Tichys Einblick
Spaltung der „Grünen“ in Hamburg-Mitte

Unterstützten „grüne“ Abgeordnete salafistische Organisationen?

Der Landesverband der Grünen weiß seit Januar von den schweren Beschuldigungen gegen seine Abgeordneten. Bild: „Man versucht offenbar das unangenehme Thema auszusitzen. Eine ganz peinliche Nummer“.

imago images / BildFunkMV

Überall blitzen Kameras im 11. Stock des Bezirksamtes Mitte. Reporter drängen sich. Bedienstete des Stadtstaates Hamburg schleppen immer neue Tische und Stühle in den Saal. „Selten hat die Bezirksversammlung Mitte so viel Aufmerksamkeit bekommen wie an diesem Donnerstag (20. Juni) bei ihrer konstituierenden Sitzung“.

Besonderes Gedränge herrscht um die Tische von sechs grünen Abweichlern einer Grünen-2-Fraktion; sie sitzen ziemlich weit entfernt von ihren zehn Parteifreunden, die die Grünen-1-Fraktion gebildet haben. Pikanterie 1: Mit insgesamt 16 Abgeordneten könnten die Grünen eigentlich die größte Fraktion in der Bezirksversammlung stellen. Pikanterie 2: Die Grünen-2-Fraktion besteht im Kern aus zwei Abgeordneten, die beschuldigt werden, islamistische Organisationen aktiv unterstützt zu haben. Der Bezirk Hamburg-Mitte ist mit mehr als 300.000 Einwohnern immerhin erheblich größer als das großstädtische Gelsenkirchen.

Die Verwirrung in Hamburg um die völlig „zerstrittenen Grünen im Bezirk Mitte weitet sich aus“. Tichys Einblick hatte darüber berichtet: Ausgangspunkt des politischen Streits ist eine schwere Kontroverse um die zwei Abgeordneten der Grünen Shafi Sediq und Fatih-Can Karismaz. Einer der Männer soll auf Facebook für die salafistische Hilfsorganisation „Ansaar International“ geworben und auch für den Verein gespendet haben. Die Verfassungsschutzbehörden „haben den Verein schon länger im Visier: Ansaar wird immer wieder im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen erwähnt, der Verein habe intensive Kooperationen mit anderen Personen der extremistisch-salafistischen Szene, heißt es da“ (Die Welt). Dem zweiten schwer beschuldigten Grünen-Politiker wird vorgeworfen, der radikalislamischen Bewegung „Milli Görus“ nahezustehen. Diese Organisation ist lange vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Über ihr Netzwerk hat kürzlich das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet, es vertrete grundgesetzwidrige Positionen.

Trotz des Wahlsiegs der Grünen bei der Bezirksversammlungswahl vom 26. Mai stellt die SPD – durch die Spaltung der Grünen – mit 14 Abgeordneten weiter die größte Fraktion im Bezirk Mitte. Im Widerspruch zur Geschäftsordnung der Bezirksversammlung ist angeblich das Rechtsamt der Bezirksverwaltung zu dem Schluss gekommen, dass eine Partei zwei Fraktionen in der Bezirksversammlung stellen könne. Der Alterspräsident der Bezirksversammlung, Dirk Sielmann (SPD), erklärte bei der Konstituierung des Kommunalparlamentes, Voraussetzung für die Bildung einer Fraktion sei nur, dass mindestens drei Abgeordnete ihr angehören. Sielmann wörtlich: „Insofern geht das Rechtsamt davon aus, dass heute eine zweite Grünen-Fraktion gebildet werden kann.“

Zur Vorsitzenden der Grünen-2-Fraktion wurde Meryem Celikkol bestimmt. Sie stellte sich eher hinter die Salafisten-Unterstützer, gleichzeitig kritisierte sie den Landesvorstand der Grünen in Hamburg, der angeblich „erwägt“, Untersuchungen gegen die beschuldigten Kommunalpolitiker einzuleiten: Die Fraktionsvorsitzende Celikkol zeigt sich „enttäuscht“ vom Umgang der Landespartei mit Sediqi und Karismaz. Die Vorsitzende spricht von einer „Vorverurteilung“ und von „Rufmord“. „Solange die Vorwürfe nicht belegt seien, könne man gewählte Abgeordnete nicht so behandeln, sagte Celikkol dem Abendblatt zufolge.  „Das ist nicht grün.“ Die Mitglieder ihrer Fraktion wollen, so erklärten sie, weiter „grüne Politik“ betreiben und auch in der Partei bleiben. Die beiden grünen Beschuldigten wollen sich bisher nicht öffentlich zu den schweren Vorwürfen äußern. Die Situation sei neu für ihn, deshalb habe er sich einen Rechtsbeistand genommen, sagte Sediqi. Er und Karismaz kündigten eine Erklärung an – für die kommende Woche.

Der Vorsitzende der größeren Grünen-1-Fraktion, Manuel Muja, betonte laut Abendblatt, dass zunächst den im Raum stehenden Vorwürfen „in einem offiziellen, transparenten und fairen Verfahren“ nachgegangen werden müsse, „bevor eine Zusammenarbeit möglich ist“. „Für mich ist es unverständlich, dass Teile der gewählten Abgeordneten zu einer anderen Einschätzung gekommen sind, weil sie damit deutlich machen, dass diese schwerwiegenden Vorwürfe ihnen offensichtlich nicht wichtig genug sind, um sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu überprüfen.“

Die FDP-Fraktion im Bezirk Mitte prüft gegenwärtig, ob sie gegen die Bildung zweier grüner Fraktionen vor dem Landes-Verfassungsgericht klagen sollte. Falls die Klage eingereicht würde, käme es zu einem gerichtlichen Verfahren, das es zumindest im Stadtstaat Hamburg so noch nie gegeben hat.

Die Bild-Zeitung hat in ihrem Hamburg-Teil unterdessen Informationen veröffentlicht, die auch den Landesvorstand der Grünen erheblich belasten. Der Vorstand habe zwar behauptet, er habe „wiederholt versucht“, „mit Sediqi und Karismaz ins Gespräch zu kommen“. Konkrete Beweise dafür gebe es aber nicht. Der Landesverband wisse bereits seit Januar von den schweren Beschuldigungen gegen die beiden Abgeordneten. Doch die Landesorganisation „kümmerte sich darum nicht ernsthaft. Das geht aus einem Mail-Verlauf hervor, den BILD einsehen konnte“. Das Resümee von Bild: „Man versucht offenbar das unangenehme Thema auszusitzen. Eine ganz peinliche Nummer“.


Dr. Manfred Schwarz war acht Jahre Medienreferent in der Hamburger Senatsverwaltung und Mitglied des Hamburger CDU-Landesvorstandes.