Tichys Einblick
Rückkehr zum Kalten Krieg – Teil 2

Huntington hatte doch Recht

Weder Russland noch China gefährden Europa in derselben Weise wie der Islamismus. Langfristig ist nicht ein Ost-West, sondern der Nord-Süd-Konflikt entscheidend. Die Nato wird nach der Hybris der letzten Jahre wieder zum Schutzbündnis zusammenschrumpfen. Von Heinz Theisen

Besucher eines Straßencafés an der Düsseldorfer Kö neben einem "Pro-Palästina"-Aufmarsch, 14.10.2023

IMAGO
Wer noch länger leugnet, dass Antisemitismus heute in erster Linie ein islamisches Phänomen ist, grenzt sich aus einem ernstzunehmenden Diskurs aus. Religion wird in ihrer totalitären Variante als „Opium für das Volk“ erkennbar. Der interkulturelle Regenbogen ist als globalistische Fata Morgana entlarvt worden. Wo immer die Linke den nationalen Kampf der Ukraine und Israels unterstützen, kann sie ihre anti-nationale Attitüde selbst in Deutschland nicht mehr beibehalten.
Lesen Sie hier Teil 1 >>>
Geokulturelle Konsequenzen

Die Lektüre von Samuel Huntingtons Klassiker über den „Kampf der Kulturen“ in den neunziger Jahren hätte viele west-östliche Verstrickungen verhindert. Huntington hatte vor weiteren Interventionen und Verstrickungen in fremde Kulturkreise gewarnt. Nur durch Trennung und Koexistenz der Kulturen ließe sich ihr Kampf verhindern. Stattdessen wurde nach dem Ende des sowjetischen Totalitarismus unverhohlen die Universalität des Westens angestrebt, ohne die Grenzen der Kulturen zu beachten. Der umgekehrte Universalismus offener Grenzen hat den Weg auch von Islamisten in die Zentren Europas ermöglicht.

Stellenweise erhebt immer noch der westliche Universalismus, eine Art liberaler Totalitarismus, ideologische Forderungen nach universeller Herrschaft, stößt aber durch seine fortlaufenden Niederlagen unübersehbar an seine Grenzen. Ein Umdenken wird auch in den USA erkennbar und könnte schon mit den nächsten Wahlen mehrheitsfähig werden.

Und Huntington hatte doch Recht. Mit dem Kampf der Ideologien sind die alten Mächtekonflikte zwar noch als Wettbewerb um die Rangplätze existent, aber weltanschaulich in erheblicher Weise relativiert. Keiner von ihnen stellt dem anderen sein Existenzrecht in Frage. Nach dem Ende des Kalten Krieges wollte die Nato bis hin zu absurden gleichzeitigen Partnerschaften wie mit Aserbaidschan und Armenien zum Global Player mutieren. Sie wird wieder von der Ausweitung der westlichen Welt zu einem defensiven Verteidigungsbündnis des bedrohten Westens schrumpfen müssen. Auch die wirtschaftliche Konkurrenz Chinas bedroht den Westen nicht annährend wie der islamische Universalismus. Dem bedrängten und überdehnten Westen bleibt nichts anderes übrig als sich mit anderen Großmächten auf Hemisphären und neutrale Zone im Rahmen einer multipolaren Weltordnung zu verständigen.

Die Ukraine wird gegenüber diesem weltweiten Kampf des Islamismus gegen alle anderen Kulturen zu einem Nebenkriegsschauplatz. Russland gefährdet Europa nicht in annähernder Weise wie der Islamismus. Die Ost-Ukraine hat im Vergleich zum Nahen Osten keine nennenswerte strategische Bedeutung. Insofern ist langfristig nicht ein Ost-West, sondern der Nord-Süd-Konflikt entscheidend.

Jeder sollte an neuen Mauern bauen

Sowohl die Integrationsversuche nach innen als auch Interventionen nach außen sind aussichtslos und müssen in Selbstbegrenzung, Koexistenz und gegebenenfalls Eindämmung überführt werden. Dafür werden nach innen gesetzgeberische und nach außen physische und kontrollfähige Grenzen gebraucht.

In der islamischen Welt ist nur ein Teil der Jugendlichen durch Karrieren und westliche Technologien vom Gotteskrieg ablenkbar. Die Hoffnungen auf eine Zivilisierung der Kulturen, die im Abraham-Abkommen genährt wurden, müssen weiterverfolgt werden, aber ohne Illusionen über ihre Reichweite. Der Weg vom Kampf der Kulturen zum Kampf um die Zivilisation wird ein weiter sein.
Auch gegenüber Hitler erfolgte die Gegenwehr erst im letzten Moment, bis dahin wurde verleugnet und beschwichtigt. Auch Stalin und seinen Schergen wurden von Intellektuellen ob der schönen Ziele und Worte Sympathien entgegengebracht. Für den vergleichbaren Verrat werden die vielen islamophilen Intellektuellen unserer Tage Rechenschaft ablegen müssen.

Im Kalten Kriege wurden die inkompatiblen Weltanschauungen durch fast unüberwindbare Grenzen getrennt. Die Mauer und der Zaun zwischen Israel und Palästinensern hat überhaupt erst das Fortbestehen Israels nach den Intifadas ermöglicht. Der Durchbruch des Zauns am 7. Oktober löste umgehend eine Katastrophe aus, nicht zuletzt auch ob des technizistischen Glauben an die elektronische Sicherung des Zauns. Im Kampf gegen die Barbarei können wir uns nicht in die Plagiatskünste einer KI flüchten. Die Illusion ist dahin, dass die Mittel der Zivilisation ausreichen, um sich gegen Barbarei zu behaupten.

Jenes von Emmanuel Macron propagierte „Europa, das schützt“, würde dem Staatenbündnis einen neuen Sinn geben. Der Nationalstaat ist dem globalen Kampf der Kulturen nicht gewachsen. Europa muss ein positives Verhältnis zu imperialer Stärke in defensiver Absicht finden. Je länger sich die USA dem neuen Paradigma verweigern, desto mehr muss eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft die EU von den USA emanzipieren helfen.

Israels Zukunft wird unmittelbar in einem wesentlich besseren Grenzschutz liegen – und selbiges gilt auch für Europa. Irgendwann hat auch der letzte Weltfremde verstanden, dass Europa umgrenzt werden muss. Spätere Generationen werden rätseln, wie diese an sich selbstverständliche Einsicht verdrängt, ja als „rechts“ diffamiert und verleugnet werden könnte. Hinter den Grenzen können sich dann auch jene Prozesse vollziehen, die – wie schon im Ostblock – auch in der islamischen Welt die Sehnsucht nach Freiheit zum Sieg verhelfen. Die westliche Welt kann dazu nicht mehr beitragen als sich selbst zu erhalten und damit auch ein Vorbild für freiheitlich gesinnte Muslime zu sein.

Selbstbehauptung durch Selbstbegrenzung

Das Insistieren der USA auf freie Wahlen in den Palästinensischen Gebieten war ein weiterer Ausdruck ihrer naiven und zugleich größenwahnsinnigen Demokratisierungshybris. Diese Wahlen brachten – wie von Israel befürchtet – der Hamas die Mehrheit und nach dem Bürgerkrieg mit der Fatah den religiösen Totalitarismus im Gazastreifen an die Macht. Eine etwaige Zweistaatenlösung mit denjenigen, bei denen eine Auslöschung Israels mehrheitsfähig ist, war damit dahin.

Jegliche Intervention des Westens in die islamische Welt hinein hat sich von Afghanistan bis Mali als Desaster erwiesen. Umgekehrt kann dies nur bedeuten, dass die Kräfte darauf auszurichten sind, die Grenzen gegenüber Islamisten zu sichern. Selbstbehauptung durch Selbstbegrenzung ist die unabweisbare Leitstrategie im globalen Kulturkampf mit dem Islam.

Der religiöse Totalitarismus muss als Speerspitze im Kulturkampf als die größte Herausforderung des Westens erkannt werden, demgegenüber macht sich der „Kampf gegen Rechts“ lächerlich. Im Gegenteil: Die Rechten, definiert als diejenigen, die das Eigene von der Familie bis zur westlichen Kultur der Freiheit durch kontrollfähige moralische und physische Grenzen schützen wollen, haben Recht bekommen. Für die Zukunft wird die Bereitschaft zur Selbstbehauptung auf allen Ebenen gefordert sein. Im Kampf gegen den internationalen Islamismus stünde zum Beispiel die „Wehrhafte Demokratie“ des deutschen Grundgesetzes gegenüber jeglicher Form von Gewaltverherrlichung als Abwehrinstrument bereit.

Im Kampf der Kulturen geht es wie im Kampf gegen den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts immer auch um die Suche nach dem kleineren Übel. Wie sich die Nato im Kalten Krieg mit den kleineren Übeln autoritärer Mächte – wie etwa der damals laizistischen Türkei – gegen das totalitäre Sowjetsystem verbündete, so wird sich die Nato heute mit autoritären Mächten wie Russland und China gegen das größtmögliche Übel des Islamismus verbünden müssen. In diesem Sinne könnten die endlich erkannten geokulturellen Fronten zu neuen geopolitischen Konstellationen zwischen den Weltmächten überleiten.

Lesen Sie hier Teil 1.