Tichys Einblick
Linksextremismus – eine unterschätzte Gefahr?

Gewalt ist Gewalt

Gewalt ist Gewalt. Trotzdem wird sie verharmlost, wenn sie von Linksextremisten verübt wird – Ein Jahr nach den G20-Krawallen.

A fire burns in the middle of town during an anti-G20 protest on July 7, 2017 in Hamburg

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„Der Linksextremismus und die linksextremistische Gewalt wurden in manchen Kreisen unserer Gesellschaft über Jahre hinweg verharmlost.“ Das hat der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), auf einer Podiumsdiskussion über „Linksextremismus – eine unterschätzte Gefahr?“ erklärt, die nun in der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen stattfand, am Jahrestag der Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg. „Wir haben heute“, fügte Mayer hinzu, „in Deutschland so viele bekannte Linksextremisten wie noch nie zuvor.“ Zwischen 2016 und 2017 sei die Zahl bekannter Linksextremisten um weitere 1.000 Personen gestiegen.

Gegendemo der Antifa

Die Berliner „Nord-Ost-Antifa“ hatte zu einer Gegendemonstration aufgerufen, brachte an dem Tag aber nur etwa 30 Personen auf die Beine. Sie zogen mit Transparent und Megaphon vor der Stasi-Gedenkstätte auf. Als deren Direktor Hubertus Knabe einen Antifa-Wortführer zur Podiumsdiskussion einlud, kniff dieser.

Löchriges Alibi
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An der Diskussion nahm der Geschäftsführer der Drogeriekette Budnikowsky, Cord Wöhlke, teil. Seine Filiale im Hamburger Schanzenviertel wurde bei den Ausschreitungen geplündert und zerstört. „Man kann sich nicht vorstellen, was da abgelaufen ist“, sagte er, „es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände.“ Noch schlimmer als die Plünderungen seien die sinnlosen Zerstörungen gewesen. Alles in seinem Geschäft sei herausgerissen worden. Die Schäden hätten 400.000 Euro betragen, „Gott sei Dank waren wir gut versichert“. Die Bürger im Schanzenviertel seien von der Polizei „mehrere Stunden alleingelassen worden. Das ist es, was absolute Bestürzung ausgelöst hat.“ Noch heute fühlten sich die Anwohner „seelisch verwundet“ und hätten das nicht verarbeitet. Zudem würden sich „die Linken in Hamburg nicht klar von dieser Gewalt distanzieren“.

Der Bundesjugendvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Niels Sahling, war als Bereitschaftspolizist beim G20-Gipfel im Einsatz. Die Politik hätte früher „die Zeichen der Zeit“ nicht erkannt, erklärte er, und zu viel Polizei eingespart. „Entgegen der Meinung einiger Abgeordneter und Politiker meine ich, dass wir mit mehr Personal auch durchaus mehr hätten erreichen können“, so Sahling.

In Bayern nicht möglich

Stephan Mayer räumte ein, es habe „partiell Phasen gegeben, in denen die Repräsentanten des Staates nicht Herr der Lage waren“. Er wies auch auf die hohe Zahl verletzter Polizisten hin. Gerade habe der Bundestag für den Haushalt 2018 weitere 3.100 Stellen für die Bundespolizei beschlossen. „In Bayern“, sagte der CSU-Abgeordnete, „wäre es undenkbar, dass Szenen wie die Rote Flora in Hamburg oder die Szene in der Rigaer Straße in Berlin über einen längeren Zeitraum hinweg geduldet werden.“

Helmuth Frauendorfer von der Stasi-Gedenkstätte erklärte, die Krawalle beim G20 hätten die Versicherer rund zwölf Millionen Euro gekostet. Laut einer Schätzung hätten sie für zerstörte Autos vier Millionen Euro zahlen müssen. Das Bundeskriminalamt habe im April 2016 mitgeteilt, dass von 336 Präventionsprojekten in staatlicher Trägerschaft 75 Prozent dem Rechtsextremismus galten und nur vier Prozent dem Linksextremismus. Mayer sprach von einer „Schieflage“ und ergänzte: „Weniger als ein Prozent des Etats des betreffenden Titels aus dem Bundesfamilienministerium wurde in der letzten Legislaturperiode für Projekte gegen Linksextremismus verwendet.“ Und: „Wenn die damalige zuständige Bundesfamilienministerin Barley der Auffassung ist, der Linksextremismus spielt bei uns an sich keine Rolle, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass weniger als eine Million Euro zur Prävention zur Verfügung gestellt wird und über 100 Millionen Euro für Projekte gegen Rechtsextremismus.“

Berlin ist Hauptstadt des Linksextremismus

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Tom Schreiber (SPD), Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, erklärte, es gebe in der Hauptstadt „über 970 Personen, die der gewaltbereiten linksextremistischen Szene zugehörig sind. Wir müssen uns um den harten gewaltbereiten Kern kümmern“. Bei einem gerade laufenden Prozess würden Zeugen bedroht. Schreiber wies auch auf die Bedeutung der Sympathisantenszene hin. Der Politologe Werner Patzelt erklärte: „Leider Gottes ist es derzeit so, dass sich mit linken Argumenten Gewalttätigkeit mit großer gesellschaftlicher Zustimmung rechtfertigen und schönen lässt.“
Linksextreme Gefahr wird geleugnet

Die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen befasst sich unter ihrem Direktor Hubertus Knabe seit langem auch mit der Prävention des Linksextremismus. „Anders als beim Thema Rechtsextremismus macht man sich aber nicht sonderlich beliebt mit solchen Angeboten“, erklärte Knabe, „und wir sind bis heute die einzigen, die so etwas auch im größeren Maßstab anbieten.“ Einige Politikwissenschaftler, sagte er, „bestreiten schlichtweg, dass es überhaupt so etwas wie Linksextremismus gibt“

Andere, fuhr Knabe fort, „wie die frühere Familienministerin Manuela Schwesig sagen, das Problem sei aufgebauscht“. Wieder andere, „zum Beispiel der SPD-Vizechef Stegner oder der frühere Kanzlerkandidat Martin Schulz“ würden behaupten, linke Gewalt sei gar nicht links: „Denn wer links ist, sei nicht gewalttätig.“ Wieder andere, wie die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, meinten schlicht, nicht der Linksextremismus sei das Problem, sondern die Polizei, die laut Kipping „marodierend durch die Straßen von Hamburg gezogen“ sei.


Der Artikel „Gewalt ist Gewalt“ von Michael Leh ist zuerst erschienen am 12. Juli 2018 in DIE TAGESPOST. Katholische Wochenzeitung für Gesellschaft, Politik und Kultur.