfen, meinte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Derzeit gibt es in Bayern 1138 Windräder; zum Vergleich: In Niedersachsen sind es mehr als 6000, bei etwa einem Drittel kleinere Landesfläche.

„Die CSU verabschiedet sich in Form verschiedenster Ausnahmemöglichkeiten von der bewährten 10-H-Windkraft-Abstandsregelung in Bayern“, kommentierte Johannes Bradtka, Vorsitzender des bundesweit tätigen „Vereins für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität“ (VLAB), die Entscheidung. Der VLAB kämpft als einer der wenigen anerkannten Umweltverbände gegen die ökologischen und landschaftsästhetischen Auswüchse der „Energiewende“.

Den Oppositionsparteien im Bayerischen Landtag mit Ausnahme der AfD gehen die Beschlüsse der CSU nicht weit genug, sie fordern, dass 10-H komplett abgeschafft wird. Auch Markus Söders Koalitionspartner, die Freien Wähler, gelten als Befürworter eines forcierten Windkraftausbaus in Bayern, sind mit diesem Ansinnen bislang jedoch am Widerstand der CSU gescheitert.

Die 10-H-Regelung wurde 2014 unter dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer eingeführt. Sie besagt, dass der Abstand zwischen einer Wohnbebauung und einem Windkraftwerk das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen muss. Bei Anlagen von mehr als 200 Metern Höhe führt dies zu Abständen von zwei Kilometern und mehr. In anderen Bundesländern gelten durchweg weniger strenge Abstandsregelungen, das schwarz-grün regierte Hessen beispielsweise sieht einen „vorsorglichen Abstand“ von nur 1000 Metern zu Wohngebieten vor.

Folge der Regelung war, dass in Bayern nur noch vergleichsweise wenige Anlagen gebaut wurden, wobei jedoch allein der touristisch bedeutsame oberbayerische Süden des Bundeslandes mehr oder weniger frei von Windrädern ist. In Nordbayern und vor allem in Franken ist die „Verspargelung“ der Landschaften, wie in anderen Bundesländern, schon weit vorangeschritten.

Ganz „wasserdicht“ war die 10-H-Regelung übrigens nie, denn Kommunen konnten schon bisher im Rahmen ihrer Bauleitplanung geringere Abstände festlegen. Für die CSU und insbesondere den früheren Bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer war es wichtig, den Kommunen ein Mitbestimmungsrecht zu geben und die Bürger auf diese Weise an den Planungen zur Energiewende zu beteiligen.

Pikantes Detail am Rande: Ausgerechnet in dem Moment, in dem die 10-H-Regelung in ihrem Kernbestand zur Disposition gestellt wird, soll Seehofer mit der vom VLAB jüngst gestifteten Enoch zu Guttenberg Medaille für „herausragende Verdienste im Landschafts- und Artenschutz“ geehrt werden, nicht zuletzt für seinen Einsatz für den Schutz der bayerischen Kulturlandschaften vor ihrer völligen Preisgabe an die Windkraftindustrie.

Die Medaille erinnert an den Dirigenten und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg, der sich seit seiner Lossagung von dem von ihm mit gegründeten „Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland“ (BUND) vehement gegen den flächendeckenden Bau von Windrädern in Deutschland ausgesprochen hatte. Guttenberg stand auch Pate bei der Gründung des in Bayern beheimateten VLAB und der politisch ähnlich ausgerichteten Naturschutzinitiative (NI) in Rheinland-Pfalz.

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